
Der Markt für digitale Kundenkommunikation wächst – befeuert durch Automatisierung, künstliche Intelligenz und strengere Datenschutzregeln. In diesem Umfeld positioniert sich das französisch-deutsche Unternehmen Brevo (ehemals Sendinblue) als europäische Komplettlösung für E-Mail-Marketing, CRM, Chat, SMS und WhatsApp-Kommunikation.
Laut eigenen Angaben zähle Brevo angeblich weltweit über 500.000 Kunden, biete vollständige DSGVO-Konformität, betreibe Server ausschließlich in der EU und stelle ein umfangreiches Portfolio an Marketing- und Automatisierungsfunktionen bereit. Doch wie verlässlich sind diese Angaben? Und wie unterscheidet sich Brevo tatsächlich von US-Rivalen wie Mailchimp, HubSpot oder Salesforce?
NETZ-TRENDS.de hat bei Brevo-Deutschlandchef Maximilian Modl nachgefragt – und ordnet die Antworten ein.
NETZ-TRENDS.de: Brevo wirbt damit, das „weltweit erste B Corp-zertifizierte CRM-Unternehmen“ zu sein. Was bedeutet dieses Siegel – und was dürfen Kunden sich davon versprechen?
Maximilian Modl:
Die B Corp-Zertifizierung wird von der gemeinnützigen Organisation B Lab vergeben. Unternehmen werden dabei anhand ökologischer, sozialer und ethischer Kriterien bewertet – etwa in Bezug auf Datenschutz, Unternehmenskultur, Umweltverantwortung und Lieferketten. Wir sind seit März 2025 zertifiziert und haben im B Impact Score 130,5 Punkte erreicht. Damit liegen wir deutlich über dem Schwellenwert von 80 Punkten, der für eine Zertifizierung erforderlich ist. Die Aussage, dass wir das erste CRM-Unternehmen mit B Corp-Zertifikat sind, basiert auf unserer Recherche in der offiziellen B Lab-Datenbank.
Einordnung der Redaktion:
Die B Corp-Zertifizierung ist ein nichtstaatliches, gemeinnützig vergebenes angebliches Nachhaltigkeitssiegel (ein Thema, mit dem mittlerweile auch gerne Geschäfte gemacht werden), das von einer NGO B Lab angeblich auf Grundlage eines "international anerkannten Prüfstandards" vergeben wird. Bewertet werde kein Produkt, sondern die Gesamtverantwortung eines Unternehmens. Nach der Online-Selbsteinschätzung müssen Nachweise eingereicht und ein Plausibilitätsgespräch geführt werden – ein klassisches Audit erfolgt nicht. Hinzu kommt eine jährliche Gebühr zwischen 1.000 und 50.000 Euro, abhängig vom Unternehmensumsatz, sowie eine Einreichgebühr von 250 Euro. Ob so etwas wirklich nötig ist, muss jedes Unternehmen selbst einschätzen.
NETZ-TRENDS.de: Sie sprechen von über 500.000 Kunden weltweit. Wie definieren Sie „Kunde“ in diesem Zusammenhang? Zählen auch kostenlose Testaccounts dazu?
Maximilian Modl:
Wir reporten ausschließlich zahlende Kunden und keine kostenlose Kunden oder Testaccounts. Konkret bedeutet das: Brevo zählt weltweit über 500.000 Kunden, die entweder das Starter-, Business- oder Enterprise-Paket gebucht haben.
NETZ-TRENDS.de: Ist Brevo ein vollwertiges CRM – oder in erster Linie ein E-Mail-Marketing-Tool mit CRM-Erweiterung?
Maximilian Modl:
Brevo hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Wir verstehen uns als vollwertige CRM-Plattform mit Fokus auf mittelständische Unternehmen. Unsere Plattform ermöglicht eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden. Kommunikationskanäle wie E-Mail, SMS, WhatsApp und Chat sind integriert. Zusätzlich bieten wir eine Sales Pipeline, Kalenderfunktionen, Aufgabenverwaltung und VoIP-Telefonie. Auch B2B-Vertriebsaktionen können automatisiert werden. Für viele Kunden sind wir längst mehr als ein Newsletter-Tool – wir sind CRM, Marketing Automation und Kommunikation in einem.
Einordnung der Redaktion:
Brevo bietet zahlreiche klassische CRM-Funktionen. Stärken liegen in der Kampagnensteuerung, Kontaktsegmentierung und Automatisierung. Wenn es um extrem granulare Reporting-Tiefen, modulare ERP-Integration oder hochindividuelle Workflows großer Konzerne geht, sind andere Anbieter wie salesforce oder Zoho im Vorteil. Wer ein reines Vertriebs-CRM mit tiefen Analysefunktionen sucht, stößt bei Brevo noch an Grenzen, für KMUs bietet es aber alle notwendigen CRM-Funktionen.
NETZ-TRENDS.de: Welche Unternehmen nutzen Brevo besonders häufig – und in welchen Branchen?
