
Essayistischer Beitrag auf NETZ-TRENDS.de
Wer ist Christina Block – und warum reden alle über sie?
Sie ist keine Schauspielerin, keine Politikerin, keine Influencerin – und doch ist ihr Name plötzlich in aller Munde: Christina Block, geboren Anfang der 1970er-Jahre, ist die Tochter von Eugen Block, dem Gründer der bekannten Block House Steakhaus-Kette mit Sitz in Hamburg. Jahrzehntelang lebte sie im Licht einer unternehmerischen Dynastie, engagierte sich selbst unternehmerisch und gesellschaftlich – als Mutter, Netzwerkerin, Mitlenkerin einer Gastronomie-Marke, die zu den bekanntesten Deutschlands gehört.
Verheiratet war sie von 2005 bis 2018 mit Stephan Hensel, einem renommierten Medienmanager und PR-Berater. Hensel war über Jahre die rechte Hand von TV-Legende Sabine Christiansen, leitete später den Presseclub Hamburg und ist in politischen, wirtschaftlichen und medialen Kreisen exzellent vernetzt. Gemeinsam hat das Paar vier Kinder.
Doch seit der Trennung im Jahr 2014 ist aus einem einst in Hamburger Pöseldorf-Kreisen bewundertem Familienmodell ein zehnjähriger, erbitterter Sorgerechtskrieg geworden. Der eskalierte zuletzt in einer dramatischen Silvesternacht – mit einem gewaltsamen Übergriff in Dänemark, zwei verschleppten Kindern, internationalen Haftbefehlen, einer angeklagten Mutter – und dem totalen Bruch zwischen privatem Schmerz und öffentlichem Fall.
Rückblick: Ein deutsches Gericht hatte Christina Block im Oktober 2021 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für zwei ihrer jüngsten Kinder zugesprochen. Doch der Vater, Stephan Hensel, verweigerte die Rückführung und blieb mit den Kindern in Dänemark, wo sie seit 2021 leben sollen. Die dänischen Behörden unterstützten ihn – ein diplomatisches Patt entstand.
Dann die Eskalation: In der Silvesternacht 2023 auf 2024 wurden in Dänemark die Kinder hollywoodreif in James Bond Manier entführt. Kurz darauf tauchten die Kinder bei Christina Block in Hamburg auf.
Es folgten europaweite Ermittlungen. Sieben Personen wurden angeklagt – darunter Christina Block selbst und ihr Lebensgefährte Gerhard Delling, bekannt als langjähriger ARD-Sportmoderator. Die Vorwürfe wiegen schwer: schwere Kindesentziehung, gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung.
Block bestreitet eine Anstiftung zur Tat. Sie erklärt, ihre im Sommer 2023 verstorbene Mutter habe die Aktion vorbereitet und sogar 120.000 Euro für die Durchführung abgehoben. Doch die Gerichte folgen dieser Argumentation bislang nicht: Ein dänisches Gericht entzog ihr im Mai 2025 das Sorgerecht und jedes Umgangsrecht. Wie immer im Leben kam alles auf einmal: Der Tod der eigenen geliebten Mutter und der Verlust der Kinder durch irre Gerichte in Dänemark.
Und so steht sie heute da: Als angeklagte Mutter, als gesellschaftlich isolierte Person, als Frau, die alles verloren hat – vor allem den Kontakt zu ihren eigenen Kindern. Sie scheint eine moderne Kassandra.
In der griechischen Mythologie ist Kassandra eine der tragischsten Figuren überhaupt. Sie ist die Tochter von Priamos, König von Troja. Der Gott Apollon verliebt sich in sie, verleiht ihr die Gabe der Weissagung – doch als sie sich ihm verweigert, verflucht er sie: Sie wird weiterhin die Zukunft sehen – aber niemand wird ihr glauben.
