Regierung USA spioniert Deutsche in Google, Apple und anderen Diensten aus

Die USA, beziehungsweise die US-Regierung, lässt im eigenen Land, aber auch weltweit, die email- und Internet-Nutzung sowie Telefonnutzung von hunderten Millionen Menschen - darunter auch Deutschen - ausspionieren. Das berichten jetzt die britische Tageszeitung The Guardian sowie die Washington Post. Der Vorwurf lautet: "Massive surveillance of phone records and internet communications". Dabei würden die US-Behörden direkt auf die Server von neun führenden Internetfirmen - Apple, Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, PalTalk, AOL, Skype, und YouTube - zugreifen. Die Unternehmen hätten dies genehmigt, behaupten US-Behörden. Die US-Spionage von Millionen Bürgern auch in Staaten wie Deutschland, aber auch von Millionen US-Amerikanern, läuft unter dem Geheim-Code PRISM.

Foto: Netz-Trends.de
Der Staat ist immer und überall.

Allerdings regt sich bei den beschuldigten Unternehmen nun zaghafter Widerstand. Apple sagte, man würde angeblich einen Spionage-Zugriff durch Behörden der US-Regierung nur dann gewähren, wenn es einen entsprechenden Gerichtsbeschluss gebe. Google sagte, man prüfe vorher solche Anfragen angeblich "sorgfältig".

Die gezielte Spionage von Bürgern durch die US-Regierung finde, sagte nun der "ntelligence chief" der USA, James Clapper, angeblich nicht systematisch statt. Das große Ausmaß der automatischen Spionage von Bürgern begründete Clapper damit, dass eine Einschränkung der Total-Spionage angeblich die nationale Sicherheit der USA gefährden würde.

Die nun bekannt gewordenen Vorwürfen gegen die US-Regierung unter Präsident Barack Obama (Demokraten) besagen, wonach im digitalen Bereich den US-Behörden nahezu uneingeschränkter Zugang zu privaten Videos, Fotos, E-Mails, geschriebenem oder gesagtem Content sowie sonstigen Nutzerdaten gewährt würde.

In E-Mails werden wohl auch gezielt Dokumente - beispielsweise in Gmail - von den US-Behörden abgefangen und ausgewertet. Das bedeutet: "Es könnte sinnvoll sein, hier vielleicht doch auf einen deutschen E-Mail-Anbieter wie T-Online oder GMX um zuzusteigen", so ein IT-Fachmann gegenüber Netz-Trends.de.

Als besonders problematisch an der umfangreichen Spionage von zivilen Bürgern gilt, dass damit die Erstellung von "Bewegungsprofilen" von Millionen Bürgern ohne Gerichtsbeschluss möglich ist - und zwar über einen längeren Zeitraum, auch lebenslang.

USA werden immer mehr zur Stasi

Wie umfangreich die US-Regierung zivile Bürger nach dem Motto der DDR-Stasi-Abteilung "Horch und Guck" ausspionieren lässt, zeigt sich auch daran, dass im besonderen Fokus auch der Telekommunikations-Gigant Verizon steht. Dieser Anbieter verfügt weltweit über mehr als 120 Mio. Kunden. So würden auch, schreibt der Guardian, "phone record from millions of Verizon customers" ausspioniert. Doch dürfte die Regierungsspionage auch unzählige andere Telekommunikations-Unternehmen betreffen, schreibt das Wall Street Journal.

Auch deutsche staatliche Stellen und Staatsanwaltschaften, wie die umstrittene Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (Ines; "Antikorruptionseinheit Sachsen"), stehen im Verdacht, in Ermittlungen beispielsweise Emails direkt bei den Telekommunikationsunternehmen abzufangen, also sich Zugriff auf die Server zu verschaffen.

Dass aber eine Regierung ohne Gerichtsbeschluss in einem zivilen Bürgerstaat millionenfach Bürger, auch von befreundeten Staaten wie Deutschland, ausspioniert - also Ehegespräche, Sexgespräche, Geschäftsgespräche - potentiell detailliert protokollieren und Akten über diese Bürger angelegen kann - ist neu und ein Skandal. In den USA werden die Spionageaktionen innerhalb des "Foreign Intelligence Surveillance Act" vollzogen.

Die USA bedienen einmal mehr das Argument, wonach man alles im Einklang mit Recht und Gesetz mache und entsprechend der US-Verfassung agiere. Doch immer mehr fragen sich: Was ist das für ein Land, für eine Verfassung, in dem es immer weniger bis keine Grundrechte auf informelle Selbstbestimmung gibt? Die Total-Überwachung kannte man bislang nur aus stalinistisch-diktatorischen Systemen oder eben von der DDR-Stasi.

Die US-Regierung sagte, wonach die Spionage von Millionen Bürgern auch in eigentlich befreundeten Staaten wie aus Deutschland vom US-Kongress und dem "Foreign Intelligence Surveillance Court" (FISC) gedeckt sei.

