Exklusiv INVIA und UNISTER - Rückblick zum Aufstieg und Flugzeugabsturz mit Spuren in Florida

Vor vier Jahren, am 14. Juli 2016, kam der Leipziger UNISTER-Gründer und Internetmillionär Thomas Wagner mit nur 38 Jahren ums Leben. Der Internetstar starb bei einem dubiosen Absturz in einem Privatflugzeug (Piper 32) in Slowenien auf dem Rückflug von Venedig. Das Flugzeug hatten grenzüberschreitend agierende Gangster der Organisierten Kriminalität über einen angeblichen deutschen „Kreditvermittler“ für ihn leasen lassen. Man hatte Wagner erzählt: Er erhalte in Venedig von einem israelischen Milliardär mit dem Namen Levy Vass einen gewünschten Privatkredit in Höhe von 15 Millionen Euro. Dazu müsse er aber nach Venedig kommen. Dort schließe man bei einem Notar eine Kreditversicherung ab für die von ihm gewünschte Kredithöhe. Das diene als Sicherheit, dass der Kreditgeber zur Not sein Geld über einen Versicherungskonzern zurückerhalte.

So berichtete die Dresdner Morgenpost über den Fund des Höhenruders der Unister-Maschine in der Thomas Wagner umkam.

Diese Sicherheit der Kreditversicherung ist bei Konzernen durchaus üblich. Selbst die Postbank bietet Kreditversicherungen an, um beispielsweise Liquiditätsengpässe im Falle einer Arbeitslosigkeit überbrücken zu können. Man spricht auch von einer Restschuldversicherung oder einer Ratenschutzpolice.

Im Falle von Thomas Wagner, so wurde ihm gesagt, verlange der Versicherungskonzern für einen Unternehmenskredit, beziehungsweise einen von ihm gewünschten Privatkredit eine Sicherheit in Höhe von 20% des gewünschten Kreditbetrages. Also eine Restschuldversicherung, beziehungsweise Kreditversicherung. Bei ihm also rund 1,5 Millionen Euro. Solche Versicherungen schließen auch Großkonzerne für den Fall ab, dass es während der vereinbarten Rückzahlungsfrist zu Rückzahlungsproblemen kommt auf Grund unvorhergesehener Risiken. Genannt wurden Wagner gegenüber Versicherungskonzerne, die so etwas anbieten, wie etwa die Lloyds Banking Group in London.

Um aber bei einem Versicherungskonzern wie Lloyds eine Kreditversicherung abschließen zu können, müsse Wagner einen Darlehensvertrag unterschreiben, der den Passus mit der Kreditausfallversicherung enthalte, sagte man dem Internetstar. Dieser Vertrag werde notariell beglaubigt. Dann solle Wagner dem Notar die 1,5 Millionen Euro übergeben. Der Notar reiche dieses Geld an Versicherer wie Lloyds notariell beglaubigt weiter. Wagner erhalte dafür eine entsprechende Versicherungspolice. Die 1,5 Millionen Euro Sicherheitseinlage für den Risiko-Versicherer solle Wagner nach Italien zum Notar mitbringen. Gewissermaßen so, wie man seine Eigentumswohnung als Sicherheit für einen Kredit hinterlegen kann.

Nach Ausstellung der Empfangsquittung der Sicherheitseinlage, also der 1,5 Millionen Euro, würde jener angebliche Milliardär mit dem Namen Levy Vass Wagner in den nächsten drei bis vier Tagen seinen gewünschten Privatkredit in Höhe von 15 Millionen Euro überweisen. Wagner wollte das Geld als Überbrückungskredit für den Börsengang seiner UNISTER-Reisesparte. Deshalb also war Wagner am 13. Juli in die Lagunenstadt geflogen.

Thomas Wagner beim UNISTER-Sommerfest in Leipzig.Unister Presse

Wagner war aber in Venedig böse betrogen worden. Er war in eine polizeilich als "Rip Deal" bezeichnete Falle getreten. Einen sogenannten "Geldwechselbetrug". Davor warnte die Schweizer Polizei schon 2003 umfangreich in einem öffentlichen Statement.

Die 1,5 Millionen Euro hat man Wagner in Venedig auf einem Hotelparkplatz geschickt unter Lügenmärchen entwendet. Man hatte ihm erzählt, wonach der Notar noch nicht da sei, man aber schon mal alles vorbereiten müsse. Statt einem Überbrückungskredit in Höhe von 15 Millionen Euro hatte man Wagner einen Koffer mit Falschgeld angedreht. Nur die oberste Schicht hatte ein paar Tausender echtes Geld. Schweizer Franken. Wobei Falschgeld es nicht ganz trifft: Es war Spielgeld. Denn damit sichert sich dann wiederum die Rip Deal Mafia ab für den Fall, dass sie in eine Fahrzeugkontrolle kommt. Denn Spielgeld darf man bei sich haben. Falschgeld nicht.

Am Tag nach dem Desaster, an jenem berühmten Julitag im Sommer 2016, am 14. Juli, war Thomas Wagner auf dem Rückflug von Venedig. Hier hatte die Sonne noch wunderbar geschienen und nichts deutete auf Schwierigkeiten beim Rückflug hin. Stinksauer muss er in das Flugzeug gestiegen sein. Aber nach außen ruhig. Immerhin hatte er kurz zuvor bei der Polizei in Venedig den ungeheuren Betrug an ihm und Unister zur Anzeige gebracht.

Direkt vor dem Abflug hatte er noch ruhig längere Minuten mit Ralph Michaelsen telefoniert. Darin soll kein Wort über das Venedig-Debakel gefallen sein. Man unterhielt sich über das künftige Reisegeschäft. Schweigen konnte Wagner. Michaelsen ist bei Unister kein Unbekannter: Der bei vielen Unister-Mitarbeitern beliebte Manager hatte zum Sommer 2012 Unister als Reisemanager verlassen.

2010 stellte die UNISTER Holding diesen Neubau in Leipzigs Innenstadt vor, der für circa 40 Millionen Euro gebaut werden sollte. Das Grundstück lag direkt gegenüber der Oper. Im Dezember 2012 sollte Startschuss sein, doch eine Steuerrazzia vereitelte das. UNISTER konnte sich davon nie wieder richtig erholen.www.lifepr.de/pressemitteilung/unister-holding-gmbh/Unister-Nach-Bau-Streit-in-Leipzig-holt-Wirtschaftssekretaer-Schubert-das-Internetunternehmen-nach-Sachsen-Anhalt/boxid/147610

Anschließend war er einige Jahre unter anderem in der Reise-Versicherungsbranche tätig, kehrte aber Leipzig nie den Rücken. Seit Juni 2019 arbeitet Michaelsen als Chief Commercial Officer (CCO) beim Nachfolger des UNISTER-Reisegeschäft, beim chinesisch-tschechischen internationalem Reisekonzern INVIA (Invia.com; INVIA Group; INVIA Travel). Gewissermaßen also in seiner alten Heimat. Nach dem Betrug an Wagner meldete UNISTER wenige Tage später Insolvenz an. Zwei von fünf UNISTER-Gesellschaftern waren bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

Von den fünf UNISTER-Gesellschaftern hatten nur drei überlebt: Daniel Kirchhof, Christian Schilling und Sebastian Gantzckow. Wagners in Dessau lebende Eltern waren nach dem Tod ihres Sohns mit dem Erbe überfordert. Sie hatten bis dahin mit UNISTER nicht viel zu tun gehabt. Das Unternehmen ihres berühmten Sohnes kannten sie eigentlich überwiegend nur aus den Medien. Deshalb überschrieben sie Wagners Anteile bereits zu einem Zeitpunkt als noch nicht klar war, ob sie das Erbe wirklich antreten würden, rund 47% an UNISTER, auf einen Dritten.

Mitgesellschafter Daniel Kirchhof wollte nach Wagners Tod eine UNISTER-Insolvenz unter allen Umständen abwenden. Er sah das nicht als letzte Option in dem verschachtelten Unternehmen, wie einige andere. Vielmehr wollte er ein Sanierungsverfahren mit neuen Gesellschaftern, die man ins Boot holen solle. Deshalb traf er gemeinsam mit einem ehemaligen UNISTER-Geschäftsführer noch am Tag nach Wagners Tod am Flughafen Leipzig den langjährigen UNISTER Bereichsleiter Unternehmenskommunikation, intern oft Koko genannt. Der Wunsch: Eine Insolvenz solle unbedingt vermieden werden. Der Bereichsleiter Unternehmenskommunikation solle sich vermittelnd einbringen und helfen eine Insolvenz abzuwenden.

Die Ereignisse überschlugen sich nach Wagners Tod

Doch die Ereignisse überschlugen sich: Die anderen Gesellschafter erreichten zusammen über 50% und wollten umgehend Insolvenz anmelden. Sie zogen diese Karte bereits vier Tage nach Thomas Wagners Tod. Also am Montag. Sie ließen sich dabei auch von Geschäftsführern beeinflussen, die noch bei UNISTER an Bord waren und keine weitere Verantwortung übernehmen wollten.

