Justizminister Gemkow antwortet auf Kleine Anfrage zu Unister an Linken-Abgeordneten Klaus Bartl

Dem Portal kleineanfragen.de entnehmen wir eine Antwort vom 7. Juni 2016 von Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU; Wahlkreis Leipzig) an eine parlamentarische Kleine Anfrage zu Unister, abgesendet von Sachsens bekanntem Landtagsabgeordneten der Linken, Klaus Bartl. Bartl ist gleichzeitig Rechtsexperte der Linksfraktion im sächsischen Landtag.

Mit über 10 Millionen Seiten-Besuchern pro Monat gehört Unister zu den größten Internet-Unternehmen in Deutschland.

In der Kleinen Anfrage geht es um die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und der dortigen "Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen" (INES) gegen das Leipziger Internet-Unternehmen Unister (ca. 1350 Mitarbeiter). Wir veröffentlichen an dieser Stelle unkommentiert die komplette Antwort auf die Kleine Anfrage von Sachsens Justizminister Gemkow, basierend auf der von kleinanfragen.de publizierten Schrift. Grund: Wir halten es für ein nicht unwichtiges Schriftstück bezüglich der seit bald vier Jahren laufenden nachhaltigen Ermittlungen gegen Unister, die bereits über 1000 Arbeitsplätze bei dem einstigen Leipziger Vorzeige-Unternehmen kosteten.

Mit über 10 Millionen Webseiten-Besuchern gehört Unister auch heute noch zu den größten E-Commerce-Playern in Deutschland. Die massiven juristischen Ermittlungen - die aus Sicht von nicht wenigen auch erheblich überzogen seien - werden deutschlandweit beachtet und haben nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass der Wirtschaftsstandort Sachsen bei nicht wenigen Unternehmern mittlerweile als zentraler Standort eher gemieden wird. Die einhellige Meinung: In anderen Bundesländern, wie in Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, aber auch Sachsen-Anhalt, wäre Unister nicht so hart angegangen worden und auch die Finanzämter hätten das dezenter in Zusammenspiel mit der Justiz geregelt.

Hier nun die Antwort vom 7. Juni 2016 von Sachsens Justizminister Gemkow auf die Kleine parlamentarische Anfrage im Landtag Sachsen: Betreff: "Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/5172 Thema: Strafverfahren gegen vier Manager des Leipziger Reiseunternehmens Unister

Antwort durch: Staatsministerium der Justiz, Der Staatsminister Sebastian Gemkow

An: Den Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler, Bernhard-von Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden

Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorgestellt:

„Unter der Überschrift ‚Erneut Anklage gegen Unister-Chefs erhoben‘ und ‚Die Akte Unister: Die wichtigsten Fakten zum Prozess‘ berichtete die Leipziger Volkszeitung in ihren Ausgaben vom 4. März 2016 und 12./13. über die strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Unister-Chef Thomas Wagner und weitere Führungskräfte des Leipziger Reiseunternehmens. Den Managern wird u.a. vorgeworfen, angeblich in ihren Online-Portalen zu überhöhten Preisen Flugtickets verkauft zu haben. Im Raum stehen darüber hinaus der Vorwurf des Computerbetrugs sowie der Steuerhinterziehung sowie der unerlaubte Handel mit Rücktrittspolicen, für die keine Versicherungssteuern gezahlt worden seien.

Im Beitrag vom 12./13. März erhebt die LVZ dann den Vorwurf, dass von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden bzw. von deren - 2012 - begonnen - die Ermittlungen führende Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (INES) verhindert bzw. darauf Einfluss genommen worden sei, dass ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) bereits im August 2012 vorbereitetes Anhörungsschreiben, mit welchem die Verantwortlichen von Unister über die Bewertung angebotener Produkte als Versicherung informiert und zur Einstellung dieses Leistungsangebotes aufgefordert werden sollten, nicht zur Versendung kam. Wörtlich heißt es im LVZ-Beitrag:

„Doch das Dokument wurde auf Bitten der Generalstaatsanwaltschaft zurück gehalten, um die Ermittlungen nicht zu gefährden, wie es offiziell heißt. Eine Bafin-Mitarbeiterin machte darüber einen Aktenvermerk, der der LVZ vorliegt: ‚nicht abgesandt auf Wunsch der GenStA, Dr. Reuter (redaktionelle Anmerkung netz-trends.de: Gemeint ist Staatsanwalt Dr. Dirk Reuter aus Dresden). Telefonat vom 5.9., heißt es dort.’

