Urteil Französisches Gericht zwingt Google weltweit "Recht auf Vergessen" umzusetzen

Kommentar - Wenn man verstehen möchte, warum die Europäische Union (EU) absolut richtig handelte, als sie Google dazu zwang, ein ‘Right to Be Forgotten’, also ein ‚Recht auf Vergessen’ in Internetsuchmaschine wie Google einzuführen, der sollte sich verdeutlichen:

Gerichte und Gesetzgeber zwingen Google sein Wirtschaftskonzept gut ist, was negativ ist, da höhere Klicks, aufzugeben.

Internetsuchmaschinen sind nicht neutral, sie sind auf wirtschaftlichen Erfolg aus und dabei gilt das Prinzip bad news sind wirtschaftlich good news. Die Prangerwirkung einer Internetsuchmaschine wie Google ist also nicht Zufall, auch nicht primär einem aufklärerisch-ideellen Ansatz geschuldet, sondern der wirtschaftlichen Logik eines Weltkonzerns vom Typus Google folgend. Warum wir dieser Meinung sind, erläutern wir hier näher.

Jeder, der sich mit der Internetsuchmaschine Google auskennt, weiß: Die Google Inc. liebt negativen redaktionellen Content über normale Bürger, Politiker, Unternehmen, Unternehmer, Künstler, Sportler, Selbstständige, Vereine, Religions-Vertreter. Alles was mit U-Haft, Staatsanwalt, angeblichen Betrugsvorwürfen, angeblichen Irreführungen, Steuerhinterziehungs-Vorwürfen, sexuellen Missbrauchs-Vorwürfen, Ehescheidungen, angeblichem Drogenkonsum, Unfällen zu tun hat, das hält sich in der Regel im Google Index auf den erste drei Seiten jahrelang wie mediale Google-Exkremente, welche lebenslang am Kleid des Betroffenen hängen.

Das kann und ist für die Betroffenen oft existentiell in ihrem weiteren beruflichen oder privaten Fortkommen. Denn für Google ist nicht entscheidend, ob die Vorwürfe wahr sind, ob sie veraltet sind, ob sie unwahr sind, sondern auf welche redaktionell von Google ausgespielten Webseiten-Treffer am meisten Nutzer klicken.

Dabei bedient sich die Google Inc. mit ihrem Algorithmus einem alten Journalisten-Ausspruch: Bad news are good news. Übersetzt: Schlechte Nachrichten verkaufen sich besser als gute. Google spielt auf Millionen Webseiten, auf welche es verweist, sein Google-Werbesystem Google Adsense aus. Im Falle des Klicks auf eine solche auf Webseiten über Google-Adsense eingeblendete Werbung verdient die Google Inc. circa 50% mit. Das bedeutet: Die Klickrate auf eine von Google im Google-Suchindex eingeblendeten Text muss wirtschaftlich naturgemäß für den Google Profit eine hohe Relevanz haben (50% der Werbeklick-Einnahmen erhält der Webseiten-Betreiber; kein Klick auf eine Werbeeinblendung bedeutet kein Umsatz).

Das macht auch klar, warum sich Google nicht bemüht, redaktionell neuere Inhalte mit einer möglicherweise positiveren Ausrichtung in der Berichterstattung nach vorne kommen zu lassen. Das heißt: Ein Artikel "Unternehmen hat Steuervorwürfe entkräftet" oder "Webseite wurde nach Betrugsvorwürfen komplett überarbeitet" wird Google immer viel weiter hinten platzieren, als "Geschäftsführer von Unternehmen wegen Steuervorwürfen in U-Haft". Was Google zu Recht vorgeworfen wird, ist, dass im Algorithmus von Google das Alter von Artikel kaum Berücksichtigung findet. Während man in Google News wenigstens noch selber einstellen kann, aktuelle Treffer zu erst, entscheidet im natürlichen Google Index überwiegend Google selber, was ganz vorne ist.

Hier gilt also das Prinzip bad news are good news, da höhere Google-Umsätze versprechend. Letztlich, das sollte man sich klar machen, ist Google also nicht nur Internet-Suchmaschine, sondern auch selbst eine Art Verleger, der darauf Wert legt, dass seine eingeblendeten Nachrichten sich gut verkaufen. Das bedeutet: Natürlich kann man und sollte auch darüber diskutieren, inwiefern klassische Presserechts-Verfahren (Unterlassungserklärung, Einstweilige Verfügung, Gegendarstellung, Schmerzensgeld), nicht auch in juristischen Verfahren gegen Google zum Einsatz kommen könnten und sollten.