Sie plädierten für ein umgehendes Insolvenzverfahren. Ein Sanierungsverfahren mit neuen Gesellschaftern unter Eigenregie lehnte man ab. Man hatte zudem Sorge vor Rechtsverfahren, die man als unkalkulierbar ansah, was Kirchhof & Co so aber nicht sahen. Es war dem langjährigen ehemaligen UNISTER-Pressechef nicht gelungen, zwischen den erzfeindlichen Parteien zu vermitteln, sagt man.

Auf Wunsch von Wagner hatten die Schillinge jahrelang und bis zum Abgang des Pressechefs im Juli 2015 ihr Büro direkt neben diesem - im Barfußgässchen 12 im zweiten Stock. Der Medien-Verantwortliche hatte die Turbulenzen um Unister nicht mehr weiter öffentlich kommentieren wollen - nach jahrelanger eigener hoher Medienpräsenz, heißt es. Doch die Freundschaft mit Wagner hielt bis zu Wagners Flugzeugabsturz. Ein letztes Mal telefonierte man zehn Tage vor dem Rip Deal in Venedig, berichtete die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.

Schon Wochen vor der Reise war bekannt geworden, dass man im gegnerischen Lager Wagners in Leipzig über die anstehende Venedig-Reise im Bilde war. Man wusste nur nicht genau wann diese anstand. Man wusste dort aber, dass es sich wahrscheinlich um einen Rip Deal handelte. Ein Umstand über den später DIE ZEIT ausführlich berichtete ("Was geschah in Venedig?"). Auch das HANDELSBLATT schrieb dazu eine Doppelseite unter der Überschrift: "Wirtschaftskrimi Unister: Das Venedigkomplott" .

Ursprünglich hatten Wagners Leipziger Gegner den Plan, Wagner an der italienischen Grenze wegen verbotener Geldgeschäfte festnehmen lassen zu wollen. Während man dies wochenlang für sich behalten hatte, hatte man, wie später bekannt wurde, in letzter Sekunde die Reise doch noch verhindern wollen: Und rief drei Wochen vorher den ehemaligen Pressechef an, mittlerweile Verantwortlicher Kommunikation bei BILLIGER.de in Karlsruhe. Also beim neben IDEALO (Axel Springer SE) größten deutschen Preisvergleichsportal das u.a. zur DEUTSCHEN TELEKOM AG gehört.

Wagner müsse unbedingt von der Reise abgehalten werden, sagte man dem Ex-Presseverantwortlichen von UNISTER. Der Venedig Business-Deal ende in einem großen öffentlichen Knall, warnte man. Doch Wagner weigerte sich und kommentierte, es sei Unsinn, dass es sich in Venedig um einen möglicherweise problematischen Business-Deal handele. Um was für einen Deal es sich handele, sagte er nicht.

Co-Gesellschafter Gantzckow hatte zwar bei UNISTER einige Jahre mitgearbeitet, hatte aber UNISTER schon vor Ende 2012 gegen eine Abfindung als aktiver Mitarbeiter auf Betreiben Wagners verlassen. Das heißt: Am Ende entschieden faktisch zwei Gesellschafter, wie es weitergeht: Der Vertreter der Eltern von Thomas Wagner, die aber selbst unschlüssig waren und Christian Schilling. "Christian", wie ihn alle bei UNISTER nannten, hatte aber gerade erst seinen Bruder im Flugzeug verloren.

Entsprechend war er noch komplett durch den Wind. Schließlich war die Beziehung zu seinem Zwillingsbruder äußerst eng gewesen. Man sah die beiden faktisch immer lachend und scherzend zusammen. Letztlich wollte vor allem Christian UNISTER in der bestehenden Struktur nur noch los werden, heißt es. Einige hielten Christian zu diesem Zeitpunkt aber auch für eher unberechenbar, da er "natürlich verständlicherweise keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte", kommentiert jemand, der ihn gut kennt.

Zwar hatte auch noch Gantzckow Anteile, sie waren aber nicht entscheidend. Letztlich schwenkte aber auch er auf die Linie von Christian Schilling und Wagners Eltern ein. Auch er ließ sich nicht vom Gegenteil überzeugen.

Thomas Wager - unten rechts auf der Dmexco.Unister Presse

Da Unternehmen wie UNISTER massiv vom Genie der Gründer oder der zentralen Gründer-Figur leben, war der Unternehmenswert nach Wagners Debakel in Venedig über Nacht zusammengeschrumpft. Aus einem Milliarden-Einhorn hatte man im Markt der Touristik aus UNISTER über Nacht ein Eichhörnchen gemacht.

Endlich konnte man den Leipzigern die rote Karte zeigen: Man wollte das Unternehmen ganz vom Markt löschen. TUI & Co hatten sich jahrelang über UNISTER geärgert. Die 20.000 Reisebüros in Deutschland sowieso. Jahrelange Demütigungen der Leipziger hatte man ertragen müssen. Zusehen müssen, wie die Leipziger Studi-Budi immer größer wurde. In der Spitze schickte UNISTER über zwei Millionen Menschen jährlich in den Urlaub, vermittelte Reisen im Wert von über zwei Milliarden Euro. Im Schnitt konnte Unister davon 12 bis 15 Prozent Provision einbehalten. Plus Zusatzgeschäfte und Einnahmen sowie Gewinne aus anderen Geschäftssparten.

Genug Geld, um jahrelang in RTL oder SAT1 einer der wichtigsten Werbekunden zu sein oder in den teuren Minuten vor der ARD-Tagesschau seine Spots auszustrahlen. Auch im Schweizer Rundfunk SRF schaltete UNISTER Werbespots für seine Schweizer Portale. Nach Marktanalysen beliefen sich die Brutto-Werbespendings bei UNISTER auf bis zu 75 Millionen Euro im Jahr. Eine Auswertung von HORIZONT sprach noch 2015 gar von Bruttowerbespendings in Höhe von rund 118 Millionen Euro brutto. So viel gaben nach der NIELSEN Werbestatistik 2015 nur noch Ford, Media-Saturn oder Lidl aus. Selbst nach Dubai schickte Unister im Schnitt jährlich über 25.000 Urlauber. Und da der Reisemarkt kein Nullsummenspiel ist, bedeutete es: Was UNISTER gewann, verloren die anderen. Jetzt war Zahltag:

Wie die Konkurrenten UNISTER versuchten ganz kaputt zu machen

Keine Angebote gingen nach dem Insolvenzantrag ein. Oder nur solche, die lächerlich niedrig waren. Schließlich wurde UNISTER für viel zu wenig verscherbelt und zerschlagen: Zu unter 80 Millionen Euro soll die wertvolle Reisesparte von UNISTER an die INVIA GROUP in Prag gegangen sein. Sie wurde erst 2016 gegründet, also im Jahr von Wagners Tod. Nach Angaben von Wikipedia Deutschland beschäftige sie rund 1300 Mitarbeiter. Bei INVIA freute man sich über das berühmte Schnäppchen UNISTER. Auf einen Schlag in die Marktführerschaft in Deutschland, in Europa. Zu fast keinem Geld.

Auch alle anderen UNISTER-Geschäftsfelder gingen letztlich wie warme Semmeln günstig weg: Der Finanzbereich (GELD.de, KREDIT.de) Social Media, Online-Vermarktung, Automobil (AUTO.de), Preisvergleiche (PREISVERGLEICH.de, DSL.de), Nachrichten (NEWS.de, BÖRSENNEWS.de), die TRAVEL24.com AG zum Beispiel. UNISTER war aus Sicht seiner Gegner endlich Geschichte. Fast zumindest. Denn fast alle Portale gibt es ja noch - nur unter neuer Inhaberschaft.

In Leipzig thront als große symbolische Erinnerung an UNISTER das Travel24.com-Hotel direkt neben dem Fürstenhof. Auch dieses Hotel soll im Rahmen des Insolvenzverfahrens mangels Nachfrageangebote weit unter Marktwert verkauft worden sein. Kolportiert wird ein Preis im niedrigen einstelligen Millionenbetrag. Ob wahr oder nicht - man weiß es nicht. Ein Designhotel mit 170 Zimmern, wie die Allgemeine Hotel und Gaststättenzeitung umschreibt.

Die Hotelkette über seine börsennotierte Travel24.com AG war Wagners Lieblingskind. Auch in Köln hatte er deshalb ein Hochhaus kaufen lassen - das ehemalige 18-geschossige Hochhaus der GOTHAER Versicherung. Hier sollten 338 Zimmer entstehen für ein Travel24 Hotel.

Heute findet man in Leipzigs Innenstadt noch nicht einmal eine Gedenktafel an den großen Unternehmer Wagner. Und das, wo so viele von ihm bis heute profitieren. Einige wiederum haben alles verloren.

Unister auf der Dmexco 2011.Unister Presse.