Der aufgelaufene, jetzt strafrechtlich verfolgte Steuerschaden habe sich durch die Intervention der Generalstaatsanwaltschaft selbst erheblich summiert.“

Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1: Hat es das besagte Telefonat des INES-Staatsanwaltes Dr. Reuter (redaktionelle Anmerkung netz-trends.de: Gemeint ist Staatsanwalt Dr. Dirk Reuter aus Dresden) mit der Bafin tatsächlich gegeben und wurde von ihm oder einem anderen Vertreter der Staatsanwaltschaft darum ersucht, das vorbereitete Anhörungs- bzw. Aufklärungsschreiben zurückzuhalten und wie genau vollzog sich dieser Vorgang?

Frage 2: Wenn ja, aus welchen sachlichen und rechtlichen Gründen und unter welcher verfahrensseitiger Rechtfertigung erfolgte diese ‚Intervention‘ bzw. das besagte Ersuchen der Generalstaatsanwaltschaft?

Zusammenfassende Antwort auf Fragen 1 und 2

Am 31. Juli 2012 ging bei der Staatsanwaltschaft Leipzig eine anonyme Strafanzeige gegen Verantwortliche von Unternehmen der Unister Gruppe ein. Diese Anzeige enthielt u.a. den Vorwurf, dass über die Flugvermittlungsportale verschiedener Unternehmen der Unister Gruppe ohne Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Versicherungsleistungen vertrieben und die Erträge aus diesem Vertrieb nicht der Versicherungssteuer unterzogen würden. Aus der Anzeige ging auch hervor, dass der Sachverhalt mit der Bitte um Prüfung und Einleitung der erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen unterschiedlichen Behörden, so den Staatsanwaltschaften in Leipzig und Dresden, dem Finanzamt Leipzig II, dem Bundeszentralamt für Steuern und der BaFin zur Kenntnis gebracht worden war.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig legte die dort eingegangen Anzeige am 31. Juli 2012 der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, Abt. III ‚Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen - INES‘, mit der Bitte um Prüfung einer Übernahme vor, woraufhin dort unter dem Az. 30 AR 381/12 ein entsprechender Prüfvorgang angelegt wurde.

Im Rahmen der Vorprüfung nahm der zuständige Dezernent der INES, Staatsanwalt Dr. Reuter (redaktionelle Anmerkung netz-trends.de: Gemeint ist Staatsanwalt Dr. Dirk Reuter aus Dresden), am 5. September 2012 telefonisch Kontakt mit der BaFin auf, um zu erfragen, welche Ermittlungsmaßnahmen bei der BaFin auf die dort gleichfalls vorliegende Strafanzeige hin angedacht seien.

Nach der Erinnerung des Dezernenten berichtetet die Sachbearbeiterin der BaFin im Verlauf des Telefonats u.a. darüber, dass dort der Entwurf eines an die Unister Gruppe gerichteten Schreibens vorliege. Der Dezernent ersuchte die Sachbearbeiterin der BaFin, das beabsichtige Schreiben zunächst nicht zu verwenden, um nach Möglichkeit auszuschließen, dass Verantwortliche der Unister Gruppe vorab von der Anzeige Kenntnis erlangen und gegebenenfalls notwendig werdende Ermittlungsmaßnahmen gefährdet werden würden. Zu diesem Zeitpunkt waren die auf die anonyme Anzeige hin veranlassten Prüfungsmaßnahmen noch nicht abgeschlossen; die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens stand aus.

