Absturzbericht Thomas Wagner von Unister: Horizontale Stabilisator fehlt und Lotsen trödelten

Jetzt gibt es einen ersten wichtigen Zwischenbericht zur möglichen Absturzursache der Piper 32, die am 14. Juli in Venedig von Unister-Gründer Thomas Wagner in Leipzig bestiegen worden war.

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Mysteriös: Wo ist der so wichtige horizontale Stabilisator am Unister-Flugzeug: Brachen ihn Stürme weg oder wurde daran manipuliert und er flog deshalb davon und brachte das Flugzeug zum Absturz?

Der Absturz des Piper-Privatflugzeugs, das Unister nicht gehörte, hatte letztlich das Leipziger Internetunternehmen, das noch vor zwei Jahren von Bloomberg auf einen Wert von einer bis zwei Milliarden Euro beziffert worden war, in die Insolvenz getrieben. Den nun veröffentlichten vorläufigen 16-seitigen Absturzbericht legte Toni Stojčevski vom slowenischen Ministry of Infrastructure und der dortigen Abteilung "Aircraft Accident and Incident Investigation Service" (AAIIS) vor.

Auffällig sei, so Toni Stojčevski, dass bei dem völlig zerstörten Unister-Flugzeug der wichtige horizontale Stabilisator fehle, ebenso das wichtige Höhenruder (beides zusammen nennt man auch Höhenleitwerk).

Ohne diese Vorrichtung kann nicht geflogen werden, die Maschine stürzt ab. Die Piper ist ein Sechssitzer der rund 300.000 Euro kostet, aber über keine Enteisungsanlage verfügt und deshalb für Alpenüberflüge nicht unbedingt geeignet erscheint.

Die slowenische Flugunfall-Stelle sagte jedenfalls, sie benötige den horizontalen Stabilisator, das Höhenleitwerk, des abgestürzten Unister-Flugzeugs, um die Absturzursache etwas genauer untersuchen zu können. Doch habe man trotz zweitägiger Suche in dem Absturzgebiet den horizontalen Stabilisator, das Höhenleitwerk, bislang nicht finden können. Allerdings sagte die slowenische Flugunfall-Stelle auch, sie mache lediglich Untersuchungen an abgestürzten Flugzeugen, um künftige zu verhindern. Sie sei aber nicht dafür zuständig, die Absturzursache - also auch eine mögliche Flugzeug-Manipulation - bis ins letzte Detail zu untersuchen.

In dem abgestürzten Privatflugzeug Piper 32 war neben Unister-Chef Thomas Wagner, 38, auch Unister-Co-Gründer Oliver Schilling (39) tödlich verunglückt. Oliver Schilling hinterlässt seinen Zwillingsbruder Christian Schilling, der ebenfalls Unister-Gesellschafter ist und bei Unister für Google-Werbung für Reiseportale zuständig ist. Ebenfalls hinterlässt Oliver Schilling seine langjährige Ex-Frau mit zwei Kindern und seine Freundin - eine Unister-Mitarbeiterin - mit einem nicht mal ganz einjährigen Kind.

Nach Angaben der slowenischen Flugbehörde gelten folgende Daten für das für Unister von einem Finanzvermittler gecharterte Privat-Flugzeug:

Aircraft manufacturer: PIPER AIRCRAFT, INC. Vero Beach, FL 32960, USA ‒ Manufacturer marking: Piper, PA-32R-301T ‒ Aircraft registration data: N710CC (FAA – Federal Aviation Administration, USA) ‒ Aircraft serial number: 3257358 ‒ Airworthiness validity expiry date: 30 April 20181 ‒ MTOM: 16402 kg

In dem Zwischenbericht heißt es, dass die Maschine faktisch komplett zerstört sei, fast pulverisiert. So schreiben die staatlichen Absturz-Forscher, wonach der Flugzeugkörper, der Motor und das Zubehör zu 100% zerstört seien ohne Chance auf Reparatur. Entsprechend schwierig dürfte auch eine Aussage sein, ob die Maschine wirklich wegen schlechtem Wetter - wie bislang behauptet wird - über Slowenien abgestürzt ist oder wegen eines Anschlags von mafiösen Kriminellen.