So wird sie zur ewigen Mahnerin. Sie sieht das Unheil kommen – die Vernichtung Trojas, das Massaker, den Betrug mit dem hölzernen Pferd. Sie warnt, sie fleht, sie schreit. Aber niemand hört hin. Niemand glaubt ihr. Man erklärt sie für wahnsinnig, gefährlich, lästig.
Am Ende wird sie, nach dem Fall Trojas, verschleppt, vergewaltigt, getötet. Nicht weil sie irrte – sondern weil sie recht hatte. Das ist die grausame Logik der Tragödie: Einsicht ohne Einfluss, Wahrheit ohne Wirkung.
Die Geschichte von Christina Block ist keine Mythologie. Aber sie trägt strukturelle Züge einer antiken Tragödie – mit allen Elementen: Fallhöhe, Isolation, Hybris, Systemkollision.
Aspekt | Kassandra (Mythos) | Christina Block (Realität) |
---|---|---|
Wissen ohne Wirkung | Sie weiß, dass Troja untergeht – doch niemand glaubt ihr. | Sie glaubt zu wissen, was für ihre Kinder richtig ist – doch Gerichte folgen ihr nicht. |
Fallhöhe | Königstochter, begnadet, geachtet – endet als Sklavin. | Tochter eines millionenschweren Unternehmers – heute öffentlich geächtet, juristisch entmachtet. |
Warnende Stimme | Wird als verrückt abgestempelt, obwohl sie die Wahrheit sagt. | Gilt als irrational, obwohl sie beansprucht, das Kindeswohl zu vertreten. |
Isolation | Ohne Gehör, ohne Rückhalt – allein im Untergang. | Verliert Rückhalt selbst in eigenen Kreisen, öffentlich massiv unter Druck. |
Verlust der Autonomie | Wird verschleppt, versklavt, getötet. | Hat kein Sorgerecht mehr, darf ihre Kinder nicht mehr sehen. |
Hybris / Selbstverstrickung | Hält an ihrer Wahrheit fest – auch wenn sie weiß, dass sie nichts ändert. | Überschreitet Grenzen – vielleicht aus der Überzeugung heraus, das Richtige zu tun. |
Tragische Ironie | Der Zuschauer weiß: Sie hat recht – genau das macht es so bitter. | Die Öffentlichkeit ahnt: Selbst wenn sie glaubt, zu handeln aus Liebe, ist das Ergebnis verheerend. |
Ob Christina Block Täterin ist oder Getriebene – das entscheiden die Gerichte. Aber ihre Geschichte ist unabhängig davon eine existenzielle Kollision: zwischen Mutterliebe und Rechtsprechung, zwischen Überzeugung und System, zwischen Innenwelt und Außenordnung.
Wie Kassandra kämpft sie nicht gegen ein einzelnes Urteil, sondern gegen ein ganzes Gefüge: internationale Gerichtsbarkeiten, mediale Deutungshoheit, öffentliche Skepsis. Und vielleicht – auch gegen sich selbst.
Was beide verbindet: die Unvereinbarkeit zwischen innerer Wahrheit und äußerem Gehorsam. Zwischen dem, was sie fühlen – und dem, was von ihnen erwartet wird.
Christina Block ist keine Prophetin. Aber sie ist – wie Kassandra – eine Frau, die überzeugt ist, recht zu haben. Und deren Handeln sie alles kostet: die Kinder, die öffentliche Glaubwürdigkeit, vielleicht auch die Freiheit.
Was bleibt, ist ein Gefühl von Tragik: Nicht weil sie böse ist, sondern weil sie nicht aufhören kann zu kämpfen.
Das Gericht wird urteilen. Die Gesellschaft hat es längst getan. Doch was das Menschlichste an dieser Geschichte ist, bleibt jenseits des Strafgesetzbuches: der Schmerz einer Mutter, die retten will – und alles verliert.
NETZ-TRENDS.de | Juli 2025
Redaktioneller Essay zur Prozesslage im Fall Christina Block und ihrer historischen Spiegelung in der Figur der Kassandra.