
„Schmerzfrei durchs Leben!“ – mit diesem Slogan tritt der Online-Shop Orthoback.de in Deutschland auf. Auf den Webseiten finden sich Versprechen wie „Lebensqualität neu entdecken mit den orthopädischen Produkten von Orthoback“ oder „So funktioniert’s: 15 min täglich für schmerzfreie Füße“.
Besonders hervorgehoben wird das Orthoback Vibrastone, ein Massagegerät, das angeblich Nerven regenerieren und die Durchblutung verbessern soll. Dazu werden die Claria CIC Hörhilfe angeboten, beworben als unsichtbare Hörhilfe, sowie das ReNerv3D EMS-Gerät, das Nervenschmerzen und Taubheitsgefühle durch elektrische Stimulation beseitigen soll. Weitere Produkte sind das Venopulse für die Durchblutung der Beine, das Neuro-Gel und Vita-Gel, die zur Unterstützung von Nervenfunktionen beworben werden, der UV-Leuchtbogen gegen Nagelpilz, die orthopädischen Schlappen oder „Patschen“, diverse Kniebandagen sowie ein Omassagerät mit Massagegel.
Die Zielgruppe dieser Versprechen sind vor allem ältere Menschen mit chronischen Leiden. Für Juristen sind die Aussagen allerdings hochproblematisch. Nach dem deutschen Heilmittelwerbegesetz (HWG) sind Heilsversprechen nur zulässig, wenn sie wissenschaftlich nachgewiesen sind. Orthoback kann solche Nachweise nicht vorlegen, und die Stiftung Warentest hat keines dieser Produkte getestet.
Die Diskrepanz zwischen Versprechen und Realität zeigt sich deutlich auf Trustpilot, einem der größten Bewertungsportale der Welt. Dort sind aktuell 7.942 Bewertungen zu Orthoback gelistet, davon sind 46 Prozent negativ, was rund 3.650 Beschwerden entspricht.
Eine von NETZ-TRENDS.de ausgewertete Stichprobe mit über 100 Negativmeldungen zeigt die zentralen Probleme. 21,3 Prozent der Kunden berichten von Rücksendungen nur nach China oder Hongkong mit Portokosten von 21,45 Euro, 24,80 Euro oder 49 Euro. 16,3 Prozent kritisieren, dass sie keine Antwort vom Support und keine Retourenadresse erhielten. 14,2 Prozent schildern Rechnungen, die vor Lieferung gestellt wurden. 11,7 Prozent berichten von dubiosen Inkassoforderungen trotz Streitfällen oder bereits zurückgeschickter Ware. 10,4 Prozent klagen über defekte oder nutzlose Geräte. 9,2 Prozent machen irreführende Werbung und falsche Widerrufsbelehrungen geltend. Hinzu kommen Fälle von Datenmissbrauch, unbeabsichtigten Bestellungen, Falschlieferungen und Verstößen gegen Informationspflichten.
Rang | Beschwerdepunkt | Anzahl Nennungen | Anteil |
---|---|---|---|
1 | Rücksendung nur nach China/Hongkong | 51 | 21,3 % |
2 | Keine Antwort / keine Retourenadresse | 39 | 16,3 % |
3 | Nichtlieferung / Rechnung vor Lieferung | 34 | 14,2 % |
4 | Inkasso durch ACCS Germany GmbH | 28 | 11,7 % |
5 | Defekte oder nutzlose Geräte | 25 | 10,4 % |
6 | Irreführende Werbung | 22 | 9,2 % |
7 | Falsche Größe / Passform | 12 | 5,0 % |
8 | Fehlende deutsche Anleitung | 10 | 4,2 % |
9 | Lieferverzug | 6 | 2,5 % |
10 | Lieferung ohne Bestellung | 6 | 2,5 % |
11 | Falschlieferung (Neuro-Gel/Vita-Gel) | 3 | 1,3 % |
12 | Unbeabsichtigte Bestellung | 3 | 1,3 % |
13 | Sicherheitsrisiken (Herzschrittmacher) | 2 | 0,8 % |
14 | AGB/Widerruf erst nach Kauf | 2 | 0,8 % |
Summe | 241 | 100 % |
Die Firmenstruktur hinter Orthoback offenbart ein internationales Dreieck, das für Verbraucher schwer durchschaubar ist.