Nach dem Telefonat mit Michaelsen war Thomas Wagner mit Crew zurück nach Leipzig gestartet. Warum er die seltsame Flugstrecke von Venedig östlich über Slowenien wählte, wo eine Schlechtwetterfront in den Bergen absehbar war, ist völlig unklar. Es ergibt bis heute eigentlich keinen Sinn. Üblich wäre die direkte Strecke nördlich über Österreich gewesen.

Dubioser Rückflug: Warum machte der Fluege.de-Gründer und Ab-in-den-Urlaub.de-Gründer so einen komischen unnötigen Umweg, der ihn und drei Mitreisenden am Ende das Leben kostete?Google Maps

Plötzlich brach jedenfalls bei der Piper über Slowenien in mehreren Hundert Metern Höhe das Höhenruder ab. Das machte das alte sechssitzige Flugzeug manövrierunfähig. Schließlich knallte es in einem Alpengebiet, in dem Slowenen wie Ausländer gerne Urlaub machen, Nähe einer kleinen Straße auf. Alle vier Insassen verbrannten. Darunter Wagner. Nach Venedig hatte die kriminelle Bande den stets gerne lachenden AB-IN-DEN-URLAUB.de- und FLUEGE.de-Gründer in Rahmen eines sogenannten Rip Deals gelockt.

Absturzbericht liegt jetzt vor - vier Jahre hat es gedauert

Fast exakt vier Jahre nach Wagners Tod wurde nun dieser Tage der Absturzbericht von Wagners geleastem Privatflugzeug in Slowenien fertig erstellt. Der Absturzbericht wird derzeit an die beteiligten Länder Deutschland, Italien, USA verschickt. Das hat Netz-trends.de in Slowenien aus dem Umfeld der größten slownischen Boulevardzeitung „Slovenske novice“ erfahren. Die Zeitung hatte in mehreren Titelgeschichten ausführlich über den Absturz von "Thomasom Wagnerjem", wie er auf slowenisch heißt, berichtet.

Zeit für einen Rückblick auf Netz-trends.de zum atemberaubenden Aufstieg und Fall des UNISTER-Internetkonzerns. Einer selten in Deutschland erlebten Erfolgsgeschichte, die so tragisch endete.

Wir drehen die Uhr zurück: Als Wagner am 13. Juli 2016 in Venedig auf dem dortigen kleinen Flugplatz gelandet war, machte er sich direkt mit einem Flughafentaxi auf zu einem Hotelparkplatz. Das Hotel, bei einer Autobahn gelegen, hatte die kriminelle Bande strategisch ausgesucht. Als Tatort und späterer Fluchtort.

Auf dem Hotelparkplatz trafen der nichts ahnende und stets gut gelaunte Thomas Wagner mit Unister-Co-Gründer Oliver Schilling, mit dem er gerne Scherze machte, auf den abgewichsten Gangster Levy Vass. Mit Schilling verband Wagner eine Jugendfreundschaft noch aus gemeinsamen Abi Tagen im kleinen ostdeutschen Örtchen Dessau. Jahrelang hatte Wagner mit Oliver Schilling und seinem Zwillingsbruder sowie Freunden einen rund einwöchigen Ski-Urlaub in Österreich gemacht. Meist in einem Dreisterne-Hotel ohne Spa-Bereich. Das gemeinsame Reisen war also beiden bestens bekannt. Man war ein eingespieltes Team.

Der tragische Rückflug

Schilling, der von allen nur „Olli“ genannt wurde und bei Unister für die Hunderte Millionen Euro schweren Google-Kampagnen im Reisesegment zuständig war, hatte ursprünglich in den 1990er Jahren Polizist gelernt.

Mit seinem Bruder hatte Olli beim Bundesgrenzschutz an der polnischen Grenze Schmuggler aufgerieben, wie er in kleinem Kreise gerne schmunzelnd erzählte. Wie Wagner sollte auch Oliver Schilling den Rückflug von Venedig nach Leipzig nicht überleben. Sie sind letztlich beide Opfer eines riesigen perfekt durchdeklinierten mafiösen Betrugs. Eines Betruges, der in Leipzig seinen Anfang hatte. Bei Leuten, die Wagner und UNISTER aus einer finanziellen Klemme helfen wollten.

Denn UNISTER wollte im Oktober 2016 mit seiner Reisesparte an die Börse. Das hätte dann genug Kleingeld in die Kasse gespült, um den Hamburger Kreditgeber Hanse Merkur (HanseMerkur Versicherungsgruppe), der ungefähr 50 Millionen Euro geliehen hatte, und das Geld für Wagner, Unister unerwartet plötzlich im Oktober, November 2015 zurückhaben wollte, auszubezahlen.

Wie das HANDELSBLATT zum Untergang beitrug

Die Hanse Merkur-Versicherung hatte wiederum einen Kredit bei einem Konsortium unter Federführung der HypoVereinsbank abgelöst. Für den Börsengang brauchte Wagner noch rund 10 bis 15 Millionen Euro Überbrückungskredit. Die Hanse Merkur war nervös geworden, da in diversen Medien, vor allem dem HANDELSBLATT, immer mehr reißerische Artikel erschienen waren über den HANSE-MERKUR-UNISTER-Deal, aber auch über sonstige Internas. Beispielsweise lautete am 10. August 2015 eine HANDELSBLATT-Geschichte unter der Überschrift „Internetfirma Unister: Das Himmelfahrtskommando“:

„Unister hätte zu einem deutschen Internet-Imperium werden können. Stattdessen droht dem einstigen Vorzeige-Start-up, zu dem etwa fluege.de gehört, der Ruin. Das liegt auch an der One-Man-Show des Gründers Thomas Wagner… Hamburg Markkleeberg ist eine Kleinstadt südlich von Leipzig. 23.000 Menschen leben hier, einer von ihnen heißt Daniel Kirchhof. ‚Markkleeberg, den 26. Juni 2015‘, beginnt Kirchhof seinen Brief. Und dann schreibt er sich den Frust von der Seele, sieben Seiten lang. Er schreibt: ‚Die Erosionsprozesse und Zentrifugalkräfte im Unternehmen [nehmen] zu.‘.. [Es] ist ein hohes Maß an Realitätsverlust in der Geschäftsführung zu konstatieren.‘.. Ich musste zudem zur Kenntnis nehmen, dass offenbar seit langem erhebliche Aufwendungen.. getätigt werden, um Mitarbeiter, Gesellschafter und Geschäftspartner in rechtswidriger Weise mit geheimdienstlichen Methoden (illegal) überwachen zu lassen.“ [1]

Zudem schreibt der Handelsblatt-Autor von angeblich „fragwürdigen Geschäften“ zwischen Unister und der Hanse Merkur. Kurz darauf legt das HANDELSBLATT nach und schreibt boulevardesk-reißerisch von einem gar „faustischen Millionendeal der Hanse Merkur mit dem Skandalunternehmen Unister“, was „für Unruhe bei dem Versicherer“ sorge. Zudem führt das HANDELSBLATT genüsslich aus: „Millionenkredit an Portalbetreiber Unister wackelt“. Der mit dem Kredit bei der Hanse Merkur beauftragte Vorstand PETER LUDWIG habe den Versicherungskonzern urplötzlich verlassen. [2]

Die Meldung, dass der Vorstandsvorsitzender der HVP HanseVertriebspartner AG (HVP), die Hanse Merkur verlasse, machte Ende Oktober 2015 die Runde.

Thomas Wagner 2008.

Klar: Zuvor hatte das Handelsblatt ja selbst kräftig für Unruhe in dieser Geschäftsbeziehung gesorgt und UNISTER am Kapitalmarkt durch seine angeblichen Skandal-Geschichten weiter massiv demontiert. Während andere Medien Ruhe bewahrten. Sie gaben UNISTER Zeit, den schwierigen Umbau, der seit der drastischen und aus Sicht von vielen völlig überzogenen Steuerrazzia am 11. Dezember 2012 notwendig geworden war, zu bewältigen.

Die Razzia hatte federführend die GENERALSTAATSANWALTSCHAFT SACHSEN mit ihrer umstrittenen INTEGRIERTEN ERMITTLUNGSEINHEIT SACHSEN (INES) öffentlichkeitswirksam inszeniert. Verantwortlich waren die Staatsanwälte Dr. DIRK REUTER und ANDREAS GÜNTHEL. Günthel bezeichnen Menschen, die auf ihn trafen, als "unerträglich narzisstisch". Wagner selbst meinte bis zuletzt, Günthel sei "massiv gestört" und ihn treibe "die pure Zerstörungslust" an. Immerhin hatte Günthel UNISTER mit vier Razzien überzogen. Doch auch über Reuter hört man nicht so richtig gutes.

Nach der ersten Steuerrazzia am 11. Dezember 2012 erfolgte beispielsweise exakt ein Jahr danach - am 11. Dezember 2013 - wieder schön in der Vorweihnachtszeit - die nächste Razzia. "Damit wollte man offensichtlich möglichst viel Unruhe bei UNISTER und den Medien reinbringen, hatte man den Eindruck", kommentiert ein Anwalt und sagt heute noch, dies sei "unfassbar" gewesen.