Es gibt Berichte, wonach die USA in Norditalien über eine der größten weltweiten Abhör- und Email-Mitlese-Anlage verfügten. Hier würden von hunderten Millionen Bürgern faktisch alle Aktivitäten im Internet oder übers Telefon - vom Chat bis zur Internetsuche in Google & Co - mitgeschnitten. Angeblich gebe es jedoch dieses Programm - wohl in abgespeckter Version - bereits seit 35 Jahren, schreibt die britische Tageszeitung The Guardian.

Die US-Regierung sagt, man würde nur dann beispielsweise die heimlich aufgenommenen Telefongespräche gezielt weiter auswerten - also in einer Akte dokumentieren -, wenn ein Gericht dies erlaube: "Das Gericht erlaubt nur in einem bergründeten Verdacht die Telefongespräche näher auszuwerten... besonders wenn der Verdacht besteht, dass es sich um einen ausländischen Terroristen handeln könnte."

Unterschied zwischen "terrorisieren" und "Terrorismus" ist wichtig

Doch: Die USA zeigen seit Jahren, dass sie grundsätzlich jeden zivilen Bürger für einen potentiellen Terroristen halten. In jedem stecke also eine Art "Rote Armee Fraktion" oder Al Quaida. Dabei spielt die semantische Verwischung von "terrorisierenden Aktionen" und "Terrorismus" eine zentrale Rolle.

Terroristische Aktionen bedeuten, wonach ein Täter oder eine Tätergruppe die Gemeinschaft, einzelne Personen oder Institutionen zwar beschädigen oder beschädigen wollen, aber nicht das primäre Ziel verfolgt wird, staatliche Grundstrukturen oder gar ein ganzes Staatsgebildete abzuschaffen.

Doch genau das ist das klassische Ziel von "Terrorismus". Ursprünglich bedeutete der Begriff "Terrorismus" in der Politikwissenschaft das primäre politische Ziel der Abschaffung grundlegender staatlicher Strukturen mit dem Endziel der ernsthaften Abschaffung eines Staates.

Würde - wie das früher der Fall war - zwischen "terrorisierenden Aktionen" und "Terrorismus" unterschieden, so müsste man die tödlichen Anschläge in Boston politikwissenschaftlich als terrorisierende Aktionen, nicht aber als klassischen Terrorismus, bezeichnen. Das hieße: Die US-Regierung könnte die Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten auf Grund solcher Anschläge nicht mit "Terrorismus" begründen. Dadurch dass sie aber jede "terrorisierende Aktion" sofort als "Terrorismus" klassifiziert, schafft sie sich die angebliche moralische Legitimität nach und nach klassische bürgerliche Freiheitsrechte (wozu der Schutz der Privatsphäre gehört) abzuschaffen.

Zu wenig Spionage von Bürgern wäre angeblich nicht zielführend

Der US-Geheimdienstchef Clapper sagt, es würde nur "ein kleiner Anteil der heimlich mitgeschnittenen Telefongespräche und heimlich protokollierten Emails oder des individuellen Internetsuchverhaltens in Google & Co später oder parallel auf konkreter Personenebene ausgewertet. Die US-Regierung unter den Demokraten spricht hier von "specifically cleared counterterrorism personnel”.

Doch: Was die angebliche "kleine Anzahl" anbelangt, so haben staatliche Stellen gerade in den USA in den vergangenen Jahren gezeigt, dass dieser Begriff wohl relativ zu sehen ist. Das heißt: Mindestens einige hunderttausend auf Personenebene ausgewertete Datensätze dürfte es nach Ansicht von Menschenrechtlern in den USA schon heute geben.

Die große Fülle der Spionage auch von Deutschen durch die US-Regierung rechtfertigen die USA damit, dass eine zu schmale Spionage von Bürgern zu wenig Erkenntnisse bringe. So sagte Clappter: "Eine zu schmale Spionage von Bürgern würde unsere Fähigkeit die terroristische Bedrohung der USA zu analysieren, erheblich einschränken".

Gegenüber der britischen Zeitung The Guardian sagte der US-Senator Jeff Merkley, er sehe den drastischen Umfang der Bürger-Spionage durch staatliche Stellen in den USA kritisch und es scheine, das sei ein Fass ohne Boden ("barn-door" collection). Hier müssten nun Gerichte konkretere Entscheidungen fällen, in welchem Umfang staatliche Spionage gegen Bürger überhaupt zulässig sei.

Bislang werden wohl klassische Keyword-Analysen von Telefongesprächen, Internet-Suchaufträgen, E-Mails, WhatsUp-Massages oder SMS durchgeführt. Dies umfasst auch die automatische Protokollierung der Länge von Nachrichten sowie die Kontaktdaten von Absendern und Empfängern.

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