In Hongkong sitzt die Betreiberfirma Fair Commerce Limited. Offiziell eingetragen ist sie in Kowloon, Geschäftsführer ist Lihong Zhang. Retouren müssen ausschließlich nach Shenzhen oder Hongkong geschickt werden. Portokosten von über 20 bis fast 50 Euro machen Rücksendungen faktisch unzumutbar.
In Deutschland tritt Orthoback mit einer deutschen Bankverbindung auf. Die Rechnungen nennen die Solarisbank AG in Berlin, IBAN DE43 2022 0800 0050 7515 42, Kontoinhaber Fair Commerce Limited. Für Verbraucher entsteht so der Eindruck, es handle sich um ein deutsches Unternehmen.
In Monheim am Rhein sitzt das Inkassobüro ACCS Germany GmbH, Rheinpromenade 13, Geschäftsführer Gerardus Louis Hendrikus Maria Jansen, Handelsregister Düsseldorf HRB 92911, eingetragen als Inkassodienstleister beim Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. 3712E1-6.657). ACCS Germany verschickt Mahnungen und droht mit Zwangsvollstreckung. Die Forderungen belaufen sich nicht mehr auf die ursprünglichen 119,90 Euro, sondern werden mit Gebühren und Zinsen auf 176,84 Euro, 227,03 Euro oder sogar fast 400 Euro erhöht.
Gezahlt werden soll nicht an die Solarisbank in Deutschland, sondern an die ING Bank N.V. in den Niederlanden, IBAN NL68 INGB 0674 5711 34. Damit verschwinden die Gelder schließlich auf niederländischen Konten.
Die Inkasso-Maschinerie macht das Geschäftsmodell besonders lukrativ. Ausgehend von den rund 3.650 dokumentierten Negativfällen auf Trustpilot ergibt sich ein mögliches Ertragsspektrum. Bei Mindestforderungen von 176,84 Euro läge der Umsatz bei 646.486 Euro, bei Maximalforderungen von 398,53 Euro bei 1.455.690 Euro. Selbst wenn nur zehn bis 25 Prozent der Betroffenen tatsächlich zahlen, entstehen sechsstellige Summen im Bereich von 65.000 bis 360.000 Euro.
Orthoback wirbt mit Aussagen wie „Produkte, die wirken“, „Fördert die Nervenregeneration“ und „Sanfte, aber wirksame Behandlung für empfindliche Bereiche“. Als wissenschaftliche Autorität wird eine angebliche Dr. Jessica Markussen präsentiert, angeblich Neuro-Spezialistin mit über 20 Jahren klinischer Erfahrung. Doch unabhängige Belege fehlen. Die Stiftung Warentest hat weder das Vibrastone noch andere Orthoback-Produkte getestet. Die Versprechen sind damit unbelegt und nach deutschem Recht unzulässige Heilversprechen.
Orthoback ist ein Musterfall für internationale Abzockstrukturen. Hongkong liefert die rechtliche Hülle mit der Fair Commerce Limited. Deutschland dient als Fassade über eine deutsche Bankverbindung und ein deutsches Inkassobüro. Die Niederlande sind das Ziel der Geldflüsse über die ING Bank.
Die rund 3.650 negativen Bewertungen auf Trustpilot zeigen: Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein systematisches Muster. Statt der beworbenen „Schmerzfreiheit“ erwarten Verbraucher Rücksendungen nach China, Mahnungen aus Deutschland und Inkasso-Zahlungen auf niederländische Konten.
NETZ-TRENDS.de spricht eine klare Warnung aus: Verbraucher sollten auf keinen Fall bei Orthoback.de bestellen. Die Justiz muss ermitteln.
Die Werbeclaims auf der Website
Auf der eigenen Website präsentiert sich Orthoback.de mit vollmundigen Aussagen. Schon auf der Startseite heißt es: „Frühlings-Angebot: 50 % Rabatt auf Ihren Vibrastone! Der einzige zertifizierte Händler für das revolutionäre Neuropathiegerät – weltweit! Bereits mehr als 50.000 glückliche Kunden.“
Als Kernaussage wird die „Schmerzlinderung – Produkte, die wirken“ hervorgehoben. Orthoback positioniert sich dabei als Anbieter, der „von Experten empfohlen“ sei und mit „hunderten positiven Meinungen“ wirbt.
Der Vibrastone als Vorzeigeprodukt
Besonders betont wird das Gerät Orthoback® Vibrastone Gua, das laut Werbung eine „Innovative Technologie für Ihre Nervengesundheit“ darstellt. Im Text werden Symptome wie Kribbeln, Brennen und Taubheitsgefühle in Füßen und Beinen beschrieben, die angeblich mit dem Gerät behandelt werden können.
