Antitrust-Verfahren EU Google Shopping: EU Kommission mit Antitrust-Verfahren

Endlich, sagten viele, nimmt sich die Europäische Union (EU) das Wettbewerbs-Geschehen im Internet vor, dominiert von der amerikanischen Google Inc., einem Konzern, so umsatzstark wie der deutsche Dax-Konzern Siemens, aber um vieles profitabler.

Google sieht keine Schuld, Wettbewerber und die EU sehen das anders.

Kommentar - In der Internetszene in Deutschland, aber auch vielen anderen Ländern der EU, war gestern auf Aufstöhnen zu hören: Endlich, hieß es von London über Berlin, München, Paris bis Madrid.

So beträgt der Gewinn von Google im Jahr über 13 Milliarden Dollar bei über 70 Milliarden Dollar Umsatz. Geht es nach Google, ist all das vom Himmel gefallen, ganz ohne Ausnutzung eines faktisch bestehenden Monopols. Da mittlerweile geschätzt gut 70% der 500 Millionen EU-Bürger, welche auch online sind, ihre Suchanfragen im Internet direkt über Google durchführen, kann von einem Monopol gesprochen werden – das bestreitet auch Google selber nicht.

Der Unterschied ist nur der: Die EU-Kommission hat nun ein offizielles Antitrust-Verfahren gegen Google eingeleitet. Doch der amerikanische Großkonzern Google ist sich keiner Schuld bewusst: Man habe dem Wettbewerb nicht geschadet. Hmmm, fragt sich da mancher und zwar selbst unter jenen, welche in der Internetszene Google bewundern.

Denn dass Google natürlich immer dreister sein Monopol ausnutzt, das ist seit Jahren zu beobachten. Nun hatte die EU bislang vor allem ein Produkt angesprochen, welches ihr ein Dorn im Auge sei: "Google Shopping".

Dass dieses Google-Produkt alleine in den vergangenen Monaten immer dominanter von der Google Inc. in Deutschland, der EU ausgespielt wurde, kann jeder bis heute beobachten. Egal ob man "Handys" eingibt, "Stühle" oder "Kleidung" – überall ist das von Google installierte Provisions-Modell zu sehen. Shops bezahlen an die Google Inc. eine Provision dafür, dass sie gelistet werden. Das Problem: Grafisch wird Google Shopping so dominant eingespielt, dass es alle anderen Treffer eindeutig übertrifft.

Ach Gottchen

Geradezu albern ist es nun, wenn die Google Inc. behauptet, ach Gottchen, selbst Idealo von Axel Springer sei ja besser positioniert als Google Shopping, was Charts belegten.

Doch: Wenn ein Google-Mitarbeiter so etwas postet, schadet er den Google-Eignern, da längst im deutschen Bundeswirtschaftsministerium Charts von großen deutschen Preisvergleichsportalen kursieren – und damit auch in der EU-Kommission – die Google Shopping nur als Spitze des Eisbergs erscheinen lassen.

Denn diese Charts belegen ganz klar und bedrückend, wie Google sehr deutlich alleine 2014 in einem Zeitraum von gut sechs bis acht Monaten beispielsweise viele große deutsche Preisvergleichsportale drastisch hatte abstürzen lassen in der Sichtbarkeit in Google. Das bedeutet: Google spielte plötzlich 80% weniger Treffer von unabhängigen Preisvergleichsseiten aus, was bedeutete: 80 Prozent weniger Sichtbarkeit ist 80% weniger Umsatz, weniger Gewinn.

Google Shopping: Die Klicks auf die von Google Shopping rechts eingeblendeten Fremd-Shop-Anbieter bildet Google in seinen Vergleichs-Charts den Medien und der Politik nicht an. Doch diese Klicks dürften 95% des Umsatzes von Google Shopping ausmachen, da Google pro Klick nach Schätzungen 20 Cent erhält - ein mögliches Milliarden-Geschäft bei 500 Millionen EU-Bürgern, von denen täglich viele über Google nach Produkten suchen. Die Anzeigen links oben sind Google AdWords-Anzeigen. Hier dürfen übliche Preisvergleichs-Portale kostenpflichtig in Google Werbung schalten. Sie werden derzeit teurer und verlieren Traffic, da viele Verbraucher eher auf grafisch hervorgehobene Anzeigen klicken wie jene von Google Shopping. Doch dort dürfen zwar Amazon oder E-Bay mit rein, nicht aber die üblichen großen Preisvergleichsseiten.

