
Die Pläne der EU-Kommission, private Chats in Messengern wie WhatsApp schon vor dem Versand zu durchsuchen, markieren den radikalsten Bruch mit dem digitalen Briefgeheimnis seit Beginn des Internetzeitalters.
Ziel ist angeblich der Kampf gegen kinderpornografische Inhalte, doch der Weg dorthin bedeutet die Einführung eines umfassenden Client-Side-Scannings – also einer Überwachung, die auf jedem Endgerät direkt beim Schreiben greift, bevor überhaupt eine Verschlüsselung stattfinden kann. Datenschützer und Technikexperten sprechen offen von einer anlasslosen Massenüberwachung, die das „Stasi-Prinzip“ digital neu belebt und erstmals flächendeckend auf die gesamte Bevölkerung anwendet.
Mit angeblich gezielten Tools wollen Regierungen an vertrauliche Kommunikation, also direkt an die Privatsphäre von Milliard:innen Europäer:innen. Das perfide am aktuellen Gesetzesentwurf: Die Verschlüsselung bleibt scheinbar erhalten, doch die Kontrolle findet vorher statt – wie ein digitaler Brief, der vor dem Zukleben abfotografiert wird. Technisch eröffnet das neue Angriffsflächen für den Missbrauch, denn einmal installierte Hintertüren lassen sich beliebig erweitern und für ganz andere Zwecke nutzen, wie politische Überwachung oder das gezielte Ausspähen von Opposition und Presse (siehe auch: bild).
WhatsApp, Signal und Threema haben (öffentlich) klargestellt, dass sie solche Überwachung niemals technisch umsetzen werden. Signal und Threema kündigen sogar explizit an, sich aus Europa zurückzuziehen, falls die Chatkontrolle tatsächlich Gesetz wird. Auch WhatsApp warnt eindringlich: Die Pläne hebeln das Grundversprechen des Datenschutzes und der gesicherten Kommunikation aus und könnten weltweit einen fatalen Präzedenzfall schaffen (siehe auch: netzpolitik).
Zahlreiche Bürgerrechtsorganisationen, Technik- und Rechtswissenschaftler betonen, dass die Chatkontrolle mit demokratischen Prinzipien unvereinbar ist. Sie erinnern an Überwachungsmaßnahmen längst vergangener Zeiten und stellen klar: Was einst die analoge Staatssicherheit war, droht nun in digitaler Perfektion jeden EU-Bürger zu treffen. Besonders brisant: Der Vorschlag wäre ein direkter Bruch mit der EU-Grundrechtecharta und der europäischen Datenschutzgesetzgebung, argumentieren die Kritiker (siehe auch: bild).
Bis zum heutigen Tag ist eine Mehrheit der EU-Regierungen für den Gesetzentwurf, doch mehrere Länder – darunter Deutschland – verweigern klar ihre Zustimmung. Besonders von der dänischen EU-Ratspräsidentschaft kommt massiver politischer Druck, das Gesetz gegen alle Warnungen doch noch durchzusetzen. Das EU-Parlament wiederum spricht sich eindeutig gegen die Chatkontrolle aus. Damit ist das Thema zur Nagelprobe für Europas Demokratie und Digitalpolitik geworden (siehe auch: netzpolitik).
Die EU-Chatkontrolle würde die universelle, anlasslose und automatisierte Durchleuchtung aller privaten Nachrichten in Messengern wie WhatsApp erzwingen. Schon vor der eigentlichen Datenverschlüsselung würde staatlich vorgeschriebene Software sämtliche Inhalte auf den Endgeräten scannen, egal ob Verdachtsmomente bestehen oder nicht. Das stellt vollumfänglich einen Widerspruch zu den zentralen Prinzipien des Grundgesetzes dar.ccc+2
Nach deutscher Verfassung – konkret Art. 10 GG – ist das Fernmeldegeheimnis ein geschütztes Grundrecht. Es umfasst sämtliche Formen elektronischer Kommunikation. Kein staatlicher Eingriff darf ohne konkrete Gefahr oder richterlichen Beschluss in dieses Recht eingreifen. Die geplante Chatkontrolle wäre jedoch eine flächendeckende, verdachtsunabhängige Kontrolle aller Bürgerinnen und Bürger und setzt damit das Fernmeldegeheimnis faktisch außer Kraft (siehe auch: digitalegesellschaft).
Zentrale Grundsätze des Grundgesetzes sind Verhältnismäßigkeit und der Schutz vor Generalverdacht. Jeder Eingriff in persönliche Kommunikation muss begründet und eng begrenzt sein – ein massenhafter, anlassloser Scan aller Nachrichten widerspricht nicht nur der Idee der Verhältnismäßigkeit, sondern stellt die gesamte Gesellschaft unter pauschalen Verdacht (siehe auch: ccc).Juristi
sche Gutachten, Dienste des Bundestags und Verfassungsrechtler sind sich einig: Die Chatkontrolle würde Grundrechte wie das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (aus der aktuellen Rechtsprechung heraus entwickelt) grundlegend aushebeln (siehe auch: netzpolitik).
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits die Vorratsdatenspeicherung gekippt, gerade weil verdachtslose Massenüberwachung unvereinbar mit EU-Grundrechten ist – die Chatkontrolle geht noch weiter, indem sie direkt die Inhalte selbst betrifft (siehe auch: freiheitsrechte).
Experten warnen, dass die EU-Chatkontrolle nicht nur die Demokratie schwächt, sondern auch Presse- und Meinungsfreiheit bedroht. Die Schwächung von Verschlüsselung öffnet Angriffsflächen für Missbrauch und Cyberkriminalität, denn jeder Bürger verliert die Kontrolle über die eigenen Daten und Kommunikationswege. Auch die Pressefreiheit (Art. 5 GG) wäre massiv bedroht, weil sensible Recherche-Kommunikation nicht mehr sicher möglich wäre (siehe auch: proliance).Selbst
der Deutsche Kinderschutzbund betont, dass der General-Eingriff alle Menschen betrifft, obwohl er dem effektiven Schutz von Kindern in der Praxis kaum hilft (siehe auch: ccc).
Die geplante Chatkontrolle steht in eindeutigen Widerspruch zu gleich mehreren Grundrechten des deutschen Grundgesetzes und verletzt insbesondere das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG), das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Recht auf Integrität und Vertraulichkeit informativer Systeme. Juristische Fachgutachten bestätigen die Unvereinbarkeit und erwarten eine verfassungsrechtliche Klärung – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zugunsten der Bürgerrechte (siehe auch: freiheit).