Das Versprechen lautet: Während herkömmliche Therapien „häufig nur die Symptome bekämpfen“, sei der Vibrastone „die Lösung“. Wörtlich heißt es: „Entwickelt in Zusammenarbeit mit Experten, kombiniert dieses innovative Gerät Vibrationstherapie, Wärmeanwendung und Gua-Sha-Technik. Es zielt darauf ab, die Nervenregeneration zu fördern und die Durchblutung zu verbessern.“
Als Anwendungsempfehlung wird angegeben: „Mit nur 15 Minuten täglicher Anwendung können Sie die Vorteile der innovativen Technologie nutzen.“
Der Text hebt zudem hervor, dass das Gerät „benutzerfreundlich“ sei, „sanft, aber wirksam“ arbeite und sich zur „Behandlung empfindlicher Bereiche“ eigne.
Expertenaussagen und Studienbezug
Auf der Website wird als Autorität eine angebliche Dr. Jessica Markussen genannt, beschrieben als „renommierte Neuro-Spezialistin mit über 20 Jahren klinischer Erfahrung“. Ihre Forschung habe „maßgeblich zur Entwicklung des Vibrastone Gua beigetragen“.
Es wird zudem auf „neueste Studien“ verwiesen, die angeblich zeigten, dass „die Kombination von Vibration, Wärme und gezielter Massage vielversprechende Ergebnisse in der Behandlung liefert“. Konkrete Studienquellen werden jedoch nicht genannt.
Weitere Produkte mit Schmerzfreiheit-Versprechen
Neben dem Vibrastone wirbt Orthoback auch für Kompressionsprodukte:
Orthosocks Pro® – patentierte medizinische Kompressionssocken, Preis laut Werbung reduziert von 59,90 € auf 29,90 €.
Orthosocks® Orthopädische Kompressionssocken – Das Original, ebenfalls von 59,90 € auf 29,90 €.
OrthoLeg® Spezial-Kompressionsstrümpfe, reduziert von 79,99 € auf 39,99 €.
Dazu heißt es auf der Website: „Wohltuende Kompression bei Fersenschmerzen, Diabetes & Ödemen“.
Die Bewertungszahlen
Die Website zeigt ein auffälliges Bewertungsbild. Auf Judge.me wird mit „4,8 Sternen aus über 13.383 Bewertungen“ geworben. Hinzu kommt die Aussage „Schmerzfrei durchs Leben!“ – versehen mit dem Verweis auf diese angebliche Gesamtbewertung.
Im Gegensatz dazu stehen die Daten auf Trustpilot: Dort finden sich 7.942 Bewertungen, fast 46 % negativ – also rund 3.650 Beschwerden (Stand September 2025). Die Diskrepanz zwischen Eigenangaben und unabhängigen Bewertungen ist gravierend.
Die rechtliche Einordnung
Die Website wirbt mit Aussagen wie „Schmerzlinderung – Produkte, die wirken“, „Fördert die Durchblutung und unterstützt die Nervenregeneration“ oder „Schmerzfrei durchs Leben“. Solche Gesundheitsversprechen fallen in Deutschland unter das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Sie sind nur zulässig, wenn sie durch belastbare wissenschaftliche Studien nachgewiesen werden. Das ist nicht der Fall.
Bislang existiert jedoch kein Test von Stiftung Warentest zum Orthoback Vibrastone und keine unabhängige klinische Studie, die die behaupteten Wirkungen stützt. Die Werbeaussagen sind daher juristisch höchst angreifbar.
Die perfide Rolle von Google, Social Media und Fake-Bewertungen
Werbung mitten im Nachrichtenstrom
Orthoback.de gelingt es, mit seinen Produkten nicht nur über die eigene Webseite Kunden zu erreichen, sondern auch über die Kanäle, denen Menschen eigentlich am meisten vertrauen. Auf Google erscheinen bezahlte Anzeigen für Suchbegriffe wie „orthopädische Schuhe“, „Hörhilfe“ oder „Neuropathie Behandlung“. Wer nach Lösungen für Schmerzen sucht, wird direkt auf die Angebote von Orthoback gelotst. Zwischen seriösen Suchergebnissen stehen diese Anzeigen oft ganz oben – ein Gütesiegel, das viele Nutzer als Empfehlung verstehen, obwohl es sich um bezahlte Werbung handelt.
