Kommentar: Asus greift Grundgesetz mit Werbeblocker Adblock Plus an

Was die einen als großen Akt gegen den Kapitalismus feiern, dürfte wettbewerbsrechtlich und auch presserechtlich zunehmend ein Problem werden.

Zeitungen sind auch online auf das Einblenden von Werbung zur Refinanzierung von Journalismus angewiesen.

Es geht mal wieder um den von Deutschen gegründeten und weltweit verbreiteten Online-Werbeblocker Adblock Plus. Ihn möchte jetzt der taiwanische Computerhersteller Asus auch noch standardmäßig auf seinen Computern einbauen. Das kann und sollte man als Anschlag auf viele in Deutschland und der Europäischen Union (EU) geltenden gesetzlichen Regeln werten. Denn Werbung - genannt auch "Kommerzielle Kommunikation" - fällt unter den Begriff und den Schutz der Meinungsfreiheit . Deshalb ist das, was der taiwanische Computerhersteller Asus mit dem umstrittenen Werbeblocker Adblock Plus nun tut, nicht nur ein Angriff auf das Wettbewerbsrecht, sondern ebenso ein Angriff auf das deutsche Grundgesetz, vor allem die Pressefreiheit.

Werbung dient primär dem Wettbewerb zwischen Unternehmen, aber eben auch der Meinungs- und Informationsfreiheit. Beides sind hohe Güter und man sollte sie nicht leichtfertig in Gefahr bringen. Doch die öffentliche Debatte rund um den Werbeblocker Adblock Plus ist bislang dilettantisch und von purem Voyeurismus getrieben. Denn Gegner von Adblock Plus fehlt es an der nötigen intellektuellen Leistung, sich gegen Online-Werbeblocker zu wehren.

Seit Volker Nickel vom Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft nicht mehr Sprecher des ZAW ist, fehlt der Wirtschaft intellektueller Input, ein Schwert gegen Angriffe auf die Werbefreiheit. Das schadet ihr. Das schadet aber auch den Verbrauchern, die sich aus Werbung informieren möchten. Ohnmächtig schaut die Wirtschaft bislang zu, wie Adblock Plus immer größer wird.

Wo bleibt der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft im Kampf um die Informationsfreiheit rund um die Wirtschaft?

An vorderster Front müsste der ZAW kämpfen, ebenso der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) oder der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) - tun sie aber nicht. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) scheint gelähmt und desinteressiert. Ganz so, als würde Werbung den Verband nichts angehen.

Doch ob es den Werbegegnern passt oder nicht: Werbung ist Information - Information über neue Produkte, Testergebnisse, Innovationen. Dass es auch nervige und unnütze Werbung gibt, darf nicht als Generalanschlags-Argument gegen die Informationsfreiheit - sowohl des Informierenden wie des Informierten - dienen. Wenn Werbung nicht auf fruchtbaren Boden stieße, würde sie nicht seit über 100 Jahren als Mittel der Kommunikation der Wirtschaft auch in Deutschland verwendet.

Werbung war der zentrale Antriebsmotor, der Wohlstand nach Deutschland gebracht hat, der auch das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglichte, unsere soziale Gesetzgebung, unsere soziale Sicherheit. All das bedrohen Werbeblocker wie Adblock Plus. Nicht jetzt, aber künftig. Denn immer mehr Kommunikation läuft ausschließlich online. Auch das Fernsehen wird es irgendwann nur noch über das Internet geben, ebenso Zeitungen oder Zeitschriften.

Das deutsche Grundgesetzt sagt in Artikel 5 klar, dass auch die Wirtschaft in Werbung kommunizieren können muss

Das deutsche Grundgesetz sagt in Artikel 5 deutlich, dass es eine Informationsfreiheit sowohl des Informations-Verbreitenden (also beispielsweise der Wirtschaft in Form von Werbung) gibt, als auch das ungehinderte! Informationsrecht auf Seiten der Verbraucher.