Frage 3: Hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden bzw. INES als ermittlungsleitende Staatsanwaltschaft in sonstiger Weise Einfluss auf den Kontakt zwischen Bafin und Unister genommen oder dies versucht?

Eine Einflussnahme der Generalstaatsanwaltschaft Dresden - INES - auf den Kontakt zwischen BaFin und der Unister Gruppe in sonstiger Weise hat nicht stattgefunden und wurde auch nicht versucht.

Frage 4: Hat die Staatsanwaltschaft auf die im besagten Pressebeitrag zitatweise wiedergegeben Einschätzung des Leipziger Jura-Professors Marc Desens, dass gegen Unister unverhältnismäßig vorgegangen wurde und dass es ein Justizskandal wäre‘, wenn sich herausstellte, dass die Staatsanwaltschaft die Bafin gebeten hat, den Bescheid nicht herauszuschicken, um die vermeintliche Steuerschuld in die Höhe zu treiben und damit den Haftbefehl besser begründen und in einem etwaigen Prozess eine höhere Strafe einfordern zu können, reagiert, bzw. gibt es einen derartigen Einwand der Verteidigung der angeklagten Manager gegenüber Staatsanwaltschaft oder Gericht?

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat auf die von Herrn Professor Desens gegenüber der Presse angegebene Einschätzung nicht reagiert. Der erhobene Vorwurf war allerdings Gegenstand einer Presseanfrage der FVW Medien GmbH, die der Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden beantwortet und die Kontaktaufnahme der Generalstaatsanwaltschaft zur BaFin bestätigt hat. Die FVW Medien GmbH hat die auf die Presseanfrage durch die Generalstaatsanwaltschaft abgegebene Erklärung in ihrer Berichterstattung vom 8. April eingearbeitet.

In dem bei dem Landgericht Leipzig anhängigen Strafverfahren, Az. 15 KLS 391 Js 57/13, hat ein Verteidiger vorgetragen, dass auf Grund des Telefonats vom 5. September 2012 weitere Umsätze erzielt und weiterhin gegebenenfalls falsche Steuererklärungen abgegeben worden seien, was zumindest bei der Schuldfrage zu berücksichtigen sei.

Ein weitergehender Vorwurf, die Staatsanwaltschaft habe die Bafin gebeten, den Bescheid nicht herauszuschicken, um die vermeintliche Steuerschuld in die Höhe zu treiben und damit den Haftbefehl besser begründen und in einem etwaigen Prozess eine höhere Strafe einfordern zu können, wurde bisher nicht erhoben.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Gemkow Justizminister Sachsen"

Anmerkung netz-trends.de: Unister oder Unister-Gesellschafter werden unter anderem durch die beiden Strafverteidiger, Rechtsanwalt Dr. Ingmar Werner (Kiel) und Rechtsanwalt Peter Manthey (Dresden) vertreten.


Hintergrund Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow

Sebastian Gemkow ist Mitglied der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages mit dem Wahlkreis Leipzig. Er sitzt seit 2009 im Landtag Sachsen. Gemkow wurde im August 2014 mit 24,9% der Erststimmen und 26,1% der Zweitstimmen über den Wahlkreis 30 - Leipzig 4 in den Landtag Sachsen gewählt.

Damit konnte er haarscharf Dr. Volker Külow von den Linken überholen. Külow hatte 23,8% der Erststimmen und 22,1% der Zweitstimmen zur Landtagswahl Sachsen am 31. August 2014 auf sich vereinen können. Damit landete Volker Külow deutlich vor Eva Brackelmann von der SPD, die es zur vergangenen Landtagswahl in Sachsen im betreffenden Leipziger Wahlreis auf 17% der Erststimmen und 16,4% der Zweitstimmen gebracht hatte.

Der Wahlkreis Leipzig 4 ist einer von sieben Leipziger Landtagswahlkreisen und umfasst (von Nord nach Süd) die acht Stadtteile Lützschena-Stahmeln, Böhlitz-Ehrenberg, Leutzsch, Lindenau, Alt- und Neulindenau, Plagwitz und Schleußig (Quelle: Wikipedia).

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