Kommentar: Süddeutsche Zeitung über Amazon: PR-Lobhudelei zu Jeff Bezos "Captain Future"

Vor einiger Zeit war man beim DER SPIEGEL stolz, dass man ein Interview mit einem der Gründer von Google, mit Larry Page, exklusiv veröffentlichen durfte.

Bild: netz-trends
Jeff der Große im Porträt der SZ. Peinliche Lobhudelei.

Spiegel-Korrespondent Thomas Schulz übte sich in seinem Text "Ich bin einfach Optimist" auf einem peinlich flachen Niveau darin, plumpeste Google-PR als Spiegel-Gespräch mit Larry Page zu verkaufen. Hauptsache man konnte sagen, der große Larry hat mit dem Spiegel gesprochen.

Nahezu sämtliche kritischen Punkte, Google betreffend, sparte Thomas Schulz einer näheren Betrachtung aus: Google-Marktmissbrauch, Zerschlagungs-Forderungen des EU-Parlaments, Zerstörung von Wettbewerb, Missachtung von Urheberrechten, EU-Kartellverfahren, das irrwitzig teuer für Werbekunden werdende Google Adwords-Auktionsverfahren, Google-Konkurrenzprodukte wie Google Compare, Google Flights, Google Shopping – all diese Themen waren im Spiegel-Gespräch in kaum mehr wahrnehmbarer Dosis zu finden (siehe auch netz-trends.de-Text: "Google-Macht in der Netz-Trends-Analyse"). Der Wert des Spiegel-Interviews war entsprechend: Null. Nicht ganz so schlimm, aber ähnlich, sieht es jetzt mit der Süddeutschen Zeitung und einem Bericht zu Amazon aus.

Am Tag vor Heiligabend, am 23. Dezember 2015, titelte das einst linksliberale, aber unter seiner Chefredaktion Kurt Kister und Wolfgang Krach immer konservativer werdende Blatt stolz, man habe Amazon-Gründer Jeff Bezos in Seattle interviewen dürfen. Entsprechend groß war die Erwartung an den Text von Lorenz Wagner. Immerhin auf über 10 Seiten im Süddeutsche Zeitung Magazin (SZ Magazin) zog sich der Amazon-Artikel, der immer wieder versatzstückt Interview-Fetzen von Jeff Bezos einfließen ließ.

Nach der Lektüre der Süddeutschen Zeitung denkt man aber: Viel besser hätte auch die Unternehmenskommunikation von Amazon einen Jeff Bezos-Text in einer Amazon-Mitarbeiterzeitung nicht veröffentlichen können. Jeff ist der Größte, Jeff der Astronaut, Jeff der Alleskönner, Jeff der Überflieger, Jeff der Muskulöse, Jeff der Weltraumeroberer, Jeff der Erfinder.

Fünf Konzerne, darunter Amazon, teilen sich das Internet auf - doch nichts kritisches dazu im SZ-Magazin-Interview mit Jeff Bezos

Man weiß gar nicht, wo man überall anfangen soll in der SZ-Lobhudelei zu Amazon. Ok, Jeff Bezos ist ein Genie. Das wussten wir schon vorher. Denn viele Gründer – auch in Deutschland – sind ausgefallene Talente, weshalb sie ja überhaupt erst in die Lage versetzt werden, aus ihrem überdurchschnittlichen Können, ihrem Genie, gar ein Geschäftsmodell zu schmieden.

Es war die Süddeutsche Zeitung, die letzthin selber schrieb, wonach 57% des 300-Milliarden US-Dollar Umsatzes der börsennotierten Internet-Industrie in den USA auf nur zwei Unternehmen entfielen: Auf Google und auf Amazon. Gar 70% entfielen auf nur fünf Konzerne (Süddeutsche Zeitung Online v. 15. November 2015: "Macht im Netz: Fünf Konzerne teilen das Internet unter sich auf"). Genug Futter also, um Jeff Bezos auch kritische Fragen für das SZ Magazin zu stellen. Doch es kam so gut wie nichts derartiges im Magazin der Süddeutschen Zeitung vor.