Das Höhenleitwerk sind die ganz hinten befindlichen kleinen waagerechten Flügel links und rechts.Wikipmedia Common

Denn wenige Stunde vor dem tödlichen Absturz waren Unister-Gründer Thomas Wagner mit Oliver Schilling unter ominösen Umständen in Venedig von einem Schwer-Kriminellen um 1,5 Millionen Euro bestohlen worden. Das Geld hatten Wagner und Schilling nach Venedig gebracht, um diese Summe als eine Art Kreditausfallversicherung für einen 10 Millionen Euro Kredit anzuzahlen. Doch statt Geld fielen Wagner und Schilling auf fast 10 Millionen Euro Falschgeld, ausbezahlt in Franken, herein.

Nach dem Zwischenbericht zum Absturz seien Wagner, Schilling, ein Kreditvermittler und der Pilot vom Venice Marco Polo Airport (LIPZ) um 10.16 lokaler Zeit am 14. Juli in Italien gestartet und hatten als Zielkoordinate Leipzig airport (EDDP) in Deutschland. Der Flug sei ordnungsgemäß von der italienischen Aufsichtsbehörde an die Slovenian Control übermittelt worden (Kontrola zračnega prometa Slovenije – KZPS).

Um 10.45 habe der Pilot des Unister-Flugzeugs den slowenischen Flugraum geentert, wobei der Pilot den zuständigen KZPS-Fluglotsen gefragt habe, ob er die Route auf Grund starker Bewölkung und drohender Vereisung ändern dürfe ("the pilot then explained he was evading possible icing due to the proximity of a large Cb cloud").

Hat der slowenische Lotse Schuld?

Glaubt man dem slowenischen Flugabsturzbericht, scheint der slowenische Lotse sich aber dann tödliche Minuten Zeit gelassen zu haben, ehe er auf das Anliegen des Piloten des Unister-Flugzeugs eingegangen war. Denn schon um 10.51 - sechs Minuten später - habe der Pilot des Unister-Flugzeugs "Mayday Mayday" gerufen. Sechs Minuten sind in einem Flugzeug, das leicht 300 Stundenkilometer fliegen kann, eine halbe Ewigkeit.

Kurz nach den "Mayday Mayday"-Rufen habe der verantwortliche slowenische Lotse das Privatflugzeug im Radar nicht mehr gesehen, da es offensichtlich abgestürzt war. Die zuständige slowenische KZPS-Behörde habe umgehend mit einer Suchaktion begonnen. Das Flugzeug habe man schließlich 2 Kilometer nord-westlich des slowenischen Örtchens Predmeja in der Region von Ajdovščina komplett zerstört gefunden.

Als Unfallursache wurde zwar noch am Tag des Absturzes Vereisung genannt, doch das scheint sich so bislang nicht zu bestätigen. Die Ursache könnte in den Minuten liegen, währenddessen der slowenische Lotse offensichtlich nicht reagiert hat und dem Piloten nicht zu einer anderen günstigeren Route verhalf. Neben Thomas Wagner und Oliver Schilling von Unister kamen auch der Pilot ums Leben, ebenso ein dubioser Finanzvermittler mit dem Namen Heinz Horst B.

Der 73-jährige Pilot Kurt E. habe entsprechend des Absturzberichts eine "commercial pilot licence" CPL(A) besessen, welche am 20. August 2013 ausgestellt worden war und noch bis 31. Juli 2017 gültig gewesen wäre. Die Gesundheitsprüfung des Piloten sei im Rahmen einer "Medical Certificate Class 1" bewertet worden, ebenso mit einer "Medical Certificate Class 2". Beide Prüfungen seien noch bis Januar 2017, beziehungsweise Juli 2017 gültig gewesen. Insgesamt habe der Pilot über 3911 Flugstunden verfügt.

