WhatsApp in Brasilien für 24 Stunden gesperrt durch Gericht

Kommentar - Weil WhatsApp in Brasilien sich weigerte, Daten an ein Gericht herauszugeben, hatte ein Richter bereits Anfang Mai angeordnet, dass WhatsApp in Brasilien offline muss.

Bild: pixabay.com / CC0 Public Domain
Für Hunderte Millionen Menschen gehört WhatsApp als schnelles Kommunikations-Medium täglich dazu.

Erst ein anderes Gericht hatte den Bann des amerikanischen Smartphone-Messengers beendet, weshalb WhatsApp nach circa 24 Stunden der Abstinenz in Brasilen doch wieder genutzt werden konnte, berichtet die Financial Times in ihrer Ausgabe vom 26. Mai 2016 (S. 17).

Allerdings dürften die dramatischen Schreckensszenarien der Financial Times etwas übertrieben gewesen sein. So schreibt das Blatt (Autoren: Samantha Pearson und Hannah Kuchler) in Weltuntergangs-Bildern, wonach kurz vor dem brasilianischen WhatsApp Bann Familien noch schnell sich beeilt hätten, ihren Liebsten eine Nachricht zu schreiben. Zudem hätten Unternehmen sich gesputet, eine "last-minute"-Nachricht an Lieferanten zu schicken.

Doch damit nicht genug: Selbst Doktoren hätten vor Offline-Nahme des amerikanischen Nachrichtendienstes WhatsApp in Brasilien sich beeilt, ihren Patienten noch schnell per WhatsApp "alternative Notfalls-Kontaktinformationen" zu senden.

All das wäre in Deutschland in dieser Dramatik schlichtweg Humbug. Denn weder werden viele Ärzte in dem nicht unbedingt patientengerecht sicheren WhatsApp Patientennachrichten verschicken. Außerdem dürften wirklich wichtige Korrespondenzen mit Lieferanten wohl eher per E-Mail oder Telefon abgewickelt werden, als über einen Handy-Messenger wie WhatsApp (oder Chiffry, SIMSme, Telegram, und wie sie alle heißen).

Hinzu kommt: Von solchen Schreckensszenarien, wie sie anglikanische Medien gerne verbreiten, wenn es US-Dienste juristisch im Ausland trifft, scheinen sich die brasilianischen Gerichte so oder so nicht beeindruckt gezeigt zu haben.

Im Gegenteil: Der brasilianische WhatsApp-Statthalter sei nach Angaben der Financial Times sogar bereits im März mangels Kooperation mit polizeilichen Ermittlungsbehörden bezüglich Drogen-Dealer für 24 Stunden in Untersuchungs-Haft gekommen. Und all das, weil WhatsApp sich weigerte, Daten herauszugeben – etwas, was Facebook, Google und auch Microsoft sonst jährlich viele Tausende Male durchaus machen (sehr zum Leidwesen der Nutzer).

Die Anordnung, dass brasilianische Telekommunikationskonzerne WhatsApp im Mai für 72 Stunden zu blockieren hätten, sei, schreibt die Financial Times, wahrscheinlich von einem Gericht im brasilianischen Bundesstaat Sergipe gefällt worden.

Bereits im Dezember 2015 scheint es eine ähnliche Gerichts-Entscheidung gegen WhatsApp in Brasilien gegeben zu haben, schreibt die Financial Times weiter. Damals sei es um 48 Stunden gegangen, währenddessen WhatsApp in Brasilien nicht mehr erreichbar gewesen sein soll.

Sorge bereitet einigen in Brasilien, das theoretisch angeblich jeder der 15.000 Richter in Brasilien einen Antrag stellen könne, WhatsApp im Rahmen mangelnder Kooperationen bei Ermittlungsverfahren vorübergehend offline zu nehmen.

So spricht denn auch WhatsApp angesichts der Offline-Nehmung in Brasilien von Zensur und einem nicht mehr verhältnismäßigen Agieren der brasilianischen Justiz. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg schrieb: "Der Umstand, dass jedem in Brasilien die Freiheit entzogen werden kann seine Meinung zu verbreiten, muss in einer Demokratie Sorgen bereiten."

Immerhin kann sich der aus den USA stammende Dienst WhatsApp, eine Tochter von Facebook, zwar auf die Fahne schreiben, sich mit staatlichen Stellen angelegt zu haben. Aber wirklich sicherer wird WhatsApp dadurch für die Nutzer nicht. Immerhin weist die neue End-zu-End-Verschlüsselung zwischen zwei Nutzern auf WhatsApp in die richtige Richtung (die aber andere Handy-Messenger, wie Chiffry oder Telegram, auch Threema, schon deutlich länger anbieten).

Ganz abgesehen davon, wird deutschen Unternehmen davon abgeraten, über US-Dienste, welche Daten auf Servern in den USA speichern, Geschäftsbriefe auszutauschen, also auch über WhatsApp.

Grund: US-Behörden können dann viel leichter Haftbefehle auch gegen deutsche Unternehmer beantragen, da man ja US-Dienste über US-Server genutzt habe. Es heißt gerüchteweise, dass dies einigen FIFA-Funktionären, welche in Zürich auf Antrag des US-Justizministeriums verhaftet worden waren, zum Verhängnis geworden war. Gerüchteweise hätten diese auch WhatsApp genutzt. Belege dafür gibt es bislang nicht.

Gefällt mir
2