Zum Beispiel hätte man fragen können, warum Amazon in seinem Marketplace – in welchen die kleinen Shops ja nicht aus Vergnügen gehen, sondern deshalb, da Amazon als Monopolist den Online-Handel auch in Deutschland dominiert – erst kürzlich die Margen, welchen die Onlinehändler an Amazon abdrücken müssen, weiter erhöht hat.

Alleine in Deutschland verkaufen nach Schätzungen über 20.000 Händler ihre Produkte über Amazon Marketplace. Nicht aus Freude, nicht aus Freundschaft, sondern da Amazon wie Google das Internet ist. Amazon ist die Plattform, an welcher faktisch kaum ein Onlinehändler in Deutschland und der sonstigen EU vorbeikommt.

Wie im Falle von Google sagen viele Wettbewerber, dass auch Amazon durchaus ein Fall für die Kartellbehörden sei, wo man genau hinschauen müsse, ob hier ein Marktmachtsmissbrauch eines amerikanischen Monopolisten in Deutschland, der EU, vorliege.

Naiver Jubel des Süddeutsche Zeitung-Magazin für Jeff den Großen

Doch im Text der Süddeutschen Zeitung spielt das alles so gut wie keine Rolle. Dafür eine geradezu kindlich-naive Freude, Jeff Bezos zu bewundern.

Dafür, dass er als Monopolist alle anderen gängelt und viele unnötig macht, hierzulande so gut wie keine Steuern zahlt, da er ohne Ende Steuertricks in Steueroasen anwendet, gibt es von Seiten der SZ auch noch einen stützenden Jubel-Artikel. Damit das Monopol noch größer werde – im Ansehen bei Kunden und der Politik oder den Gerichten.

So heißt es im Amazon-Text des Süddeutsche Zeitung-Magazin: "Eine Kluft wird wachsen: zwischen den Menschen, die einfach nur ihre Arbeit machen, so gut sie können, und den Menschen, die Jeff Bezos in seinem Unternehmen vor allem haben möchte: Leute, die Neues erfinden, Entwickler, Überleister…. Ist der Wandel ein gesellschaftliches Unglück?"

Aus dem SZ Magazin kann man durchaus das Fazit lesen, wonach der US-Monopolist Amazon kein Unglück für die Wirtschaft, die Verbraucher sei, da man "Innovationen" (so kann man ein Monopol natürlich auch umschreiben) eh nicht aufhalten könne. Menschen, die durch Anbieter wie Amazon ihre Jobs verlören, hätten ja auch mehr Zeit - beispielsweise für die Freizeit, heißt es in dem Amazon-Text indirekt.

Zudem könnten die Verlierer der immer größer werdenden US-Monopole im Internet ja auch künftig am Wohlstand partizipieren, fabuliert der SZ Magazin-Autor weiter. Sie könnten ja teilhaben an der Sharing Economy, also in einem Bereich wo geteilt wird, da man sich den Besitz selber nicht mehr leisten kann. Amazon-Gründer Jeff Bezos hat das natürlich nicht nötig. Denn er gehört längst zu den reichsten und mächtigsten Menschen auf dem Erdball, dessen nächster großer Traum es ist, Millionen Menschen ins Weltall zu bringen.

Dass man aber Monopole nicht gottgegeben und als unveränderlich hinnehmen sollte, scheint die SZ in ihrem PR-Artikel für das US-Unternehmen Amazon noch nicht gehört zu haben. Ebenso nicht, dass Monopole den Wettbewerb töten und Gefahren für demokratische Systeme, auch demokratisch geprägte Wirtschaftssystem, darstellen. Dass Größe immer auch etwas faszinierendes hat - dafür muss man einen Jeff Bezos nicht interviewen.

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