Achtung! Die Gerüstbauer-Abzockmafia: Einblick in ein lukratives Geschäftsfeld

Der Bau von Gerüsten scheint auf den ersten Blick eine unscheinbare und rein technische Angelegenheit zu sein. Doch hinter den Kulissen verbirgt sich ein kompliziertes Geflecht aus unklaren Ausschreibungen, teuren Nachträgen und juristischen Fallstricken, die für Bauherren und öffentliche Auftraggeber oft zu erheblichen Mehrkosten führen. Ein aktuelles Angebot eines Gerüstbauers in Berlin, das von einem Gutachter der Wohnungseigentümergemeinschaft vorgelegt wurde, gibt tiefe Einblicke in die Praktiken und Herausforderungen dieser Branche.

Die Gerüstbauerszene ist nicht immer seriös.

Ein Schreiben an einen Projektbeteiligten verdeutlicht die Problematik unklarer und fehlerhafter Ausschreibungen. Diese sogenannten „Copy & Paste Leistungsverzeichnisse“ sind oft unvollständig oder ungenau, was eine Flut von Nachträgen begünstigt. Rico, Prokurist bei einem Berliner Gerüstbauer erklärt, dass oft veraltete Begriffe verwendet werden, die seit Jahren nicht mehr gültig sind.

Unklare Ausschreibungen: Ein Spielfeld für Nachträge

Dabei geht es auch um eher Banalitäten, wie beispielsweise ein Treppenturm, der in einer Ausschreibung gefordert wird, unterscheidet sich aber erheblich von einer Gerüsttreppe in Bezug auf Podestlänge, Auftrittstiefe und Laufbreite – und vor allem im Preis. Der Preis eines Treppenturms liegt bei über 250 Euro pro Stangenmeter bei einem Gerüst, während der einer Gerüsttreppe bei 85 Euro pro Stangenmeter liegt.

Ein weiteres Beispiel für unzureichende Ausschreibungen ist die Verwendung veralteter Gerüsttypen. Die Gerüstgruppe 3, die in einigen Ausschreibungen erwähnt wird, wurde durch die DIN EN 12811-1 von 2004 außer Kraft gesetzt. Diese schmalen Fassadengerüste sind für moderne Anforderungen oft nicht mehr ausreichend. Ein Gerüstbauer bietet daher ein W09 Gerüst mit der Lastklasse 4 an.

Beispielhafte Positionen und Kosten

Wirrwar gibt es häufig auf Seiten von Wohnungseigentümern auch, die sich im Kontext einer Wohnungseigentümergemeinschaft, einer deutschen WEG, wiederfinden und von der Hausverwaltung dubiose Angebote vorgelegt bekommen und dann entscheiden sollen, ob diese Angebote seriös sind.

Ein aktuelles Angebot eines Berliner Ingenieurbüros für eine Wohnungseigentümergemeinschaft in Berlin Prenzlauer Berg listete vor nicht langer Zeit detailliert die Kosten und Positionen für die Gerüstbauarbeiten auf. Für die Stellfläche Ystader Str. wurde im Herbst 2022 das Gerüst mit einer Höhe von bis zu 22 Metern und einer Breite von etwa 2,5 Metern aufgestellt. Die pauschale Kostenberechnung erfolgt für 550 Quadratmeter Gerüstfläche. Eine ähnliche Gerüstkonstruktion war für die Straßenfassade in der Nachbaradresse Kopenhagener Str. vorgesehen, da es sich bei dem Sanierungsprojekt um ein Eck-Mehrfamilienhaus handelte. Hier wird das Gerüst auf dem Gehweg mit einer Breite von etwa 2,6 Metern aufgestellt, und die Stellgenehmigung ist erforderlich. Die Kosten beliefen sich auf 575 Quadratmeter Gerüstfläche.

Zusätzlich zu den Hauptpositionen gibt es mehrere Zulagen und Zusatzleistungen, die die Gesamtkosten beeinflussen. Gerüstüberbrückung mit Gitterträgern oder Einzelfeldträgern wird in laufenden Metern berechnet. Konsolenverbreiterung mit 70er Konsolen wird ebenfalls in laufenden Metern berechnet. Anzumerken ist, dass gemäß den aktuellen Anforderungen der TRBS 2121 nur 30er Konsolen benötigt werden, um Vorsprünge auszugleichen.