Auf Facebook und Instagram laufen Video-Spots und kurze Reels, in denen die Produkte wie das Vibrastone oder das ReNerv3D in Alltagssituationen gezeigt werden. Darsteller spielen Leidende, die nach wenigen Minuten Anwendung vor Freude strahlen und wieder aktiv am Leben teilnehmen. Diese Szenen wirken authentisch, sind aber reine Marketinginszenierungen. Besonders perfide: Sie erscheinen im persönlichen Newsfeed der Nutzer, eingebettet zwischen Beiträgen von Freunden oder Familienmitgliedern, was die Werbebotschaft noch glaubwürdiger wirken lässt.
Die Strategie der Fake-Bewertungen
Neben der Werbung über Suchmaschinen und soziale Medien lebt das Geschäftsmodell von Orthoback auch von einem zweiten Element: den Fake-Bewertungen. Auf der Orthoback-Webseite werden 181 Rezensionen mit einer angeblichen Top-Bewertung von 4,8 Sternen präsentiert. Auf Judge.me, einer Bewertungsplattform, wird sogar von „mehr als 13.000 zufriedenen Kunden“ gesprochen, die eine Durchschnittsbewertung von 4,8 Sternen vergeben hätten.
Diese Zahlen stehen im scharfen Kontrast zu den 7.942 Bewertungen auf Trustpilot, von denen fast die Hälfte negativ ist. Dort berichten Verbraucher von defekten Produkten, nicht gelieferten Waren, Retourenfallen und aggressivem Inkasso. Die extreme Abweichung zwischen Eigenbewertungen auf der Unternehmensseite und unabhängigen Bewertungen auf einer der größten internationalen Plattformen lässt nur den Schluss zu, dass Orthoback seine Online-Reputation systematisch durch Fake- oder Gefälligkeitsbewertungen manipuliert.
Missbrauch des Vertrauens
Das Zusammenspiel von Google-Anzeigen, Social-Media-Kampagnen und gefälschten Bewertungen erzeugt einen gefährlichen Kreislauf. Verbraucher, die gezielt nach Hilfe bei Schmerzen suchen, stoßen auf positive Schlagzeilen, sehen Videos glücklicher Patienten und lesen Fünf-Sterne-Rezensionen. Sie vertrauen diesen Quellen, weil sie davon ausgehen, dass Suchmaschinen und soziale Netzwerke unseriöse Anbieter aussortieren würden.
Tatsächlich profitieren diese Plattformen aber finanziell von jedem Klick und jeder geschalteten Anzeige. Dass die Produkte aus China stammen, Retouren nach Hongkong geschickt werden müssen und Verbraucher mit Mahnungen und Inkasso bedroht werden, erfährt man nicht in den Anzeigen oder Video-Clips, sondern erst, wenn es zu spät ist.
Ein globales Geschäftsmodell
Damit wird deutlich, dass Orthoback nicht isoliert agiert, sondern Teil eines größeren Problems ist. Die Mechanismen des Online-Marketings – bezahlte Anzeigen bei Google, zielgerichtete Kampagnen auf Facebook und Instagram, manipulative Bewertungen auf Judge.me – wirken wie Verstärker einer Abzock-Maschine. Der Shop nutzt die Reichweite und Glaubwürdigkeit der größten Tech-Konzerne, um Verbraucher in die Falle zu locken.
Die Werbung erscheint seriös, die Bewertungen wirken überzeugend, und die sozialen Netzwerke verbreiten die Botschaften in den Alltag hinein. Am Ende zahlen Verbraucher nicht nur mit Geld, sondern auch mit Vertrauen, das in Suchmaschinen, soziale Medien und digitale Bewertungsplattformen gesetzt wurde.
Was betroffene Kunden tun sollten
Wer eine Rechnung, Mahnung oder Inkasso-Forderung von Orthoback.de oder der ACCS Germany GmbH erhält, sollte nicht in Panik geraten. Es gibt klare rechtliche Schritte, die Verbraucher gehen können, um sich zu schützen.
Widerspruch gegen die Forderung
Jede Forderung sollte schriftlich per Einschreiben mit Rückschein widersprochen werden. Der Brief sollte klar enthalten: „Hiermit widerspreche ich der geltend gemachten Forderung.“ Wichtig ist, Datum, Rechnungsnummer und Betrag anzugeben. Ohne Widerspruch könnte ein Gericht später annehmen, die Forderung sei unstreitig.