Und der gesprächtige Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, Oberstaatsanwalt WOLFGANG KLEIN, der mittlerweile in Chemnitz Abteilungsleiter sein soll, kommentierte dies gerne ausgiebig vor den Medien. In so manchem Interview, das er zu UNISTER gab, habe man fast den Eindruck gehabt, "als entdecke man ein Grinsen in seinem Gesicht - so zum Beispiel in der ARD-Doku "Unister: Der Absturz"", kommentiert ein UNISTER-Mitarbeiter.

Die Hanse Merkur hat Mitschuld am UNISTER-Untergang

Noch im Juni 2016, circa fünf Wochen vor Thomas Wagners Tod, erzählte Wagner einem engen Vertrauten und Freund im Leipziger Barfußgässchen auf die Frage, ob Thomas "das mit der Rückzahlung an die Hanse schaffe?":

"Klar schaffen wir das. Wir haben bisher immer alles geschafft". Rund die Hälfte, also um die 25 Millionen Euro, habe Unister in den vergangenen Monaten der Hanse bereits zurückbezahlt. Es fehle also nur noch ein überschaubarer Betrag. Deshalb klaubte Wagner in wenigen Monaten an allen Ecken und Enden des Hauses Geld zusammen.

Das langjährige UNISTER-Testimonial DFB-Kapitän und Bayern-Star Michael Ballack, wie UNISTER auch ein Ostdeutscher.Unister Presse

Wirtschaftlich machte der Deal UNISTER und Hanse Merkur absolut Sinn: Unister verkaufte als Online-Reisemarktführer für die Hanse Reiseversicherungen und überwies an die Hanseaten im Jahr einen schönen Millionengewinn. Bis Herbst 2016 wollte er die Hanse Merkur Versicherung ausbezahlt haben. "Werde mich nie wieder in solche Abhängigkeiten begeben", sagte Wagner seinem Freund.

Der Freund ist heute sicher: "Hätte der Vorstand und Aufsichtsrat der Hanse Merkur die Nerven behalten und nach der negativen Berichterstattung in Zeitungen wie dem Handelsblatt nicht solchen Druck auf schnelle Rückzahlung auf Unister ausgeübt, würde es Unister und Thomas noch geben."

Denn vertragsrechtlich, erzählte Thomas Wagner im internen Kreis, könne die Hanse Merkur, sobald UNISTER eine Tranche nicht überweise, einen externen Insolvenzantrag gegen UNISTER stellen. Immerhin hatte die Hanse Merkur für Unister unerwartet im Herbst 2015 die Karte gezogen, dass Unister das 50 Millionen Euro Darlehen zeitnah zurückzahlen müsse. Dieses Drohszenario schwebte seit dem Abgang von Vorstand Peter Ludwig massiv über dem jahrelang erfolgreichsten deutschen Internetunternehmen, das bis dahin fast ganz ohne Venture Capital, Fremdkapital, ausgekommen war.

Während selbst kleine IT-Butzen in Berlin heute mit Hunderten Millionen Euro Fremdkapital ausgestattet werden, verzichtete Wagner darauf bei UNISTER. Das ganze UNISTER-Wachstum war eigenfinanziert - trotz chaotischer Buchhaltung.

Unter dem Vorstand der Hanse Merkur, Peter Ludwig, zu dem Wagner ein sehr gutes Verhältnis pflegte, hätte es bei UNISTER keine Sorge eines externen Insolvenzantrages gegeben, sagen mehrere Vertraute. Ob der so aktive und geschäftstüchtige und in der Branche hoch angesehene Vorstand gehen musste, oder nicht, ist unklar. Es deutet aber viel darauf hin, dass er gehen musste - wahrscheinlich wegen den schlechten UNISTER-Schlagzeilen bezüglich des Versicherungsdeals.

Wagner und Führungskräfte

Zudem erzählte Wagner damals seinem engen Vertrauten, auf die Frage, wie gut der Draht zur Hanse Merkur nach dem Weggang von Vorstand Peter Ludwig noch sei: «Gut». Und auf die Nachfrage, ob es nicht gefährlich gewesen sei, neben seinem Finanz-Fachmann und Co-Gesellschafter Daniel Kirchhof, den Wagner im Sommer 2015 nach unappetitlichen Vorwürfen geschasst hatte, auch noch einen der beiden GELD.de-Vorstände geschasst zu haben, Dirk Westermann, sagte Wagner: Das sei alles kein Problem. Nur: Das war es aber doch: Immerhin soll Westermann zentral in den Hanse Merkur-Deal verwickelt gewesen sein.

Zudem führte Wagner damals aus: Auch wenn der langjährige SIGNAL IDUNA-Manager Dirk Westermann intern gerne gesagt habe, er habe den Hanse Merkur Deal zentral mit eingesteuert, so sei es doch er selbst gewesen. Er, Wagner.

Das langjährige fluege.de-Testimonial Rainer Calmund sorgte 2011 auf der Dmexca für einen Menschenauflauf. Neben ihm Koko als Moderator, daneben Thomas Wagner.Unister Presse

Westermann war Landesdirektor bei der Signal Iduna gewesen und entsprechend in der Versicherungsbranche top vernetzt. Er war im April 2009 zu UNISTER gekommen und hatte den Auftrag gemeinsam mit dem Top-Versicherungsmann Friedrich Wiedemann die UNISTER-Tochter GELD.de, ein Versicherungsverkaufsportal, das über die GELD.de Holding AG geführt wurde, zu einem großen Versicherungs- und Finanzhaus aufzubauen. Später wollte Wagner daraus ursprünglich sogar eine Bank machen.

Doch mit der Zeit wurde das Verhältnis zwischen Wagner und Manager Westermann schwierig. Es ging um Diskussionen zum Wachstum bei GELD.de. Wobei Wagner letztlich entschied, welches Projekt wie viel Geld erhält bei UNISTER. Ausgerechnet während der UNISTER-Neuaufstellung musste Westermann nach Monaten der Zitterpartie schließlich gehen. Insidern war auch hier klar:

Der Bruch mit Kirchhof und Westermann war alles andere als gut zum damaligen Zeitpunkt. Intern soll allerdings Wagner gesagt haben: Das Chaos in der Buchhaltung sei ja schließlich unter Kirchhof entstanden. Dieser soll sich gewehrt haben mit den Worten, schließlich habe Wagner keine finanziellen Mittel bereitgestellt, um die UNISTER-Buchhaltung endlich auf einen modernen Stand zu bringen.

Bereichsleiter mussten bis zuletzt teils mit Excel-Tabellen selbst errechnen, ob sie nun mehr oder weniger als im Vorjahr ausgegeben hatte. «Ein Unding», sagt ein Manager: "Ich konnte doch nicht, wenn meine Abteilung Hunderttausende oder Millionen im Jahr kostet, selbst Buchhalter spielen".

Wagner und seine Grabenkriege

Fakt ist aber auch: Wagner war nicht gerade dafür bekannt, dass er gerne geschäftlich sparte. So galt er privat gegenüber Mitgesellschaftern, auch gegenüber vielen Angestellten als geizig. Oft ging das zu Lasten der Freundschaften. Bei einigen auch zu Lasten der Loyalität. Dennoch gab es auch bei UNISTER Top-Verdiener mit Gehältern, die sich mit jedem anderem Unternehmen messen konnten.

Bis 2010 hatte Wagner noch in einem 20 Quadratmeter WG-Zimmer gelebt. Aus dem wollte er aber nicht ausziehen und musste fast hinausgetragen werden. Zu einem Zeitpunkt als seine Mitgesellschafter längst besser wohnten und das Studenten-Niveau hinter sich gelassen hatten. Seine neue Mietwohnung im vornehmen Leipziger Stadtteil Gohlis hatte gerade mal um die 70 Quadratmeter - günstig eingerichtet Marke IKEA. Aber für seine WG-Anhänglichkeiten liebten viele Unister-Mitarbeiter wiederum Thomas, wie ihn alle nur nannten. Großkotzig war ihr Chef nie. Bodenständig und bis zu letzt gerne schlicht in Leipzigs Rathaus-Kantine essend - wie viele andere UNISTER-Mitarbeiter auch. Der einzige Luxus: Sein geliebter weiße Porsche Boxster.

So knickrig er sein konnte, so gerne gab er Hunderte Millionen Euro geschäftlich aus, wenn er es wollte: An manchen Tagen soll er einfach mal ein paar Millionen Euro für Google-Werbung herausgeballert haben, nur um Konkurrenten wie Check24 ins Abseits zu drängen. Das machte wiederum die zuständigen Manager bei Check24 in München nervös.