Weitere wichtige Positionen umfassen den Passantenschutztunnel, der auf dem Gehweg entsprechend den gesetzlichen Anforderungen aufgebaut wird. Dieser Tunnel hat in der Regel eine lichte Breite von 1,50 Metern und eine lichte Höhe von 2,20 Metern und wird für beide Straßenfassaden separat berechnet. Ein Treppenturm für den Zugang zu hochgelegenen Arbeitsplätzen gemäß den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS 2121) ist ebenfalls Teil des Angebots. Die Abrechnung erfolgt hier nach der Höhe des Treppenturms, wobei jeder steigende Meter berechnet wird.

Zusätzliche Gebühren und Mietkosten

Zusätzliche Gebühren fallen für die Beantragung der Stellgenehmigung und die Absicherung des Gerüsts im öffentlichen Straßenraum an. Diese umfassen Warnleuchten, Absperrschranken und Leitbaken. Eine Standzeitverlängerung über die vier Wochen Grundstandzeit hinaus wird pro Woche berechnet. Für den Materialtransport ist ein Bauaufzug BA 200 mit einer Tragkraft von 200 kg und einer Höhe von bis zu 28 Metern vorgesehen. Die Grundvorhaltung beträgt ebenfalls vier Wochen. Eine Standzeitverlängerung dieses Bauaufzugs wird kalendertäglich abgerechnet.

Gesamtkosten

Die Gesamtkosten für die Gerüstbauarbeiten und Baustelleneinrichtung beliefen sich beispielsweise entsprechend eines Angebots eines Gerüstbauers in Berlin im Herbst 2022 für vier Wochen auf circa 21.069 Euro. Diese Summe beinhaltet alle beschriebenen Leistungen, Pauschalbeträge und Zulagen mit der Lastklasse 4 und Breitenklasse W09.

Vergleich der Kosten

Für acht Wochen fielen bei dem Gerüstbauer R aus Berlin für das geschilderte Eck-Familienhaus in Berlin Prenzlauer Berg in der Ystader Str. Kosten von circa 37.000 Euro in dem NETZ-TRENDS.de vorliegenden Angebot im Herbst 2022 an.

Demgegenüber stand ein Angebot eines Gerüstbauers, der gleichzeitig als Generalunternehmer auch die Sanierung von circa 22 Quadratmeter Balkonfläche anbot. Dieses Angebot belief sich auf irrwitzige 133.000 Euro für acht Wochen, mit der Option auf Verlängerung, falls die acht Wochen nicht ausreichen sollten. Die Hausverwaltung verteidigte das Generalunternehmer-Angebot damit, dass so sichergestellt sei, dass nur ein Verantwortlicher da sei. Dem steht entgegen, dass es vertragsrechtlich geklärt werden kann, was passiert und wer zahlen muss, wenn ein an einem Bauauftrag Beteiligter durch Zeitverzögerungen den Zeitplan eines Bauprojekts zerstört.

Von den 133.000 Euro entfielen alleine circa 55.000 Euro auf die Gerüstkosten für acht Wochen in Berlin Prenzlauer Berg bei einem fünfstöckigen Mehrfamilien-Eckhaus mit insgesamt ca. 30 Mietparteien. Was viele Wohnungseigentümer nicht wissen: Gebrauchte Gerüste kann man bereits für 45.000 Euro kaufen. Unsäglich ist auch, dass viele Hausverwaltungen, auch in Berlin, aus Bequemlichkeit den Wohnungseigentümern nur ein Angebot vorlegen. Wohnungseigentümer, die das monieren, werden dann häufig noch als angebliche Querulanten auf den Eigentümerversammlungen vorgeführt. Dass es immer noch Hausverwaltungen gibt, die selbst bei Angeboten von 50.000 Euro aufwärts es wagen den Eigentümern nur ein Angebot eines Handwerkers, Gerüstbauers, Balkonsanierers vorzulegen, ist ein Skandal.

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