
Wie künstliche Intelligenz Interviews, mit Smartphones gedreht, zerlegt, Themen verdreht und warum das Tool trotzdem seinen Reiz hat
Mit dieser Serie startet NETZ-TRENDS.de seine neue Testserie zu KI-Videotools – ein Praxischeck für Marketingleiter, Kommunikationsverantwortliche, Pressestellen, Social-Media-Teams und PR-Agenturen, die wissen wollen, ob sich der Einsatz solcher Systeme im professionellen Umfeld lohnt. Ziel der Serie ist, Effizienz, Qualität und Risiko neuer KI-Tools unter realen Produktionsbedingungen zu bewerten.
Zum Auftakt wurde OpusClip getestet (https://clip.opus.pro)– ein US-amerikanisches KI-Programm aus Palo Alto (Kalifornien), das verspricht, lange Videos automatisch in kurze, teilbare Social-Media-Clips zu verwandeln.
Das Beispiel verdeutlicht: OpusClip arbeitet nach Mustern, nicht nach Bedeutung.
Das System erkennt Betonungen, Schlüsselwörter und Sprachpausen, aber keine semantischen Zusammenhänge. Es „versteht“ also nicht, ob jemand gerade eine technische Erklärung, eine Schlussfolgerung oder ein Beispiel gibt.
Im Test mit dem Automobilinterview führte das zu mehreren Fehlinterpretationen: Zwischensätze wurden als neue Themen erkannt. Technische Begriffe wie „Zellchemie“ oder „Recyclingpfad“ könnten isoliert und sinnentstellt wiedergegeben werden nach usnerer Erfahrung. Sätze wurden dupliziert, um mehr Clips zu generieren. Reißerische Titel wie „Das müssen Sie wissen!“ wurden automatisch erzeugt, obwohl im Video nie eine solche Aussage fiel.
Das Ergebnis war ein inhaltlich zerfleddertes Video-Mosaik: formal sauber, semantisch kaputt.
Für Social-Media-Marketing mag das funktionieren – Emotionen, Bewegung und Schlagworte zählen mehr als Zusammenhänge.
Doch für Unternehmenskommunikation, Fach-PR oder Journalismus entsteht ein echtes Risiko:
Zitate werden ungenau, Sinnzusammenhänge zerstört, Botschaften verzerrt. Ein Satz, der technisch korrekt über Batteriezellen sprach, wurde plötzlich zu einem Claim über „explodierende Akkus“.
KI ersetzt hier kein redaktionelles Denken – sie simuliert es.
Das NETZ-TRENDS.de-Testabo für OpusClip Pro kostete 174 € im ersten Jahr (Jahresrabatt 50 %), der reguläre Preis liegt bei 348 € pro Jahr. Das Abo verlängert sich automatisch, wenn es nicht rechtzeitig gekündigt wird.
Leistung im Test: Bearbeitungszeit: Hochladen 2 Minuten. OpusClip spuckte dann 7 Clips aus, davon 3 doppelt verwertet, 4 fehlerhaft geschnitten. Gesamtlaufzeit der Schnipsel waren in unserem Testlauf: 4:07 Minuten bei 3:43 Originalmaterial. Stärken: Geschwindigkeit, Schnittqualität, automatische Untertitelung. Schwächen: Kein Kontextverständnis, doppelte Szenen, unpassende Titel.
OpusClip wurde für Creator-Content im Social-Media-Stil (YouTuber, Coaches, Influencer) optimiert – nicht für medizinische oder journalistische Interviews.
Das bedeutet: Die KI schneidet automatisch nach „Engagement-Signalen“, also z. B. nach Betonung, Emotion, Pausen und Keywords wie „wow“, „unglaublich“, „you know“ etc. Sie erkennt aber keinen ausführlichen fachlichen Kontext (z. B. dass „Einspritzmotor“ innerhalb eines zusammenhängenden Themas). Dadurch entstehen Clips, die rein algorithmisch spannend wirken sollen, aber inhaltlich zerrissen oder sinnlos verkürzt sind.
Du hattest ein 3-Minuten-Interview mit Dr. Müller (Autokonzern XY), fachlich klar gegliedert (Diagnose → OP-Methode → Fahrerlebnis für den Käufer). OpusClip hat daraus: 7 kurze Reels (20–40 Sek.) gemacht, mit Titel-Vorschlägen, die auf virale Schlagworte (Schnellfahren, Warnzeichen, Trending) getrimmt sind, aber ohne dramaturgischen Bogen. Für die Unternehmenskommunikation eines Autokonzerns ist das in dem Fall kontraproduktiv, weil: der Fachinhalt verzerrt wird, der Vorstand Technik unpräzise oder sensationsheischend wirkt, und du den Interviewfluss verlierst, der Vertrauen schaffen soll.
In OpusClip manuell eingreifen: Nutze Manual Recut Mode → wähle nur 1–2 längere Sinnabschnitte (30–45 Sek.), lösche die automatischen Vorschläge, füge deinen eigenen Titel und Untertitel hinzu.
Oder ergänzend Pictory.ai oder VEED.io nutzen: Pictory kann aus Transkripten längere, logisch gegliederte Clips bauen, statt aus Engagement-Fragmenten. VEED.io erlaubt dir, dein eigenes Reel-Template zu erstellen (Intro-Logo, Bauchbinde, Outro).
Beste Lösung für dich: Workflow kombinieren: OpusClip für Roh-Transkript und Szenenvorschläge, VEED.io oder Pictory für finalen Feinschnitt mit deinem Textverständnis.
OpusClip ist gut für Social-Media-Dynamik, aber schlecht für medizinisch-journalistische Präzision. Für dich als Kommunikationsleiter ist Pictory.ai eher ein redaktionelles Tool, das sich an Skript und Sinn orientiert. Wenn du aus einem 3-Minuten-Interview einen einzigen klaren Reel (30–40 Sek.) schneiden willst, ist das mit VEED.io + manuelle Auswahl die professionellere Lösung.