Dabei sprechen wir nicht von irgendwelchen Krautundrüben-Portalen, sondern von Markenportalen. Von Portalen, an welchen die Deutsche Telekom ebenso beteiligt ist, wie Axel Springer oder unabhängige Betreiber aktiv sind. Es sind Portale, die in Jahren unter Mühen aufgebaut wurden – von Tausenden Mitarbeitern. Denn längst ist der E-Commerce in Deutschland, in der EU, der Wirtschaftsmotor Nummer Eins.

Millionen Jobs hängen am Internet – und damit an der Gunst von Google. Denn zeigt Google den Daumen nach oben, kann man existieren, zeigt Google den Daumen nach unten, bedeutet dies das wirtschaftliche Aus – manchmal über Nacht.

Google agiert langfristig und strategisch, kurzfristige Charts sagen nicht viel

Die Google Inc. agiert langfristig und strategisch. Natürlich ist Google Shopping in Deutschland derzeit noch nicht so stark wie Idealo. Nun muss man wissen, dass Google Shopping ein weltweit ausgespieltes Google-Produkt ist und Idealo ein deutsches. Doch gewinnt im globalen Wettbewerb nicht der kleinere, sondern der größere – der weltweit die Konditionen vorgeben kann und das ist Google.

Die Wettbewerbs-Verdrängung kann die Google Inc. nicht mit einem Einjahres-Chart widerlegen. Hinzu kommt: Auch Idealo erlebte 2014 einen drastischen Einbruch in der Google-Sichtbarkeit. Zufall oder Vorsatz durch Google-Mitarbeiter? Die Szene ist sich einig: Vorsatz, kein Zufall.

Die Debatte, ob nun Google sein Monopol missbraucht oder nicht, ist selbst von Google wohlwollenden Internet-Junkies seit Jahren beantwortet: Ja, klar liegt ein Missbrauch vor. Der wird aber nicht primär oder vorsätzlich von den Google-Inhabern betrieben, sondern von übereifrigen Google-Mitarbeitern im irischen Steuerparadies Dublin – der EU-Zentrale von Google – sowie in den USA. Hier glauben Mitarbeiter, dass sie ihrem Arbeitgeber mit den lustig inszenierten bunten Buchstaben im Logo einen Gefallen tun, wenn sie immer mehr tricksten.

Dabei ist Google Shopping nur eines von unzähligen Produkten, mit welchen die Google Inc. ihr Monopol dazu nutzt, um den Wettbewerb in Geiselhaft nehmen zu können – und sei es nur damit, zu drohen: Wir könnten von heute auf morgen euch alle Anzeigenkunden platt machen und das Geschäft selber machen. Denn das Große Rad dreht sich längst.

Deutsche E-Commerce-Unternehmen zahlen schon heute 100 bis 150 Millionen im Jahr an die Google Inc.

Auch in Deutschland sind große E-Commerce-Unternehmen gezwungen, jährlich 100 bis 150 Millionen Euro Werbegelder für Google Adwords-Anzeigen an die Google Inc. zu überweisen. Google Adwords sind die werblichen Anzeigen von Google. Hier kann man eine gute Platzierung in der Suchmaschine gewissermaßen kaufen. Offiziell werden die dortigen Platzierungen in der Google-Anzeigenbörse "versteigert". Doch Fakt ist auch:

Wer am meisten an Google zahlt und am längsten Kunde bei Google ist und die besten Schlagzeilen in den Anzeigen platziert, der steht oben. Dabei sind die veröffentlichten Anzeigen in Google durchaus nicht immer wirtschaftlich, der Wettbewerb dafür ruinös. Steht in Deutschland jährlich im Oktober / November der Kfz-Versicherungswechsel bevor, müssen die werbungtreibenden Versicherungs-Preisvergleichsportale und Versicherungs-Konzerne an die Google Inc. Hunderte Millionen Euro für gute Anzeigenplatzierungen überweisen.