Maximilian Modl:
Unsere Kunden kommen aus vielen Bereichen: kleine und mittlere Unternehmen, E-Commerce-Shops, Agenturen, Tourismusbetriebe, Bildungseinrichtungen, NGOs und viele weitere Branchen nutzen Brevo. Besonders stark vertreten ist der Mittelstand im DACH-Raum. Wir bieten ein modulares System, das sich flexibel an unterschiedliche Geschäftsmodelle anpassen lässt – von Start-ups bis hin zu Konzernen.
NETZ-TRENDS.de: Wie gelingt der Import von Kundendaten – etwa aus Excel-Tabellen? Und wie geht Brevo mit Dubletten oder fehlerhaften Daten um?
Maximilian Modl:
Daten lassen sich per CSV, Excel, manuell oder über API integrieren. Wir bieten ein Assistenten-Tool, mit dem Nutzer Feldzuweisungen selbst bestimmen können. Dubletten werden automatisch erkannt, und es gibt Funktionen zur Datenbereinigung.
NETZ-TRENDS.de: Wie flexibel ist Brevo beim Gestalten eigener E-Mail-Templates? Lassen sich eigene Designs speichern und automatisiert mit Text befüllen?
Maximilian Modl:
Ja, Templates lassen sich dauerhaft speichern und dem eigenen Corporate Design anpassen. Farben, Logos, Schriften – all das kann zentral hinterlegt werden. Darüber hinaus unterstützen wir KI-basierte Textvorschläge, etwa für Betreffzeilen oder Call-to-Actions. Inhalte lassen sich auch automatisch generieren – entweder auf Basis von Stichworten oder durch die Analyse der eigenen Website.
NETZ-TRENDS.de: Wie gut funktioniert die Integration mit Drittanbietern wie WordPress oder Shopware?
Maximilian Modl:
Für WordPress und Shopware gibt es offizielle Plugins von Brevo. Darüber hinaus bieten wir über 150 Integrationen – etwa mit Shopify, Zapier oder externen CRM-Systemen. Bei komplexeren Setups helfen wir über unsere API weiter. Für technisch weniger versierte Nutzer kann es anfangs eine kleine Lernkurve geben, aber wir bieten ein umfangreiches Help Center und Support.
NETZ-TRENDS.de:
An welchen Stellen setzt Brevo derzeit konkret auf künstliche Intelligenz?
Maximilian Modl:
Wir nutzen KI vor allem bei der Versandzeitoptimierung, der Textgenerierung und der Segmentierung von Zielgruppen. Außerdem bieten wir mit „Aura“ einen eigenen KI-Support-Agenten, der rund um die Uhr Fragen beantwortet. Trotzdem setzen wir bewusst weiterhin stark auf menschliche Ansprechpartner im Support.
NETZ-TRENDS.de: Brevo gilt als günstig – gleichzeitig berichten Nutzer von Intransparenz bei der Preisstruktur. Was kostet Brevo konkret für ein typisches mittelständisches Unternehmen?
Maximilian Modl:
Wir gestalten unsere Preise bewusst dynamisch nach den individuellen Bedürfnissen der Nutzer, damit diese nur für das zahlen, was sie auch wirklich benötigen. Insofern können wir keinen konkreten Preis für ein „typisches mittelständisches Unternehmen“ nennen, es hängt immer davon ab, welche Anwendungen ein Unternehmen im Tarif braucht. Unsere Preise richten sich primär nach dem monatlichen E-Mail-Volumen. Der kostenlose Tarif umfasst bis zu 300 E-Mails pro Tag. Der Starter-Tarif beginnt bei 7 Euro pro Monat für bis zu 5.000 E-Mails. Der Business-Tarif mit erweiterten Funktionen startet ab 15 Euro monatlich. Ab größeren Volumen oder speziellen Anforderungen bieten wir individuelle Enterprise-Angebote. Unser Preiskalkulator auf der Webseite gibt einen transparenten Überblick.
Einordnung der Redaktion:
Die Preisstruktur wirkt vergleichsweise günstig, wird aber mit zunehmender Nutzung komplex – insbesondere durch modulare Zusatzkosten. Auch Trustpilot-Bewertungen weisen vereinzelt auf Unklarheiten bei Tarifen und automatische Upgrades hin. Wer automatisiert mehrere hunderttausend E-Mails im Monat verschickt, sollte genau nachrechnen – und besser persönlich anfragen.
NETZ-TRENDS.de: Was plant Brevo in den nächsten zwölf bis 24 Monaten?
Maximilian Modl:
Wir arbeiten intensiv am Ausbau unserer KI-basierten Automatisierungstools – für effizientere Segmentierung, personalisierte Inhalte und optimierte Kampagnen. Zudem investieren wir in neue Integrationen, mehrsprachige Vorlagen und unser Enterprise-Angebot. Datenschutz bleibt ein Kernfokus: Unsere Server stehen weiterhin ausschließlich in der EU, und wir entwickeln laufend neue Tools, um Kunden maximale Kontrolle über ihre Daten zu geben.
NETZ-TRENDS.de: Wir bedanken uns für das Gespräch Herr Modl.