Belege sichern
Alle Unterlagen müssen aufbewahrt werden: Bestellbestätigung, Rechnungen, Widerrufserklärungen, Rücksendequittungen, E-Mail-Korrespondenz. Hilfreich sind Zeugen oder Videoaufnahmen beim Absenden von Rücksendungen oder Widerspruchsbriefen, da Orthoback nach Kundenangaben häufig behauptet, Unterlagen nie erhalten zu haben.
Rücksendungen dokumentieren
Wenn Ware nach China zurückgeschickt wird, sollte dies ausschließlich mit Sendungsverfolgung und Quittung erfolgen. Die Nachweise sollten sicher aufbewahrt werden, um später belegen zu können, dass die Rücksendung erfolgt ist.
Unzulässige Inkassokosten prüfen lassen
Die ACCS Germany GmbH fordert oft weit überhöhte Gebühren. Nach deutschem Recht sind Inkassokosten nur in Höhe einer vergleichbaren Anwaltsgebühr zulässig. Verbraucherzentralen und Anwälte können prüfen, ob die geforderten Beträge gerechtfertigt sind.
Keine Zahlungen ins Ausland ohne Klärung
Forderungen, die auf ein niederländisches Konto bei der ING Bank N.V. überwiesen werden sollen, sollten nicht einfach bezahlt werden. Zunächst ist zu prüfen, ob überhaupt ein wirksamer Vertrag besteht. Nach EU-Verbraucherrecht (§ 312g BGB, Widerrufsrecht) muss bei Online-Käufen ein Widerruf auch ohne Rücksendung ins Ausland wirksam sein, wenn die Ware nie geliefert wurde oder wenn der Händler keine in der EU übliche Rücksendeadresse bereitstellt.
Verbraucherzentrale und Anwalt einschalten
Die Verbraucherzentralen bieten standardisierte Musterbriefe für den Widerspruch gegen unberechtigte Inkasso-Forderungen. Bei höheren Beträgen oder wenn bereits ein gerichtlicher Mahnbescheid vorliegt, sollte unbedingt ein Fachanwalt für Verbraucherrecht hinzugezogen werden.
Drohungen ignorieren – aber Fristen einhalten
Inkassoschreiben enthalten oft Drohungen mit Schufa-Einträgen oder Gerichtsvollziehern. Solange kein gerichtlicher Mahnbescheid oder Vollstreckungstitel vorliegt, sind diese Drohungen rechtlich bedeutungslos. Trotzdem gilt: Fristen einhalten, schriftlich reagieren, Beweise sichern.
Fazit: Schutz durch aktives Handeln
Kunden sind nicht rechtlos. Wer die Forderungen von Orthoback oder der ACCS Germany GmbH sorgfältig dokumentiert, fristgerecht widerspricht und keine unberechtigten Zahlungen leistet, kann sich erfolgreich gegen die Masche wehren.
Wichtig ist: Nicht schweigen, nicht ignorieren – sondern klare, belegbare Schritte unternehmen. Damit lassen sich viele der beschriebenen Abzockversuche abwehren.
Absender (Name, Anschrift)
An Orthoback.de / Fair Commerce Limited
oder
ACCS Germany GmbH
Rheinpromenade 13
40789 Monheim am Rhein
Datum: [TT.MM.JJJJ]
Betreff: Widerspruch gegen Ihre Forderung / Rechnungsnummer [XXX]
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit widerspreche ich der von Ihnen geltend gemachten Forderung ausdrücklich und vollumfänglich.
Es besteht kein wirksamer Zahlungsanspruch, da die Ware [nicht geliefert / mangelhaft / zurückgesendet] wurde. Zudem ist die von Ihnen geforderte Rücksendung nach China weder zumutbar noch mit den verbraucherschützenden Vorschriften der Europäischen Union vereinbar.
Ich weise darauf hin, dass nach §§ 355 ff. BGB ein wirksamer Widerruf bereits erfolgt ist. Damit ist der Vertrag beendet. Eine weitere Zahlungsverpflichtung meinerseits besteht nicht.
Sollten Sie weiterhin Forderungen geltend machen, fordere ich Sie auf, mir gerichtsfeste Nachweise vorzulegen, dass (1) die Ware ordnungsgemäß geliefert wurde, (2) der Widerruf nicht wirksam war und (3) die geltend gemachten Zusatzkosten nach deutschem Recht zulässig sind.
Inkassokosten, Mahngebühren oder Kosten für Auslandsüberweisungen weise ich zurück. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH dürfen Inkassokosten maximal in Höhe einer vergleichbaren Anwaltsgebühr angesetzt werden, unberechtigte Zusatzforderungen sind nicht geschuldet.
