Krise Razzia bei VW und Anhörung im US Kongress: Warum wurde VW-Skandal nicht schön früher aufgedeckt?

Da gibt es weltweit Tausende Autozeitschriften - Auto Bild, Auto Motor Sport, ADAC Motorwelt beispielsweise in Deutschland - und unzählige staatliche Behörden oder sonstige Institutionen, die Autos prüfen oder zulassen: In Deutschland sind es Institutionen vom TÜV über die Dekra bis hin zum Kraftfahrzeugbundesamt. Ähnlich sieht es in den USA aus.

Bild: VW Presse
Der VW Käfer als Cabriolet.

Doch trotz weltweit vor allem von der Motorpresse zelebrierter zahlreicher Autotests kam scheinbar keiner auf die Idee die Abgaswerte logischerweise auch außerhalb des Labors zu testen. Die Antwort: Entweder war die Bosch-Software so gut (die aber für Betrügereien gar nicht geschaffen worden war) oder die Tester zu idiotisch und naiv. Dieser Frage wollte auch der US-Kongress in Washington nachgehen.

Deshalb wurde vor dem US-Kongress der amerikanischen CEO von VW mit Fragen konfrontiert wie: Warum konnten selbst Behörden den VW-Emissionsbetrug in Tests nicht erst nach bald 10 Jahren aufdecken? Denn jeder Student weiß, dass Tests auch außerhalb von Laborsituationen durchgeführt werden sollten, um von der Abstraktion in der Realität anzukommen. Die Autoindustrie testet neue Autos ja auch von der Antarktis bis in Wüstengebiete.

Nicht der Konzern gesamt habe versagt, sondern einzelne Mitarbeiter, sagt VW-US-Chef

Der US-Chef der Volkswagen AG sagte jedenfalls, es sei nicht VW als Konzern der Schuldige, sondern ganz eindeutig "Individuen", welche die Software zur Prüfung von Dieselemissionen betrügerisch zweckentfremdet einbauen hätten lassen. Das erklärte Michael Horn, der CEO von Volkswagen Americas während der Anhörung, einem sogenannten Hearing, vor dem US-Repräsentantenhaus.

Es sei"keine unternehmerische Entscheidung" gewesen, sondern eine von Einzelpersonen. Einige Kongressmitglieder wollten diese Version dennoch nicht glauben: Wie, sollen einige gefragt haben, ist es in einem solch durch und durch von eigenen Controlling-Bereichen durchzogenen Weltkonzern möglich, über Jahre Armeeschaften von eigenen VW-Mitarbeitern, Behörden und testenden Auto-Magazinen dermaßen hinters Licht zu führen?

Bis heute sagt der geschasste VW-Chef Martin Winterkorn er habe von der die Behörden betrügenden Software nichts gewusst. Eigentlich sollte Winterkorns CEO-Vertrag vor wenigen Wochen für eine weitere Amtsperiode verlängert werden.

Schon heute hat VW bitter für seinen Skandal bezahlen müssen und mehr als ein Drittel seines Börsenwertes verloren.

100 Millionen US-Dollar für weitere Behördenstellen in den USA?

Forderungen, wonach nun neue Behörden-Prüfstellen in den USA zur Vorbeugung von Betrügereien durch Automobilkonzerne geschaffen werden sollten - im Gespräch ist ein Sonderetat in Höhe von 100 Millionen US-Dollar - erteilen Kritiker eine Absage. Sie sagen, wonach die Virginia University gerade einmal 70.000 US-Dollar habe aufwenden müssen, um in Tests der trickreichen VW-Software auf die Schliche zu kommen.

Derzeit sind 10 Führungskräfte von VW, darunter drei Top-Ingenieure, von ihren Aufgaben suspendiert worden. Nach wie vor befindet sich VW in der größten Krise seiner 78-Jährigen Geschichte. Am Donnerstag hatten Hundertschaften von Polizisten in einer Razzia die VW-Zentrale gestürmt. In aller Regel werden bei solchen Razzien auch die Vorstandsetagen komplett gefilzt und Hunderte Aktenordner und Computerfestplatten mitgenommen. Das heißt:

Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Staatsanwälte auch aus dem Büro des neuen VW-Vorstandschefs Matthias Müller Unterlagen mitgenommen haben. Außerdem würde überraschen, wenn nicht auch unzählige Privatwohnungen und Häuser - darunter möglicherweise auch jene von Martin Winterkorn - mit Razzien aufgesucht wurden.

Razzien sind für Mitarbeiter und Führungskräfte oft sehr belastend

"In einer Razzia werden die Firma und privaten Wohnräume von möglicherweise involvierten Mitarbeitern, meist Führungskräften, faktisch von der Staatsanwaltschaft, Steuerfahndern, IT-Forensikern oder Kriminalitätsbeamten besetzt", erklärt ein Insider.

Vor allem für die betroffenen Führungskräfte und sonstigen Mitarbeiter seien Razzien psychisch sehr belastend und oftmals auch ein Schock. Meist zögen sich Razzien über den ganzen Tag hin und endeten nicht selten auch mit U-Haft für Verdächtige. Dabei spielten Staatsanwälte gerne das Spiel, den Betroffenen völlig überraschend nach Stunden der Razzia mitzuteilen, dass man im übrigen verhaftet sei.

"Besonders pervers ist es, wenn dann die in U-Haft Befindlichen von Deutschlands Polizei und Staatsanwaltschaft wochenlang von einem Gefängnis zum nächsten gebracht werden - das soll die Beschuldigten psychisch mürbe und kaputt machen, um sie zum Aussagen zu bewegen", sagt der Insider. Auch kaltes Wasser in Zellen sei keine Seltenheit:

"Besonders blöd ist es, wenn man Donnerstags oder Freitags in U-Haft kommt. Da muss dann fürs Duschen erst ein schriftlicher Antrag eingereicht werden, der oftmals aber erst am Montag oder Dienstag bearbeitet" werde. Bis dahin heißt es: Kalte Katzenwäsche in der Zelle.

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