Sichtverhältnisse

Zu den Wetterverhältnissen schreibt der Zwischenbericht, wonach man am LIPZ Airport einen nördlichen Wind mit circa 20 Knoten verzeichnet habe. Die Sichtweise sei "nicht über 10 Kilometer gewesen". Die ersten Wolken habe man bei 6000 Feet (1829 Meter über dem Meeresspiegel) festgestellt (der Absturzort liegt circa 1000 Meter über dem Meeresspiegel). Um 10.20 Uhr habe man am Flughafen Venedig (bitte auch Kommentar am Textende beachten) die Wolkenverhältnisse als "minimum sector altitude" (CAVOK) klassifiziert. Nach Angaben von Wikipedia bedeutet dies das folgende:

"Eine Wetterklassifizierung als CAVOK besagt, dass gute Sichtflugbedingungen ohne wesentliche Einschränkung vorherrschen."

Trotz der scheinbar guten Sichtverhältnisse gab es entsprechend des vorläufigen Absturzberichtes aber Regenfälle und lokale Stürme, was die Sichtweite im Gebiet zwar nicht unmöglich gemacht habe, aber stark eingeschränkt habe.

Bei den Wolken im Absturzgebiet habe es sich überwiegen um "cumulus congestus"-Wolken gehandelt (TCU) sowie vereinzelt um cumulonimbus (Cb)-Wolken. Vereisung habe aber erst ab einer Höhe von 2800 Meter gedroht, da dort die Temperatur unter Null sei. Allerdings sei es so, dass die Vereisungsgefahr in niedrigeren Höhen dadurch schwächer werden könne, da es im Absturzgebiet starke Regenfälle gegeben habe ("during strong rainfall the altitude with 0oC temperature generally decreases by a few 100 m").

Der Absturz-Zwischenbericht kommt auch zu der Erkenntnis dass zwischen 9 und 10 Uhr faktisch die Wetterverhältnisse in dem vom Unister-Flugzeug angepeilten Fluggebiet so schlecht gewesen seien, dass nach wie vor unklar ist, ob man wirklich im italienisch-slowenischen Grenzgebiet mit einem kleinen Propellerflugzeug hätte fliegen dürfen oder nicht. Jedenfalls hätten dort Sturmzellen bestanden. So steht im Bericht:

"Based on the analysis of sequences in the radar footage, we conclude that the strongest convection formed in the north Primorska from 9 am to 10 am local time; later on, convection activity decreased and rainfall started, particularly showers (figures 10, 11, and 12). A new storm cell developed at the Slovenian border with Italy, i.e. south of Nova Gorica at 11 am local time (figure 12 – red)."

Die Fallgeschwindigkeit des abgestürzten Unister-Flugzeugs betrug ab der Flughöhe 3.700 Metern nach dem vorläufigen Untersuchungsbericht 30 Meter pro Sekunde. Bei 3.048 Metern Flughöhe war die Piper 32 bereits 53,57 Meter pro Sekunde im Freien Fall - also bei 195 Stundenkilometern. Interessant ist, dass Zeugen wiederum sagten, die Maschine sei nicht einfach herabgestürzt, sondern habe sich wiederum in der Luft gefangen, man habe eine Explosion am Motor gesehen und erst dann sei sie in den Wald gestürzt.

Transponder-Daten fehlen

Nach wie vor wartet die slowenische Flugunfall-Behörde auf Auswertungen der Transponder-Daten und der Stimmen-Kommunikation, welche man von ausländischen Radarstationen benötige. Aus welchem Land man sich Hilfe erhofft, ist nicht klar - es könnte sich um Italien handeln.

Über die Wetterverhältnisse schreibt auch die Leipziger Volkszeitung (LVZ), die bereits Montagnachmittag als erste Zeitung über den Absturzreport berichtete und zwar unter Bezugnahme auf Daten der Ljubljana FIR meteorological watch:

"Der Adriastaat kämpft an diesem Morgen mit heftigen Wetterturbulenzen. In Ljubljana warnen die Meteorologen um 9.23 Uhr vor heftigen Gewittern im südwestlichen Teil des Landes. Sie weisen auf eine sogenannte Konvektion hin. Dabei steigt warme Luft nach oben und kalte Schichten sinken ab. Für 11 Uhr werden neue Gewitterzellen erwartet. Der Landstrich ist von dichten Cumulonimbus-Wolken eingehüllt. Sie bilden sich an diesem Tag in rund 1200 Metern Höhe und reichen im Gipfel bis fast 9000 Meter. ‚Die Sicht war durch Niederschläge und Wolken stark reduziert‘, erklären die slowenischen Experten. Auch die Temperatur sinkt. Für gewöhnlich liegt zu dieser Zeit der Gefrierpunkt bei 2800 Metern, durch die Wetterkapriolen sackt er auf rund 2500 Meter hinunter."