Bitte bestätigen Sie mir schriftlich innerhalb von 14 Tagen, dass Sie die Forderung nicht weiter verfolgen. Andernfalls werde ich die Angelegenheit an die Verbraucherzentrale und ggf. an meinen Rechtsanwalt übergeben.
Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift]
Hinweise zur Anwendung
Der Brief sollte per Einschreiben mit Rückschein verschickt werden.
Kopien aller Unterlagen (Bestellung, Widerruf, Rücksendequittungen, Inkassoschreiben) beifügen.
Frist von 14 Tagen setzen.
Wichtig: Kopie für die eigenen Unterlagen behalten.
Wer die Website Orthoback.de besucht, stößt auf ein Impressum, das auf den ersten Blick Seriosität vermitteln soll, bei genauerem Hinsehen jedoch ein komplexes Konstrukt aus China/Hongkong, Italien und Estland offenbart.
Firmenname und Geschäftsadresse in Hongkong
Laut Impressum ist die Betreiberfirma die Fair Commerce Limited.
Geschäftsführer (CEO): Lihong Zhang
Adresse: WORKSHOP 60, 3/F, Block A, Hang Pont Commercial Building, 999077 Kowloon, Hong Kong
E-Mail: support@faircommerce-ltd.com
Damit weist der Shop klar einen Unternehmenssitz in Hongkong aus. Das deckt sich mit den Retouren- und Widerrufsangaben in den Rechnungen und Mahnungen, die ebenfalls Hongkong als Absender nennen.
EU-Bevollmächtigter in Italien
Um in der EU auftreten zu können, benennt Fair Commerce Limited einen autorisierten Vertreter:
Y&H S.R.L.
Adresse: Via Gravina 21 MT, Matera, Trani, Puglia, Italien
Solche Konstruktionen sind typisch für Firmen, die außerhalb der EU sitzen, aber einen Ansprechpartner im europäischen Rechtsraum angeben müssen. Ein EU-Bevollmächtigter übernimmt dabei rechtlich die Rolle einer Kontaktstelle – er ist aber nicht automatisch haftbar für alle Geschäfte.
Registrierungsnummer und Haftungsausschlüsse
Im Impressum taucht die Registration Number: 76251227 auf, die auf eine Unternehmensregistrierung in Hongkong verweist. Gleichzeitig finden sich die üblichen Haftungsausschlüsse: Man übernehme keine Verantwortung für externe Links und alle Inhalte seien urheberrechtlich geschützt.
Zahlungsabwicklung über Estland
Besonders auffällig ist der Hinweis am Ende des Impressums:
„All orders will be completed by WITH REACH (EU) LTD OU, our international seller.“
Das bedeutet: Die Bestellungen von Orthoback.de werden über ein Unternehmen in Estland abgewickelt. WITH REACH (EU) LTD OU tritt also als Vertragspartner für europäische Kunden auf.
Damit entsteht ein Dreieck:
Hongkong als offizieller Unternehmenssitz (Fair Commerce Limited, CEO Lihong Zhang)
Italien als EU-Vertreter (Y&H S.R.L.)
Estland als Abwickler der Zahlungen (WITH REACH LTD OU)
Marketing-Versprechen vs. Realität
Auf der Website wird Orthoback mit Slogans wie „Schmerzfrei durchs Leben“ beworben. Es wird eine Bewertung von 4,8 Sternen aus über 13.000 Reviews auf Judge.me angegeben. Diese Zahl wirkt beeindruckend, steht jedoch im krassen Gegensatz zu den Bewertungen auf Trustpilot, wo der Shop 7.942 Stimmen hat, davon fast die Hälfte negativ.
Einordnung: Warum diese Struktur problematisch ist
Für Verbraucher bedeutet dieses Geflecht:
Rechtliche Schritte sind kompliziert, da der Firmensitz in Hongkong liegt.
Retouren müssen laut Widerrufsbelehrung nach China/Hongkong erfolgen – teuer und unpraktisch.
Zahlungsabwicklung läuft über Estland, sodass deutsches Recht nur eingeschränkt greift.
Inkassofälle landen bei der ACCS Germany GmbH in Monheim am Rhein, die Zahlungen auf niederländische Konten verlangt.
Damit zeigt das Impressum: Orthoback ist kein deutscher Gesundheitsanbieter, sondern ein international verschachteltes Firmenkonstrukt, das Verbraucherschutz und Rechtsdurchsetzung erheblich erschwert.