Oder kaufte er sinnlos Portale hinzu. Für Travel Viva, dessen Umsatz 2014 mit circa 230 Millionen Euro beziffert wurde (billigflug.de, airline-direct.de), 2014 erstanden, dürften viele Millionen Euro geflossen sein. Ähnlich spendabel soll er sich beim Kauf eines eher unnützen Leipziger Reiseportals gezeigt habe, das er "zu völlig überteuerten Millionen-Preisen" erstanden hatte, wird heute noch kolportiert. Geld, das er gut gebrauchen hätte können, um die HANSE MERKUR auszubezahlen. Doch Größe und Wachstum war für Thomas Wagner alles.

Auch wenn das HANDELSBLATT damals, 2015, von einer angeblich „faustischen“ Beziehung zwischen Unister und dem Versicherungsriesen Hanse Merkur faselte: Wirklich faustisch war der Gangster Levy Vass, der Wagner in Venedig übers Ohr haute und damit letztlich Unister zu Fall brachte:

Der Kopf des Verbrechens Levy Vass und seine gefälschten Pässe

Vass: Ein Herr um die 60. Er soll nicht viel größer als Wagner gewesen sein. Also circa 1.72 bis 1.76 Meter. Zudem soll er einen guten gepflegten Eindruck gemacht haben. Vass soll zunächst Wagner und Schilling seinen gefälschten Pass vorgelegt haben. Zudem soll Vass dann urplötzlich, wie er das immer bei solchen Schurkenstücken macht, aufs Tempo gedrückt haben. Denn Tempo erhöht bekanntlich die Unachtsamkeit dessen, der plötzlich diesem Tempo und damit Stress, ausgesetzt wird.

Doch die Eitelkeit und scheinbare Korrektheit des Gauners Levy Vass, gepaart mit Charme, war nur Schminke. Mieser Schein. Denn der elegante Herr ist offensichtlich geübt im jahrzehntelangem Trickdiebstahl und schweren räuberischen Betrugs im Rahmen schwerer Organisierter Bandenkriminalität. Dreh und Angelpunkt sollen nach diversen Hinweisen perfekt mehrsprachige Sinti und Roma in Kroatien oder Serbien sein. Sie arbeiten länderübergreifend und sind darin historisch geübt. Denn nur durch eine maximale Mobilität konnten viele von ihnen in den vergangenen Jahrhunderten überleben.

So berichtete die BILD Leipzig 2019 über den Absturz des UNISTER-Chefs Thomas Wagner und seines Jugendfreundes und Co-Gesellschafter Oliver Schilling. Der Typ oben Rechts hinten soll ebenfalls ein Levy Vass sein - am Tag nach Wagners Tod. Die Hotelaufnahme zeigt ihn im Umfeld eines Rip Deals an mehreren Serben in Zagreb. Er hatte diesen versprochen, er kaufe deren Goldbarren 20 Prozent über dem Marktwert liegend ab. Am Ende blieben auch sie auf einem Haufen Spielgeld sitzen. Die beiden Männer werden gesucht. Ist das auch der Mann, der Thomas Wagner ausraubte?

Ein Drehkreuz für europaweit in zahlreichen Geschäftsfeldern eingefädelte Rip Deals ist Mailand. Der Ort liegt geschickt in der Nähe zu Österreich, Deutschland, Schweiz und auch die Niederlande, Frankreich oder Belgien sind schnell erreicht. Alles Länder, in welchen die Rip Deal Mafia besonders erfolgreich aktiv ist. Rip kommt von "raub", beziehungsweise "über den Tisch ziehen", "betrügen", "stehlen", "ergaunern". Sie machen sich die Globalisierung und das Schengener Abkommen ganz besonders zu eigen.

Callcenter operieren von der italienischen Justiz unberührt von Mailand aus

Neben der angeblichen Kreditvermittlung gehören zu den Betrügereien: Immobilienankäufe, welche über Portale wie immobilienscout24.de etc. angebahnt werden. Auch Bitcoins gehören dazu, wobei auch hier die Kontaktaufnahme über entsprechende Portale gemacht werden, teils auch über eher windige Portale der virtuellen Coins. Auch Luxusautos gehören zur Zielgruppe (über mobile.de, tutti.ch oder autoscout24.de etc.).

Ein weiteres Geschäftsfeld sind Luxusyachten (über einschlägige Zeitschriften, Portale), Juwelen, Pferde. Gezielt nach Opfern gescannt werden auch Investitions-Gesuche auf entsprechenden Investitions-Gesuche-Plattformen. Die Täter behaupten dann häufig, sie seien arabische Scheichs aus London, Mailand, Dubai, Rom und würden für die Ehefrau oder die Enkel irgendwo noch investieren wollen. Eben alles Geschäfte, die nach Geld riechen.

In Mailand, Turin oder Rom soll es ganze Callcenter geben, deren Job es ist, übers Telefon oder E-Mail (oft über Gmail-Adressen) potentielle Kunden anzurufen oder anzuschreiben. Tausende sollen in die Vermittlung, Anbahnung und Umsetzung von Rip Deals in der EU verwickelt sein. Die Märchen, welche man den Opfern auftischt, reichen den Gebrüdern Grimm zu Ehre. Die italienische Polizei schaut seit Jahrzehnten zu, macht fast nichts - oder verdient vielleicht mit.

Seit über 20 Jahren floriert das Geschäft. Milliarden Euro dürften durch diese Art der Organisierten Kriminalität in die Gangster-Hände geflossen sein. Deren Köpfe und Clans leben in großen schlossartigen Anwesen - in Serbien, Kroatien oder Rumänien. Die betroffenen Regionen, Länder, dürften sich zwar des Öfteren wundern, woher der Reichtum kommt. Doch wird da gerne geschmiert und weggeschaut. Oft wehren sich die Opfer nicht mit Anzeigen, da es ihnen peinlich ist, auf solch üble Trick-Gaunereien hereingefallen zu sein. Ein Kardinalfehler.

Obendrein haben sie Angst, dass man ihnen dann einen Strick daraus drehen könnte, sie wären in Geldwäschegeschäfte verwickelt. Da die Rip Deal-Gangster die Opfer in der Regel ins Ausland mit viel Geld locken, haben die Opfer zudem Sorge, dass die Polizei dann behauptet, man sei in Geldwäschegeschäfte verwickelt. Denn offiziell darf man beispielsweise nach Italien nur 10.000 Euro in bar mitnehmen. Alles andere muss angemeldet und verzollt werden. Die perfekte Falle eben.

Oft sind die Opfer Unternehmer, gutes Bürgertum oder andere Wohlhabende oder ursprünglich einmal Wohlhabende. Jedenfalls Leute, die schnell Geld brauchen oder hoffen, auf die Schnelle ihr Geld vermehren zu können. Vor allem sind es Leute, die Angst vor Skandalen haben, die öffentlich werden könnten - in Medien oder dem unmittelbaren Umfeld: Der Familie, der Firma.

Doch ohne Strafanzeige keine Ermittlungen, keine Täterüberführung. Kriminalitätsstellen wie in Wien sind weltweit führend in der Ermittlung rund um Rip Deals-Gangsterstücke. Dank dortiger engagierter Kriminalitätsbeamten und Gerichte. In Deutschland bemühen sich noch Bayern oder Baden-Württemberg um Aufklärung. In Sachsen macht man sich mäßig an das Thema heran. In vielen anderen Bundesländern sitzt man das Thema gerne aus und stellt Verfahren schnell wieder ein. Bloß keine Arbeit, denkt so mancher Staatsanwalt, so manche Staatsanwältin offensichtlich. Schwer von Rip Deals betroffen sind neben Österreich oder Deutschland auch die Schweiz, ebenso die Niederlande.

Jedenfalls hatte der gebrochen deutsch sprechende Levy Vass von einem Copy shop im kroatischen Split den angeblichen „Kreditvertrag“ an Wagner gemailt. Die Kriminalpolizei konnte das später anhand einer IP-Nummer rekonstruieren. Was zeigt, dass Vass nicht sonderlich geübt ist im Umgang mit IT.

Falschgeld, beziehungsweise Spielgeld in der Mitte gebündelt, so dass man Faksimile nicht sieht

Während die Rip Deal-Bande unter „Levy Vass“ Thomas Wagner in Venedig die 1,5 Millionen Euro stahl, drehte sie dem berühmten Internetstar in einer zirkusreifen Zaubernummer einen Koffer an. Darin: Angeblich bis zu 15 Millionen Schweizer Franken. Problem: Es war fast alles in der Mitte fein gebündeltes Falschgeld, beziehungsweise rechtlich erlaubtes Spielgeld. Der Schriftzug „Faksimile“ war so nicht zu sehen. Nur die oberste Schicht war Echtgeld. Dabei gilt das blitzgescheite Arbeitstier Wagner, den viele für ein Genie halten, alles andere als leichtgläubig und naiv.

