Drohnen über Kiel - Es gibt keinen Schutz vor Drohnen und deshalb ist Deutschlands kritische Infrastruktur natürlich verletzlich

Bild: KI generiert für NETZ-TRENDS.de

Ein Vorfall in Schleswig-Holstein alarmiert Politik und Sicherheitsbehörden. Über Kiel und angrenzende Regionen wurden mehrere Drohnenschwärme gesichtet, die offenbar gezielt Kraftwerke, Kliniken und Militäranlagen überflogen. Der Verdacht: systematische Spionage. Doch wie kann sich ein Land gegen solch schwer fassbare Bedrohungen schützen – und ist das überhaupt möglich?

Der Vorfall in Kiel

In der Nacht vom 25. auf den 26. September 2025 meldeten Augenzeugen und Sicherheitsdienste gleich mehrere Drohnen über dem Großraum Kiel. Nach Recherchen des SPIEGEL flogen die Objekte in parallelen Bahnen über das Küstenkraftwerk, das Universitätsklinikum Kiel und das Werftgelände von Thyssenkrupp. Später wurden sie auch über dem Landtag in Kiel sowie der Raffinerie Heide gesichtet, die den Flughafen Hamburg mit Kerosin beliefert.

Laut einem internen Polizeivermerk handelte es sich nicht um zufällige Überflüge. Die Bewegungen der Drohnen deuteten auf ein kartographisches Vorgehen hin, offenbar mit dem Ziel, sensible Anlagen zu vermessen und deren Strukturen zu erfassen. Noch am selben Wochenende kam es zu ähnlichen Sichtungen über dem Marinekommando in Rostock und dem Bundeswehrstandort Sanitz in Mecklenburg-Vorpommern. Die Bundespolizei dokumentierte dabei Drohnen mit einem Gewicht von über 2,5 Kilogramm, die „koordiniert und zusammenhängend“ flogen (AP News).

Die Bundesregierung reagierte mit der Ankündigung, ein gemeinsames Abwehrzentrum von Polizei und Bundeswehr einzurichten. Innenminister Alexander Dobrindt sprach von einer „hohen Bedrohungslage“ und kündigte ein Gesetz an, das es der Bundeswehr künftig erlauben soll, Drohnen im Notfall auch außerhalb von Kasernen abzuwehren (Reuters).

Drohnen als neue Sicherheitsbedrohung

Die Sichtungen in Kiel sind kein Einzelfall. Ähnliche Vorgänge wurden zuletzt auch in Dänemark gemeldet, wo Drohnenflüge sogar zur zeitweiligen Schließung von Flughäfen führten. Die dänischen Behörden schlossen einen Zusammenhang mit russischen Provokationen nicht aus (The Guardian).

Wissenschaftliche Analysen zeigen, warum Drohnen für Sicherheitsbehörden so schwer zu fassen sind. Kleinere Modelle haben eine geringe Radar-Signatur, fliegen in niedriger Höhe und können mit handelsüblichen Kameras hochauflösende Bilder liefern. In der militärischen Forschung gelten sie als klassische Instrumente hybrider Kriegsführung: günstig, flexibel und schwer zurückzuverfolgen.

Eine aktuelle Übersicht der Forschung verweist auf die Bandbreite möglicher Abwehrmaßnahmen, die unter dem Begriff Counter-UAS (C-UAS) zusammengefasst werden (ResearchGate – Counter Drone Technology). Dazu zählen hochauflösende Radarsysteme, Funkfrequenz-Analyse, optische Sensoren und sogar akustische Verfahren. Erst in Kombination – etwa durch sogenannte Sensorfusion – lassen sich Drohnen zuverlässig detektieren.

Grenzen der Drohnenabwehr

Die wissenschaftliche Literatur macht jedoch deutlich, dass ein vollständiger Schutz nicht möglich ist. Drohnen können ihre Frequenzen wechseln, GPS-Signale fälschen oder in Schwärmen auftreten, die einzelne Abwehrsysteme überlasten.

Die eigentliche Herausforderung liegt im rechtlichen und organisatorischen Bereich. In Deutschland dürfen Drohnen bislang nur im direkten Umfeld von Kasernen durch die Bundeswehr neutralisiert werden. Selbst der Einsatz von Funkstörungen (Jamming) ist rechtlich umstritten, da er andere Kommunikationssysteme beeinträchtigen könnte. Auch Fehlalarme bergen erhebliche Risiken: Ein fälschlicher Abschuss in urbanem Gebiet kann selbst zur Gefahr für Zivilisten werden.

Internationale Projekte wie das deutsche FALKE-Programm, das Abwehrsysteme an Flughäfen testet, oder Kooperationen zwischen Telekommunikationsunternehmen und Abwehrfirmen wie Dedrone zeigen, dass Lösungen in der Praxis erprobt werden. Doch die Kosten sind hoch, der Betrieb komplex und die rechtlichen Grundlagen oft unzureichend (Unmanned Airspace – FALKE Projekt).

Was Deutschland tun kann

Die Bedrohung durch Drohnen lässt sich nicht vollständig eliminieren, wohl aber durch eine mehrschichtige Verteidigung erheblich eindämmen. Das bedeutet: flächendeckende Überwachung durch Sensornetze, abgestufte Sicherheitszonen rund um kritische Infrastruktur, schnell verfügbare Soft-Kill-Methoden wie Funkstörungen und – wo rechtlich erlaubt – Hard-Kill-Maßnahmen wie Abfangdrohnen oder Laser.

Fachleute empfehlen zudem, die Resilienz der Infrastruktur zu erhöhen, etwa durch redundante Systeme, bauliche Abschirmungen und härtere Zugangskontrollen. Ebenso wichtig ist die internationale Kooperation, da Drohnenflüge über Landesgrenzen hinweg kaum kontrollierbar sind. Nur durch abgestimmte Sensorennetze und gemeinsame Einsatzstrategien innerhalb der EU und NATO kann die Bedrohung realistisch eingehegt werden.

Eine zentrale Rolle spielt dabei auch die Cyberabwehr. Viele Drohnen arbeiten mit Funk- und GPS-Signalen, die manipulierbar sind. Ein starkes, cyberzentriertes Schutzkonzept kann verhindern, dass Drohnen ferngesteuert in Sicherheitsbereiche eindringen oder ihre Daten unbemerkt weiterleiten (Autonomy Global).

Konsequenzen für Staat und Gesellschaft

Der Vorfall von Kiel zeigt eindrücklich, dass Drohnen nicht nur Spielzeug oder Werkzeuge der Industrie sind, sondern längst zu Instrumenten geopolitischer Machtspiele geworden sind. Für die Bevölkerung bedeuten solche Sichtungen Unsicherheit: Wenn sogar Landtage, Kraftwerke und Kliniken überflogen werden können, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit staatlicher Schutzmechanismen.

Sicherheitsexperten warnen, dass Drohnen künftig nicht nur zur Spionage, sondern auch zur Sabotage oder für Cyberangriffe aus der Luft genutzt werden könnten. Die Diskussion, ob die Bundeswehr im Inland Drohnen abwehren darf, ist damit mehr als juristische Spitzfindigkeit – sie berührt das Fundament des staatlichen Schutzversprechens.

Gefällt mir
1