In einem Fall aus Deutschland datieren Artikel zu einem Unternehmen und dessen Unternehmer mit Betrugsvorwürfen, Steuerhinterziehung-Vorwürfen und einer daraus resultierender U-Haft für die Geschäftsführer zwar auf den Dezember 2012 zurück, doch sind die Texte immer noch auf Seite 1 bis 3 im deutschen Google Index. Und das, obgleich das betroffene Unternehmen längst viel machte, um die Vorwürfe ausräumte und auch vieles im Unternehmen veränderte. Hunderte positive oder neutrale Artikel von externen Webseiten können aber die drei Jahre alten negativen Vorwurfs-Artikel in Google nicht von der Seite eins verdrängen. Das Resultat für das betroffene Unternehmen: Es ist faktisch von den dringend benötigten Finanzmärkten seit Jahren nahezu komplett abgeschnitten und auch auf der BtoB-Ebene kämpft es auf Grund der von Google hochgehaltenen negativen alten Artikel täglich mit erheblichen Reputationsschäden. Heißt: Das Unternehmen ist faktisch permanent existentiell durch Google bedroht.

Ähnlich erging es einem dänischen Rechtsanwalt, Dan Shefet, der schon seit 30 Jahren in Frankreich arbeitet. Er klagte gegen ihn massiv beschädigende uralte Artikel im Google-Index. Darin gab es Anschuldigungen von beruflichen Fehlern und Betrug.

In seinem Löschantrag gegen Google vor Gericht beschränkte er sich aber nicht nur auf google.fr, also die französische Domain, sondern verlangte vor einem Pariser Gericht, dass die Google Inc. die veralteten und ihn massiv beschädigenden alten Vorwurfs-Artikel weltweit, also beispielsweise auch von google.com vom Suchindex in Google löschen müsse (was ja nicht heißt, dass die Texte nicht noch auf den jeweiligen Veröffentlichungsseiten der dritten Publizisten enthalten sind).

Dem Antrag des Unternehmers hat ein französisches Gericht stattgegeben. Es sagte, die Google Inc. müsse weltweit die Treffer zu den Vorwürfen betreffs des Unternehmers löschen. Zwar hatte Google sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, seine Pranger-Funktion auf dem Marktplatz des Internets in Bezug auf den Klagenden einstellen zu müssen, doch letzen Endes siegte das französische Gesetz.

Fachmann Farhad Manjoo schreibt, wonach er sich vorstellen könne, dass schon das von der EU ausgesprochene Recht auf Vergessen und erst Recht die nun verschärfte Gangart in Frankreich gegen Google weltweit Auswirkungen auf Google haben könnte. Im Falle des erfolgreich gegen Google klagenden dänischen Anwalts hatte Google zwar im Vorfeld sich bereit erklärt, die den Anwalt betreffenden Artikel von google.fr zu löschen, nicht aber weltweit.

Noch ein anderer Fall zeigt, wie Google wirtschaftlich tickt: Ein ARD-Gastmoderator im Sportbereich wundert sich bis heute, warum vor rund einem Jahr urplötzlich ein uralter Artikel aus dem Jahr 2001 von der Boulevardzeitung BZ (Axel Springer SE) im Google Suchindex gleich auf Seite 1 auftaucht. Und das, wo es Hunderte aktuelle Artikel über ihn gibt. Heute ist klar: Der Bericht handelt davon, dass seine Frau sich damals von der Brücke stürzen wollte. Google fährt auch hier nüchtern das Prinzip bad news are good. Dass Google damit nicht nur massiv den Sportmoderator schädigt, auch seine Frau, ist dem Unternehmen egal. Die Wirtschaftlichkeit der Einblendungen scheint auch hier für Google an vorderster Stelle zu stehen.

Das zeigt aber noch mehr: Wir müssen uns von dem idealistischen Gedanken verabschieden, den Google selbst jahrelang kultivierte, alles im Sinne des Verbrauchers zu tun, immer die "besten Treffer" einzublenden. Wenn man das Negative auf der Welt, die Verfehlungen, die Unzulänglichkeiten von Menschen, Unternehmen, Politikern, Prominenten als den wichtigsten Mehrwert in Google interpretiert, mag das auch im Sinne des Google-Gedankens stimmen, immer das Nützlichste möglichst weit vorne einzublenden.

Umso wichtiger sind deshalb Bürger und Juristen, auch Gesetzgeber, die Google in die Schranken verweisen. Eine Internetsuchmaschine die ihre Kernkompetenz in der Prangerwirkung sieht muss in die Grenzen verwiesen werden.

Für Google beginnt also nach 15 Jahren der Narrenfreiheit nun, wie es scheint, die Zeit größerer Reglementierungen. Letztlich ist das für alle Beteiligten richtig und gut - auch für Google selber.

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