Während des üblen Betrugdeals auf dem Parkplatz von Venedig soll der rotzfreche Vass Schilling ins Hotel geschickt haben. Er solle nicht stören. Und da Wagner James Bond-Nummern liebte, hatte er diesem schwerwiegenden Fehler zugestimmt. Nämlich, dass bei solchen Summen, wie der Übergabe von 1,5 Millionen Euro an einen angeblichen Geschäftsmann natürlich ein Vieraugen-Prinzip gilt. Dass also nicht nur einer vor Ort ist, sondern mindestens zwei Zeugen. Besser drei und dass solche Deals natürlich diskret gefilmt werden sollten. Doch auch das will geübt sein, da gute Aufnahmen nicht so einfach sind und die Täter auch damit rechnen. Deshalb wählen sie meist schlecht einsehbare Ecken für ihre Schurkenstücke aus und drehen sich ständig während des Deals hektisch von einer Ecke in die andere. Vor allem ändern sie auch schnell die komplette Location.

Die 1,5 Millionen Euro hatte Wagner in seinem alten blauen Rucksack dabei, den er auch bei Unister seit Jahren täglich bei sich hatte. Die Nacht vor dem Betrug in Venedig hatte er noch im Leipziger 5-Sterne Hotel „Steigenberger Grandhotel Handelshof“ eingecheckt und dort wohl eher unruhig genächtigt. Wahrscheinlich wohlwissend, dass am Tag darauf die Reise nach Venedig zu einem ungewöhnlichen Geschäftsdeal anstand.

Rainer Calmund in Dresden

In dem Leipziger Steigenberger hatte Wagner zwei Jahre zuvor noch mit seinem langjährigen FLUEGE.de-Werbetestimonials RAINER CALMUND sowie seinem langjährigen Medienchef in ausgelassener Stimmung gefrühstückt. Ein Fotograf der BILD-Zeitung war zugegen gewesen. Fußball-Star Calmund war dort abgestiegen, da er bei der GENERALSTAATSANWALTSCHAFT SACHSEN und der dortigen umstrittenen INTEGRIERTEN ERMITTLUNGSEINHEIT SACHSEN (INES) zu UNISTER aussagen sollte. Die Staatsanwälte (Dr. DIRK REUTER, ANDREAS GÜNTHEL) sollen von Calmund so begeistert gewesen sein, dass sie nach der Anhörung sogar angeblich Fotos mit ihm haben wollten, wird berichtet. Also eine Art Selfies.

Wagner dachte, mit 1,5 Millionen Euro in bar sei ein Hotelzimmer mitten in der City von Sachsens Metropole Leipzig sicherer, als zu Hause in seiner Privatwohnung in Leipzig Gohlis unterm Dach - ohne Aufzug.

Ein in die kriminellen Machenschaften involvierter Hauptschurke, der in Nordrhein-Westfalen lebende Wilfried Schwätter, wurde vom Landgericht Leipzig 2017 zu einer mehrjährigen Haft ohne Bewährung verurteilt.

Gauner Schwätter

Schwätter: Ein Mann, einstmals jähzornig, poltrig und andere Menschen „dumm-dreist bevormundend“, wie jemand sagt, der ihn kennt. Er mache gerne einen auf Großkotz im Anzug und auf Allmächtig. Er tue so, als kenne er sich mit allem aus - selbst mit Seltenen Erden, sagt ein Opfer von ihm. Schwätter behauptete bis zu letzt, ihm sei nicht klar gewesen, dass er Mittel zum Zweck eines Millionenbetrugs gewesen sei.

Allerdings hatte Schwätter wenige Tage vor Wagners Tod andere Opfer für einen fast gleichen Rip Deal in Sloweniens Hauptstadt Ljubljana gelockt und zwar am 29. Juni 2016. Hier half er, dass diese weiteren Opfer in einem Hotel mit dem Namen „Ahotel“ abgezogen wurden. [3] Haupttäter der kriminellen Bande war wieder ein angeblicher „Levy Vass“. Unter den Opfern war die erfolgreiche nordrhein-westfälische Immobilien-Projektentwicklerin Susanne A., sowie vier Deutschgriechen aus Dortmund, darunter ein Alexander K. (Alex K.).

Das AHotel in Slowenien bei Nacht. Das Hotel liegt in einer wenig vertrauensvollen Nebenstraße Nahe der Autobahn Richtung Kroatien, Serbien.

Der schick gekleidete eitle Mann, der sich als Levi Vass schon seit Monaten seinen Opfern gegenüber ausgegeben hatte, log seinen Opfern im Vorfeld der ebenfalls zirkusreifen Zaubernummer rund um Trickdiebstahl vor, er sei ein diskreter israelischer Milliardär. Seine Familie sei im Diamantenhandel in dritter Generation tätig. Deshalb könne er Privatkredite in Millionenhöhe geben. Die gleiche Geschichte hatte man Wagner aufgetischt.

Die Lloyds Kreditversicherung, die Vass mit einem Notar und seinen Opfern abschließen wollte

Als Sicherheit für einen 1,2 Millionen Euro Privatkredit für Susanne A. benötige er, so der Profi-Kriminelle, von der deutschen Geschäftsfrau aber eine Sicherheit. Als Sicherheit wolle er eine bei einem Notar abgeschlossenen Kreditausfallversicherung. Also eine Kreditversicherung. Diese springe ein, wenn der Schuldner dem Gläubiger, also Vass, die Raten auf Grund finanzieller Engpässe doch nicht mehr bezahlen könne.

Solche Versicherungen müssten aber anbezahlt werden mit einem bestimmten Prozentsatz der Kreditsumme. Vass nannte die Summe von rund 10% in bar und zwar 115.000 Euro. Dieses Geld wolle allerdings nicht er, sondern müsse dann einem Notar überreicht werden. Hier habe Vass bereits einen Termin im vereinbarten Treffpunkt, also im Ahotel, eingetütet. Der Notar stelle im Gegenzug eine Police zur Kreditversicherung aus.

Das Geld solle dann notariell quittiert dem Versicherungskonzern umgehend überwiesen werden. Im Gegenzug erhalte dann innerhalb von drei bis vier Tagen Susanne A. ihren 1,2 Millionen Euro Kredit überwiesen durch eine Auslandstransaktion. Um sie in Sicherheit zu wiegen, erzählte Vass ihr, erhalte sie beim Notar schon mal 300.000 Euro in bar als Kreditanzahlung, sobald alle Notar-Formalien erledigt seien. Soweit die These, die man gut vorbereitet erzählte.

Auch Prominente schließen bei Konzernen wie Lloyds ihre Risiken ab

Richtig ist: Im Markt gibt es zahlreiche Versicherungen, die Kreditversicherungen anbieten. Vass nannte gewieft gleich eine der bekanntesten: Die Lloyds Banking Group of London. Gegen sie wurde erst kürzlich wegen Kunden unnötig verkaufter Kreditversicherungen eine Millionenstrafe verhängt.

Der Versicherungskonzern Lloyds ist dafür bekannt, dass er komplizierte Risiken versichert. Neben Krediten sichert er auch Prominente ab: Den Busen von Schauspielerinnen. Die Beine von Fußballstars. Zwar darf Lloyds solche Geschäfte nicht ohne weiteres in Deutschland anbieten. Doch erzählte Vass, er habe eben in Italien über einen Notar eine Lösung. Auch in Deutschland behaupten zahlreiche Versicherungsmakler, sie könnten helfen, wenn jemand so eine Versicherung bei Lloyds wolle.

Das Problem bei Susanne A. war nur: Plötzlich behauptete Vass, der Notar komme doch nicht und sei verhindert, stoße aber später hinzu. Also ein ähnliches Märchen, wie man es Internet-Unternehmer Thomas Wagner in Venedig erzählt hatte.

Im Vorfeld der Anreise des Notars, sagte der Mann mit dem erlogenen Namen Levy Vass zu Susanne A., wonach er mit ihr schon mal alles vertraglich vorbereiten wolle. Um Vertrauen zu schaffen, duzte er sie freundschaftlich-kumpelhaft. Dann legte er Susanne A. sowie den ebenfalls vor Ort befindlichen Deutschgriechen die vorbereiteten angeblichen Darlehensverträge mit dem Passus der angeblichen Kreditversicherung vor. Alle lasen das durch und unterschrieben brav, auch Vass.

Die Geschichte mit dem Millionen Privatkredit über einen angeblichen Levy Vass hatte der angebliche "Kreditvermittler" Schwätter Susanne A. ein Jahr zuvor bereits angeboten. Susanne A. hatte das aber immer wieder abgelehnt mit den Worten, solche Privatkredite seien doch Quatsch. Das könne es so nicht geben.

Doch Schwätter bearbeitete sie beharrlich ein Jahr lang beharrlich und rief immer und immer wieder an. Er erzählte auch Geschichten davon, wonach er diesen Vass angeblich schon 17 Jahre kenne. Auch habe er schon seine Enkel gesehen und mehrere Privatkreditanfragen mit Vass zu einem angeblich guten Ende gebracht, erzählt Susanne A. Schließlich erhoffe auch er, Schwätter, bei erfolgreichen Abschlüssen auf eine Provision in Höhe von bis zu 20% erzählte er.

