Gastro-Tests Hygienemängel-Darstellung Internet zu Restaurants, Gaststätten, Kneipen: Gericht verbietet Internet-Pranger

Erstmals hat nun ein Gericht - das Verwaltungsgericht Karlsruhe - die Veröffentlichung von Hygienemängeln in der Gastronomie im Internet durch die Stadt untersagt. Ein Wirt hatte per Eilantrag erfolgreich geklagt. Doch: Mit dem Urteil untergräbt nach Meinung von Beobachtern das Gericht den von der deutschen Bundesregierung gewollten freien Zugang zu wichtigen Informationen rund um gesundheitsgefährdendes Verhalten in der Lebensmittelindustrie, wozu auch die Gastronomie gehört. Sie möchte im Rahmen des Verbraucherschutzes Restaurants, Gaststätten, Kneipen, Cafés oder sonstige Gastrobetriebe stärker kontrollieren und es ermöglichen, dass Prüfergebnisse transparent im Internet bekannt gegeben werden. Viele sprechen vom "Hygienekontrollgesetz". Doch lautet das eigentliche Gesetz, welches seit dem 1. September 2012 gilt, anders: Die Rede ist vom "Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation" (VIG).

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Die einen reden vom Internet-Pranger, wenn Kontrolleure Hygienemängel in der Gastronomie feststellen und das im Internet publizieren, die anderen von gerechter Verbraucherinformation.

Demnach habe "jeder... Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten... von einem Erzeugnis oder einem Verbraucherprodukt ausgehende Gefahren oder Risiken für Gesundheit und Sicherheit". Das umfasse auch die Information rund um "die Zusammensetzung von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten, ihre Beschaffenheit, die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften einschließlich ihres Zusammenwirkens und ihrer Einwirkung auf den Körper...".

Wichtig sei, so das "Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation", dass die "informationspflichtige Stelle" große Freiheiten habe, wie sie beispielsweise Hygiene-Prüfergebnisse bekannt gebe. Sie könne schlicht nur Akteneinsicht gewähren oder aber auch "über das Internet oder in sonstiger öffentlich zugänglicher Weise" darüber informieren. Bedeutend sei, dass "die Informationen... für die Verbraucherinnen und Verbraucher verständlich dargestellt werden".

Soweit so gut. Dennoch deutet sich nun an, dass in der realen Umsetzung des neuen Verbraucherinformationsgesetzes noch so einige Gerichtsauseinandersetzungen den Prozess der Transparenz-Machung rund um Lebensmittel- und Hygieneskandale folgen werden. Denn: negativ Beurteilte werden mit allen Mitteln versuchen, eine Publikation im Internet zu verhindern. So ist es nun in Pforzheim geschehen. Die Allgemeine Hotel und Gastronomie-Zeitung berichtet unter Bezugnahme auf eine dpa-Meldung, wonach nun das Verwaltungsgericht Karlsruhe der Stadt Pforzheim verboten habe, Hygienemängel einer Gaststätte im Internet bekannt zu geben. Das Gericht habe eine zu starke Prangerwirkung im Internet moniert.

Gastrobetriebe haben Angst vor Öffentlichmachung bei Mängeln, fürchten eine Pranger-Funktion

Die Stadt wollte Namen und Anschrift der von ihr negativ getesteten Gaststätte im Internet auf ihrer Seite nennen - inklusive der Prüfergebnisse. Dabei argumentierte die Stadt, sie habe seit dem 1. September 2012 das Recht Hygiene-Prüfergebnisse von Gaststätten transparent zu machen, was das Internet umschließe, sofern die voraussichtliche Bußgeldzahlung mindestens 350 Euro betragen würde.

Zusätzlich zum neuen VIR-Gesetz ergänzte der deutsche Gesetzgeber auch das "Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB)" und zwar konkret den § 40 Absatz 1a. Hier heißt es:

"Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, und, wenn dies zur Gefahrenabwehr geeigneter ist, auch unter Nennung des Inverkehrbringers, nach Maßgabe des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 informieren. Eine Information der Öffentlichkeit in der in Satz 1 genannten Art und Weise soll auch erfolgen, wenn... (diese) dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen.... (auch) vor Täuschung (bewahren)....".

Wie schwierig es in Deutschland ist, umfassend die Verbraucher auch im Lebensmittelbereich zu schützen, zeigt sich daran, dass es beispielsweise der Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP nicht gelungen ist, ein Hygiene-Kontrollbarometer wie Smileys etc. oder eine farbliche Prüf-Ampel durchzusetzen. Dieses war am Widerstand der Wirtschaftsminister der Bundesländer gescheitert.

Doch: Weltweit ist es durchaus nicht unüblich, dass Hygienemängel wirklich transparent gemacht werden - auch im Internet, mindestens aber mit einem sehr großen Warnzeichen an der Türe. So werden beispielsweise Gastrobetriebe in New York geprüft, aber auch öffentlich bei erheblichen Hygienemängeln mit einer roten Warntafel bestraft.

In New York, aber auch weltweit, gibt es Küchen und Restaurants, in denen schon im Lager Ratten, Mäuse, Kakerlaken oder anderes Ungeziefer massenhaft gefunden wurde oder Mitarbeiter aufs Klo gegangen sind und sich ohne gewaschene Hände wieder an die Lebensmittel der Gäste in der Küche gemacht haben. Ein Klassiker in Restaurants sind auch vergammelte Lebensmittel, die dem Kunden heimlich untergerührt werden oder dreckige verschimmelte Töpfe, die seit Wochen nicht gereinigt wurden, aber in denen trotzdem Nudeln und Soßen gekocht werden - ganz nach dem Motto: Die Idioten draußen an den Tischen merken es ja eh nicht.

Dennoch beginnt das neue Verbraucherinformationsgesetz langsam auch im Lebensmittelrecht zu greifen. So listet alleine das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Bayern insgesamt aktuell 77 Betriebe auf, die erhebliche Hygienemängel bei Kontrollen aufgewiesen hätten (Webseiten-Übersicht: http://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/ueberwachung/lgl_aufgaben/lebensmittelwarnungen_informationen/lebensmittelinformationen_tabelle.php).

Die Liste der betroffenen und bemängelten Institutionen ist lang in Bayern: Gaststätten, Asiatische Lebensmittel, Bäckereien, Dönerspieße, Brennereien, Konditoreien, Metzgereien, Fladenbrote, Biersud, Lebensmitteleinzelhandel/Imbiss/Küche, der Verkauf von angeblich "frischen Pfifferlingen 1000g", Bistro/Saftbar, Pizza, Nudelgerichte, mobile Verkaufsstellen, Imbissstand oder ein Türkischer Ayran.

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