Nach wie vor verärgert sind Unister-Mitarbeiter und Freunde des verunglückten Thomas Wagner, dass keine deutschen Ermittler in Slowenien hinzugezogen worden sind. Die Leipziger Volkszeitung zitiert Germout Freitag, den Sprecher der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig mit den Worten: "Wir wurden nicht um Hilfe gebeten".

Eines scheint derzeit nach wie vor zuzutreffen: Der vorläufige Absturzbericht des Unister-Flugzeugs lässt kaum eindeutige Schlüsse über die Absturzursache zu. War es das Wetter, müsste sich auch der slowenische verantwortliche Lotse fragen lassen, warum er das Unister-Flugzeug nicht umgehend umgeleitet hat und den Piloten lange sechs Minuten im Unklaren über seine Route gelassen hat und das, obwohl der Pilot vor Vereisung noch gewarnt hatte.

Experten halten aber nach wie vor Sabotage am Unister-Flugzeug für möglich. Immerhin stand das Flugzeug nach dem Millionen-Betrug an Thomas Wagner eine ganze Nacht in Venedig - einer Hochburg der Mafia. Dass der Horizontale Stabilisator, das Höhenleitwerk fehlt - ein Teil der Flugzeugflosse - gilt derzeit als Problem. Es könnte einerseits durch Winde abgebrochen sein, andererseits durch manuelle Einflüsse noch am Flughafen von Venedig gelockert worden sein und während des Fluges abgefallen sein - was den Absturz herbeiführen kann.

Generalstaatsanwaltschaft Dresden ermittelt wegen der ominösen Todesumstände bislang nicht

Bislang ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Dresden und die dortige Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (Ines) nicht zu den Todes-Umständen. Weder gibt es dort eine Untersuchung wegen fahrlässiger Tötung, noch wegen grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Tötung. Fakt ist: Nach US-Recht ist jeder verunglückte Insasse eines Flugzeugs vom Flugzeug-Betreiber mit 100.000 US-Dollar zu versichern. Mit der Untersuchung des Millionen-Darlehensbetrugs in Venedig zu Lasten von Unister und Thomas Wagner ist Dr. Dirk Reuter betreut, der auch Unister wegen diverser Delikte anklagen möchte und deshalb seit gut vier Jahren gegen Unister recherchiert (Leseempfehlung: "Dr. Dirk Reuter und Unister Es wäre ein Justizskandal, sagt Jura-Professor"). Unister moniert hier einen Interessenkonflikt, ebenso die Eltern von Thomas Wagner.

Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach einem Flugzeugabsturz geht aber nur dann, wenn die Angehörigen der Verunglückten auch Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung, grob fahrlässiger Tötung oder vorsätzlicher Tötung im Heimatort - also Deutschland - stellen. Im Falle von Thomas Wagner soll das bislang noch nicht passiert sein, auch im Falle von Oliver Schilling nicht.

In den USA gibt es für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Flugzeugabstürzen spezialisierte Anwaltskanzleien, die auch unentgeltlich gegen Erfolgsbeteiligung die Opferentschädigung einklagen. Da die Unister-Maschine in den USA zugelassen war, wären US-Anwaltskanzleien hier die richtigen Ansprechpartner. Verwandten von Thomas Wagner soll eine solche Kanzlei bereits empfohlen worden sein, jedoch bislang nicht beauftragt worden sein.

Die Untersuchung der Todesumstände von Thomas Wagner und Oliver Schilling dürfte aber so oder so immer schwieriger werden. Denn nach einem Bericht, ebenfalls in der Leipziger Volkszeitung erschienen, sind die Leichen der beiden Unister-Bosse unmittelbar nach dem DNA-Abgleich noch am Wochenende vor einer Woche in Slowenien eingeäschert worden.

Kompletter vorläufiger Absturzbericht des Unister-Flugzeugs

Den kompletten vorläufigen Absturzbericht des Unister-Flugzeugs gibt es HIER zum herunterladen.

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