Schließlich ließ sich die Geschäftsfrau breitschlagen und auf den dubiosen Auslandsdeal ein. Zuvor hatte sie sich beim einem Banker und Rechtsanwalt beraten lassen. Und beide hätten ihr signalisiert, sie hätten mit Vass schon einmal gearbeitet und es wäre alles angeblich gut gegangen. Auch seien solche Kreditversicherungen bei Unternehmen wie Lloyds bekannt und üblich, betonten auch sie. Was in gewisser Weise eben stimmt.

Susanne A. hatte ursprünglich einen Kredit bei ihrer Bank aufnehmen wollen. Doch diese war nicht bereit gewesen, ihr für ihr Immobilienprojekt einen Kredit in Höhe von 1,2 Millionen Euro zu geben.

"Levy Wiaiss" und seine Pass-Theatereinlage

Das Duo Infernale, der Mann, der sich "Levy Vass" nannte und sein Helfer Wilfried Schwätter, bearbeiteten also im Ahotel gemeinsam Susanne A., als auch die Deutschgriechen. Beide Gruppen sollten ihr Bargeld rausrücken. Susanne A. hoffte auf ihre 1,2 Millionen Euro. Die Deutschgriechen hofften auf den versprochenen Privatkredit von Vass in Höhe von 3 bis 5 Millionen Euro.

Am Ende gaben und verloren sie all ihr mühevoll über die italienische Grenze geschmuggeltes Bargeld. Insgesamt 450.000 Euro. Während Schwätter Susanne A. ihre 115.000 Franken einfach entrissen hatte und Vass in die Hand gegeben hatte, hatte Vass die Deutschgriechen in seinen alten blauen Jaguar auf dem Hotelhof dirigiert. Alex K. und sein griechischer Kumpel nahmen auf der Rückbank Platz.

Vorne saßen Vass und sein Fahrer. Vass machte auf Tempo, die Griechen sollten ihm endlich die Sicherheiten für Lloyds geben, sonst werde das nichts mit dem Kredit in Höhe von 3 bis 5 Millionen Euro. Er müsse nämlich gleich weiter. Wie zwei Schulbuben holten sie aus Socken, Unterhosen, T-Shirts Bündel von Geld hervor und reichten es vor zu Vass. Der nahm es dankend entgegen. Am Ende gaben sie ihm 350.000 Euro. Dann stiegen sie aus und Vass brauste mit seinem Fahrer davon. Die 350.000 Euro waren futsch.

So wie Wagner mit der gleichen Lloyds-Geschichte seine 1,5 Millionen verloren hatte. Da half auch nicht, das "Levy Vass" ihnen zunächst seine Pässe vorgelegt hatte.

Susanne A. hatte vor dem Raub einen gefälschten israelischen Pass mit dem Namen "Levy Wiaiss" ausgehändigt bekommen, was so klang wie "Levy Weiss". Dies wunderte sie noch, da sie immer von dem Namen "Vass" ausgegangen war. Die Deutschgriechen hatte Vass dezent zur Seite genommen und ihnen einen italienischen Pass vorgelegt. Natürlich waren beide Pässe gefälscht. Keines der Opfer war geistesgegenwärtig wenigstens den Pass abzufotografieren.

Den gleichen Darlehensvertrag mit der angeblich notwendigen Kreditsicherungs-Passage für den Versicherungskonzern hatte Levy Vass auch Unister-Chef Thomas Wagner vorgelegt. Dieser hatte den „Vertrag“ der Unister-Hauskanzlei CMS Hasche Sigle gegeben, die ihn in ihrer Frankfurter Dependance überprüfen hatte lassen. Der zuständige Anwalt hatte den „Vertrag“ mehr oder weniger durchgewunken. Ein Fehler ohne Ende. Hätte der zuständige Anwalt im Netz etwas recherchiert, hätte er leicht entdecken können, dass das Ganze nach einem kriminellen Rip Deal gerochen hätte.

Ahotel in Slowenien will angeblich nichts wissen

In diesem Schurkenstück verlor die deutsche Geschäftsfrau Susanne A. nicht nur 115.000 Euro. Obendrein brachte Vass und seine Bande sie damit um ihre Existenz. Denn als ihr Geld weg war, drohte ihr plötzlich eine Insolvenz. 20 Jahre zuvor schon hatte sie den gut laufenden Getränkegroßhandel der Eltern verkauft und sich fortan als erfolgreiche Immobilien-Projektleiterin einen Namen gemacht.

"Es ging alles so schnell", sagt noch heute Opfer Susanne A. und schüttelt den Kopf, wie sie sich nur "dermaßen verarschen lassen" hatte können.

„Alex K.“ aus Dortmund soll später mehr oder weniger im Gerichtsverfahren gegen Schwätter untergetaucht sein und sich bis heute weigern an der Aufklärung des Kriminalstücks mitzuhelfen, wird gesagt. Gerüchte besagen, er hätte Vass in Mailand mit robusten Methoden aufgelauert und ihn mit Helfern dazu gebracht, das ganze Geld oder Teile wieder zurückzugeben. Ob das wahr ist oder nicht, ist nicht bekannt.

Das Ahotel in Slowenien selber behauptet, man habe von den ganzen Betrugs-Vorgängen im Hotel sowie auf dem geräumigen Parkplatz, von internationalen Reisenden genutzt, angeblich nichts gewusst und nichts mitbekommen. Filmaufnahmen gebe es angeblich auch keine. Das Hotel liegt in einem wenig vertrauenserweckenden Nebengebiet in der Nähe einer Transitautobahn, die hinunter Richtung Kroatien und Serbien führt in die dortigen Urlaubsgebiete. Die Hotellage ist also ideal, um schnell flüchten zu können. So wie es „Levy Vass“ denn auch in einem uralten königsblauen Jaguar tat. "Wir haben ihn nicht mehr gefunden, er war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt", so Susanne A.

Immerhin erreichte Kreditschwindler Schwätter noch während der Auto-Verfolgungsjagd den Gangster Levy Vass, beziehungsweise Levy Wiaiss. Da er es liebt, falsche Fährten zu legen, behauptete der Mafia-Vertreter, er sei in das 15 Minuten entfernte "Radisson Blu Plaza Hotel Ljubljana" gefahren. Dort warte er auf Susanne A. und die Deutschgriechen. Später log Levy Vass, dessen Verhalten etwas psychopathisches habe, wie ein Psychologe sagt, er warte in Rom auf die Betrogenen. Dann in Bergamo oder Mailand. Susanne A. folgte ihm immer wieder, gab dann aber schließlich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehend auf. Die Hoffnung, über Telefonnummern von Vass diesen ausfindig zu machen, verliefen im Sande.

Grund: Er nutzte und nutz Dutzende billige Prepaid-Handy-Nr. aus allen möglichen Ländern. Die kaufen er und seine aus Italien international agierende Mafia-Bande in der Regel von völlig Unbeteiligten ab. Beispielsweise von Asylanten. Das macht eine Nachverfolgung der dirty Handys fast unmöglich.

Generalstaatsanwaltschaft Sachsen bislang erfolglos - trotz DNA von Levy Vass

„Levy Vass“ soll bis heute unter anderem Namen in Europa mit zahlreichen gefälschten Pässen und grenzüberschreitenden italienisch, deutsch, griechisch, serbisch, kroatisch, rumänisch, niederländisch oder französisch sprechenden Helfershelfern sein kriminelles Unwesen treiben.

Die GENERALSTAATSANWALTSCHAFT SACHSEN war mit ihrer INTEGRIERTEN ERMITTLUNGSEINHEIT SACHSEN bislang nicht in der Lage, trotz DNA von „Levy Vass“, diesen Kopf der Organisierten Kriminalität zu schnappen. Stattdessen schiebt sie die Aufklärung von Schreibtisch zu Schreibtisch:

Vom Dresdner Staatsanwalt DIRK REUTER zu Staatsanwalt Dr. CHRISTIAN SEIFERT und von dort weiter an Oberstaatsanwalt ARNULF BERNER, der sich bislang, wie ein Insider sagt, „nicht gerade vor Aufklärungstätigkeit" überschlage. Vielmehr versuche er die Opfer hinzuhalten – „offensichtlich eher mit der Strategie der Marke Nichtstun“, kommentiert einer, der mit dem Fall gut betraut ist. Doch auch das ist passé: Mittlerweile ist Frau Gruppenleiterin (GL), Staatsanwältin (GL) SCHMERLER-KREUZER zuständig. Der für das Unister-Ermittlungsverfahren zuständige Staatsanwalt DIRK REUTER selbst arbeitet nicht mehr bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, sondern ist nur noch bei der Staatsanwaltschaft Dresden aktiv. Einige wundert das nach dem UNISTER-Ermittlungs-Desaster nicht.