Da bei Werbebuchungen in der Google Suchmaschine das Prinzip gilt, ein Klick eine Rechnung, bedeutet dies: Pro Klick auf eine Anzeige können leicht Rechnungen von über 17 Euro entstehen. Da auf eine Anzeigen die gut in Google platziert ist, aber schnell einige Tausend Klicks kommen, sind viele Anzeigenkampagnen schon heute nicht mehr profitabel. Die Masse türmt bei Google aber die Milliarden. Natürlich tut die EU deshalb gut daran, hier für eine erhöhte Wachsamkeit zu sorgen.

Viele große E-Commerce-Portale – ob aus dem Bereich Reisen oder Shopping, dem Automobilbereich oder dem Gesundheitsbereich – erreichen bis zu über 80% und mehr ihres Umsatzes durch Buchungen im Google-Werbesystem.

Es ist geradezu grotesk, wenn nun focus-online (fas/dpa-AFX) groß am Donnerstag titelt: "Google kontert EU-Drohung. Shopping-Suche schadet Wettbewerbern nicht". Solche Schlagzeilen belegen aber nur eines: Wie feige sich auch Portale wie focus-online gegenüber der Google Inc. verhalten. Solche Artikel belegen, dass selbst große Nachrichtenportale versuchen durch Schleimspuren-Journalismus Gott Google zu gefallen und sich auch dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Portalen zu erschreiben. Ernst kann man eine solche Schlagzeile nicht nehmen.

Viele verwundert, dass Google trotz des Warnschusses durch das Europaparlament weiter macht als wäre nichts gewesen

Doch es geht ja nicht nur um Google Shopping. Vielmehr verwundert, wie aggressiv die Google Inc. trotz der mehrmaligen klaren roten Linien, welche die EU ausgeworfen hat, völlig ignorant eine Grenze nach der andere überschreitet und das eigene Ding – die maximale Gewinn-und Umsatzerhöhung im Sinne von Google – durchgezogen wird.

Denn neben Google Shopping hat die Google Inc. in den vergangenen Monaten weltweit, aber auch in der EU, seine Produkte wie Google Flights (Flugticket-Verkauf mit Provision an Google), Google Hotels (Hotelzimmer-Verkauf mit Provision an Google), Google Compare (soll größtes Finanzvermittlungs-Portal der Welt werden mit Provision an Google), Google Maps (Dreh- und Angelpunkt für alle möglichen Wirtschaftsprodukte), Google Android (Monopol-Betriebssystem neben Apples iOS auf über einer Milliarde Smartphones), Google Play (Monopol-Anbieter für Millionen Apps auf über einer Milliarde Smartphones), Google Local (soll unabhängige Telekommunikations-Verzeichnisse wie Gelbe Seiten etc. verdrängen) usw. usw. ausgebaut.

Erst kürzlich kam zudem heraus, dass auch die amerikanische Kartellbehörde FTC kurz davor war, ein offizielles Verfahren gegen den privaten amerikanischen Super-Konzern Google Inc. einzuleiten. Der Vorwurf lautete auch hier: Verdacht auf erhebliche Wettbewerbsverzerrung.

Dabei muss man wissen: Google ist nicht irgendwer. Google ist das Rückgrat des gesamten westlichen Internets. Keiner im Wirtschaftsleben wird mittelfristig Geschäfte tätigen können, ohne in Google präsent zu sein: Der Leipziger Zahnarzt nicht, wenn er nicht auf entsprechenden Zahnarzt-Bewertungsportalen gelistet und mit Social Media Icons geliked wird und in Google gefunden wird. Der Reiseveranstalter nicht, wenn sein günstiger Flug in die Türkei nicht in Google gesehen wird. BMW mit seinen Elektrofahrzeugen nicht, wenn bei der Suchanfrage "Elektroauto" nicht BMW (sondern zum Beispiel Google Car) gelistet würde. Das Abbruchunternehmen aus Tutzing nicht, wenn man seine Dienstleistung nicht in Google findet.