Ein alter Schlager der deutschen Gewinnerin des Grand Prix de la Chanson d'Eurovision, von Nicole, passt auch auf einen der erfolgreichsten deutschen Internetunternehmer der vergangenen 20 Jahre, nämlich auf Wagner:

„Flieg' nicht so hoch, mein kleiner Freund. Die Sonne brennt dort oben heiß. Wer so hoch hinaus will, der ist in Gefahr. Flieg' nicht so hoch, mein kleiner Freund. Glaub' mir, ich mein' es gut mit dir. Keiner hilft dir dann, ich weiß es ja, wie's damals bei mir war…“, lauten die melancholischen Song-Zeilen von Nicole.

Traurig, aber oft wahr. Kurz vor seinem Tod hatte Jungunternehmer Wagner mehrere Verkaufsangebote seines Unternehmens, die bis zu 900 Millionen Euro reichten, abgelehnt. Grund: Er wollte unbedingt Milliardär werden und wäre damit neben OLIVER SAMWER vom Berliner Internetunternehmen ROCKET INTERNET einer von gerade einmal drei Deutschen gewesen, die den Milliardärs-Status seit dem Aufkommen des geschäftlich bedeutenden Internets, seit 1995, in Deutschland, Österreich oder der Schweiz geschafft hätten.

Es ging Wagner aber auch darum, sein Baby nicht loslassen zu können. Mehrere Insider berichten, wonach Wagner im Schnitt Minimum sechs Tage die Woche gearbeitet habe - im Schnitt von morgens 9.30 Uhr (ein Frühaufsteher war er nicht) bis abends 23 Uhr. Dazwischen machte er meist pünktlich von 12.30 bis 13.30 Mittagspause. Er gönnte sich im Schnitt nur ein bis zwei Wochen Urlaub im Jahr. Das heißt: Für sein Unister hatte er seit der Gründung bis zu seinem Tod gut über 65.000 Stunden geschuftet.

Dem Caye Clubs gehörte die Piper 32 ursprünglich - Ein Eigentümer wurde wegen Millionenbetrugs verurteilt

Das Flugzeug, in dem Wagner umgekommen war, ist in den USA zugelassen. Es gehörte einst einem " Caye"-Clubs. Das "Caye" (steht für Cayman Islands) ist auch auf dem Flügel des Wagner-Flugzeugs zu sehen. Ein Eigner des Cay Clubs wurde in den USA wegen Rip Deal Geschäften im Millionenbereich zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Nicht klar ist: Wie kam das Flugzeug nach Deutschland? Wie war es versichert? Wurde es möglicherweise kurz vor dem Flug nach Venedig umversichert? Und wer erhält jetzt die Versicherungssumme für den Absturz des Flugzeugs? Eine weitere offene Frage:

Warum soll es im Umfeld von Kreditvermittler Wilfried Schwätter vor dem Abflug von Wagner geheißen haben, der Flug nach Venedig solle der letzte Flug des 73-jährigen Piloten vor der Rente werden? Gab es diese Aussage oder war es Phantasie? Der letzte Flug war es jedenfalls. Die Behauptung, es habe schon vor Abflug geheißen, es sei der letzte Flug des 73-jährigen, will Rip Deal-Opfer Susanne A. erfahren haben. Von Schwätter. Zudem sagt sie: Schwätter habe ihr erzählt, wonach Thomas Wagner ihn, Schwätter, in der abgestürzten Piper 32 angeblich von Leipzig kommend in Dortmund habe abholen wollen an jenem 13. Juli 2020.

Die größte slowenische Boulevardzeitung, Slovenske novice, fragte 2018 in einer Titelgeschichte: Beruht der Absturz von Wagners Flugzeug auf Sabotage?

Dass aber Schwätter nicht nach Venedig mitfliegen habe wollen, da er angeblich privat verhindert sei. Ähnliches sagte ein weiterer Kreditvermittler, der in der langen Kette dubioser Gestalten ebenfalls eine Rolle spielte: Karsten-Dairek K., ein ehemaliger Leipziger Filialleiter der DKB-Bank. Auch er hatte nicht mitfliegen wollen, da seine Frau angeblich Flugangst habe. Er fuhr deshalb mit seinem Auto nach Venedig - und überlebte so.

Nicht klar ist: Hat Wagner ihn getroffen? Wo war Karsten-Dairek K. bei der Geldübergabe in Venedig?

Auch diese Frage steht noch im Raum: Susanne A. erzählt, wonach man ihr in der Dresdner Staatsanwaltschaft erzählt habe, dass am Abend vor dem Abflug auf dem Flughafen von Venedig sich eine Person an der Piper 32 zu schaffen gemacht habe. Davon gebe es angeblich Filmaufnahmen. Diese habe aber die Kriminalpolizei und der zuständige Staatsanwalt in Venedig lange Zeit nicht rausrücken wollen. Bis heute ist nicht klar: Wer war die Person und was machte sie am Flugzeug? Oder ist das nur ein Gerücht?

Gleiche Falschgeldnummer von Levy Vass 2016 tauchte auch in Rumänien 2017 auf

Ein Mann mit dem Namen Levy Vass machte derweil am Tag des Todes von Thomas Wagner in Zagreb in Kroatien in einem Hotel seinen nächsten Rip Deal: Er betrog mehrere Serben um Goldbarren im Wert von 70.000 Euro. Ihnen hatte er versprochen, er kaufe das Gold zu einem Preis, welcher 20% über dem Marktwert liege.

In Zagreb wurde dieser Fall am 15. Juli 2016 unter Aktenzeichen (Arsenal): 511-19-29-29/3-K- 629 / 2016. Stichwort: Betrug und Geldfälschung über Einhundert dreiundvierzig (143) Papier-Banknoten in der Stückelung von 500 EUR. Auf jeder Banknote stehe L09811554278. Opfer ist der rumänische in Slowenien lebende Staatsbürger Cvetko Pe.

In dem Protokoll aus Zagreb, das Netz-trends.de vorliegt, heißt es:

"Von der Person werden die folgenden Gegenstände vorübergehend beschlagnahmt: 1. einhundertdreiundvierzig (143) Papierbanknoten in Stückelungen von 500 EUR mit gedruckter Seriennummer L09811554278. L09811554278 auf jeder Banknote. "

Interessant: Diese Art von Falschgeld tauchte auch in Rumänien auf, teilte das "Territorial Service of Border Police Tulcea" aus Rumänien 2017 mit. So führt das Portal jurisprudenta.com aus, das wiederum darauf verweist, man habe diese Information vom rumänischen Gerichtsportal http://portal.just.roübernommen.

Unter der Dateinummer: i 2315/88/2017 mit Datum vom 25.10.2017 und Verweis auf das rumänische Gericht von Tulcea, Kriminalabteilung, habe man eine besondere Beschlagnahme (Art. 315 Buchstabe c NCPP) durchgeführt in der Kategorie "Verbrecher":

„Die Sitzung vom 05.12.2017 um 09:00 Uhr. Vollständig: CPF3 gebe die Anfrage zu: Gibt den DIICOT-Vorschlag zu -Tulcea Territorial Office. Gemäß der Kunst. 5491 Abs. 5 lit. b der Strafprozessordnung gemäß Art. 112 Buchstabe a des Strafgesetzbuchs ordnet sie die Beschlagnahme einer Banknote mit einem Nennwert von 500 EURO mit der Serie L09811554278, Ausgabe 2002, Drucknummer D001E3, gefälscht und ohne, bei Tranulea Elena an Umlaufwert. Mit dem Recht, innerhalb von 3 Tagen nach der Mitteilung Berufung einzulegen. Lieferung in öffentlicher Sitzung am 05.12.2017. Endgültiger Abschluss der Desinvestition 163/2017 vom 05.12.2017. "

Das bedeutet: Es gibt eine Spur zwischen einem Levy Vass in Venedig, einem Levi Vass in Slowenien, einem Levi Vass in Kroatien und nun auch Rumänien.

Von jenem Levy Vass gibt es Videoaufnahmen und Fotos. Eines davon veröffentlichte unter anderem die BILD Zeitung Leipzig (unser Screenshot). Auch Netz-trends.de liegen diese Aufnahmen vor. Ebenso der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden. Passiert ist auch da bislang nichts weiter, wie es scheint.


In den nächsten Folgen:

Aufstieg von Unister

Levy Vass, beziehungsweise "Levy Wiaiss", wie er sich auch schrieb und seine gefälschten israelischen, italienischen und sonstigen Pässe

Wem das Flugzeug, das man Thomas Wagner vermittelt hatte, ursprünglich gehörte und die Spuren in die USA

[1] Internetfirma Unister Das Himmelfahrtskommando, in: Handelsblatt.com vom 10.8.2015. Abgerufen am 15.7.2020.

[2] Unruhe bei Hanse Merkur Millionenkredit an Portalbetreiber Unister wackelt, in: Handelsblatt.com vom 29.10.2015. Abgerufen am 15.7.2020.

[3] Jagd nach Levy Vass Die Masche des Unister-Täuschers, in: DER SPIEGEL vom 27.08.2016. Abgerufen am 15.7.2020.

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