So viel Macht in den Händen, wie beim US-Konzerns Google Inc., hatte noch kein Konzern

So viel Macht, wie Google es vereint, gab es im Wirtschaftsleben global noch nie. Wo Macht ist, ist Machtmissbrauch immer vorhanden – egal auf welcher Ebene. Das Thema ist einfach zu ernst, als dass Google das einfach mit einem kurzen Blogeintrag vom Tisch wischen könnte.

Dass Google genial ist und uns allen geholfen hat, zu wachsen, steht völlig außer Frage. Auch kleine Blogs wie netz-trends.de würden ohne die Chance, in Google gefunden und in Google News gelistet zu werden, nicht existieren können.

Denn auch das ist Realität: Es ist gut, dass die größte Internetsuchmaschine der Welt nicht von einem deutschen oder amerikanischen Großkonzern entwickelt wurde, der bereits eigene Geschäftsfelder verwaltet.

So besteht immer noch die Chance, dass die Eigner von Google endlich erkennen: Google wird es in der EU und auch weltweit nur dann langfristig geben, wenn sich das Unternehmen auf seine ureigene Kernkompetenz konzentriert und nicht versucht, die komplette Wirtschaftskette des Vertriebes von Wirtschafts-Produkten abzuschöpfen.

Wenn man in den USA das nicht erkennt, könnte das im Europaparlament bereits signalisierte Vorhaben, Google zu zerschlagen – kartellrechtlich – irgendwann nicht nur eine Theorie sein, sondern Praxis werden. Google sollte die Macht der Politik und auch der Konkurrenten nicht unterschätzten. Doch genau das tut Google bislang.

foundem.co.uk hatte das Verfahren gegen die Google Inc. in der EU 2009 ins Rollen gebracht

Der stärkste Beleg hierfür ist, dass Google auch 2014 – schon zum Höhepunkt der Kritik am Geschäftsgebaren von Google – weiter aggressiv auch in Europa seine Geschäftsbereiche zu Lasten des Wettbewerbs ausgebaut hat.

Jetzt liegt das Antitrust-Verfahren in den Händen der EU-Kommissarin Margrethe Vestanger. Sie gilt als wesentlich fähiger, als ihr müder und am Wirtschaftsleben uninteressierter Vorgänger, der Spanier Joaquín Almunia.

Damien Geradin, ein Antitrust-Rechtsanwalt der britischen Anwaltskanzlei "Edge", räumte auf CNN ein, es sei kein Verbrechen ein Monopol zu haben, aber ein Verbrechen, dieses auszunutzen. Doch genau das tue Google. Ähnlich äußerte sich auf CNN Liza Gormsen, vom britischen "Institute International and Comparative Law". Ins Rollen gebracht hatte das Verfahren eine kleine britische Preisvergleichsseite – foundem. Die junge Co-Gründerin von foundem.co.uk, Shivaun Raff, erklärte ebenfalls auf CNN, sie sehe "eindeutig eine erhebliche Wettbewerbsbedrohung" durch Google.

Foundem war 2009 von Google aus dem Suchindex von Google entfernt worden, da man der Preisvergleichsseite vorgeworfen hatte, sie hätte von anderen Webseiten Content kopiert (was der Europäische Gerichtshof später aber als nicht grundsätzlich illegal eingestuft hat). Ebenfalls gegen Google vor der EU geklagt hatte eine breite Allianz von über 400 in Europa aktiven Unternehmen – darunter Microsoft, Oracle, Axel Springer SE, Tripadvisor, Expedia. Doch selbst die drohende EU-Kartellamtes-Strafe von 10 Prozent des weltweiten Umsatzes, also rund 6 Milliarden US-Dollar, dürfte Google nicht wirklich weh tun. Denn in einem Zeitraum von 10 Jahren macht Google nach derzeitigen Schätzungen über 600 Milliarden Dollar Umsatz.

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