Man muss also kein Verfassungsrechtler sein, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass eine technisch grundsätzlich herbeigeführte Verhinderung weiter Teile der Kommerziellen Kommunikation im Internet durch Werbeblocker wie Adblock Plus verfassungsrechtlich äußert bedenklich ist. Ja als Grundgesetz-Verstoß gewertet werden kann.

Dass der größte Anbieter von Online-Werbung in der Europäischen Union (EU) nun mal "Google Adsense" ist, ist der Natur des Internet geschuldet. So greifen beispielsweise gut 95% aller Deutschen über die Google Internetsuchmaschine auf Internet-Inhalte zu. Dieses Monopol hat wiederum das Werbesystem der automatisch auf Webseiten ausgespielten Google Werbeanzeigen ergeben. Denn keiner weiß so gut wie Google, wofür sich Nutzer interessieren.

Das ist der Grund, weshalb Millionen Webseiten ausschließlich das perfektionierte System der Onlinewerbung von "Google Adsense" auf ihren Webseiten einbinden. Und genau dieses so vitale und wichtige System verhindert nun Adblock Plus für Millionen Webseiten. Dabei leben viele Nachrichtenseiten sowieso schon täglich am wirtschaftlichen Abgrund.

Adblock Plus beschädigt auch das Informationsrecht der Verbraucher wie Nachrichtenportale

Beispiel netz-trends.de: Diese Nachrichtenseite publiziert im Monat eine bescheidene Anzahl von nur rund 60 Artikeln pro Monat. Dahinter steckt aber die Arbeit von gut 120 Stunden, also drei vollen Arbeitswochen. Die mit über Onlinewerbung über Google erzielten Einnahmen bewegen sich allerdings lediglich auf einem Niveau von im Schnitt wenigen Tausend Euro im Jahr. Andere Einnahmen gibt es nicht. Und diese letzte Möglichkeit der Refinanzierung versuchen Adblock Plus und Asus nun auch noch zu liquidieren.

Dabei ist das Onlinewerbe-System schon jetzt extrem nutzerfreundlich. Denn die Webseiten erhalten von Google kein Geld für das Einblenden von Werbung, sonder nur dann, wenn ein Verbraucher auch auf eine Werbeanzeige klickt. Man spricht von Cost per Click (CpC).

Für jeden Klick eines Nutzers auf so eine Werbeanzeige erhält die Webseite im Schnitt zwischen 25 Cent und 50. In aller Regel erhält Google 50% von den in einem Auktionsverfahren der Webseite zugeteilten so generierten Werbeeinnahmen. Werbung ist für Millionen Webseiten die einzige mögliche Einnahme, um Journalisten und Technik einer Webseite zu finanzieren. Das gilt für Webseiten wie spiegel-online.de ebenso wie für welt.de oder sueddeutsche.de. Die auf den Webseiten teils integrierten E-Commerceangebote, wie Shops oder Preisvergleiche, können nicht das Wegbrechen von Werbung abfangen.

Die Asus-Frage muss diskutiert werden

Deshalb kann und muss man durchaus sagen: Der Adblock Plus-Werbeblocker, den Asus jetzt vorinstalliert auf seinen Computern und seinen Millionen Computer-Käufern aufs Auge drückt, ist ein Anschlag auf die Pressefreiheit und den freien Wettbewerb. Denn ohne Werbung hätte es auch keine Tageszeitungen und keine Zeitschriften gegeben. Sie lebten zu über 50% aus diesen Einnahmen, der Rest waren Vertriebseinnahmen - also der Preis, den man für eine Zeitung oder Zeitschrift am Kiosk oder im Abo bezahlen muss.

Doch das Internet sorgt für einen konsequenten Rückgang an Zeitungsangeboten und Zeitschriftenangeboten. Im Netz ist es ja mehr oder weniger kostenlos. Doch das ist ein Trugschluss. Auch Internet-Redakteure von Nachrichtenseiten und kritischen Blogs wollen leben, brauchen deshalb Einnahmen - eben die Einnahmen aus angeklickter Werbung.

Das einzige Massenmedium das ohne Werbung leben kann, ist in Deutschland der öffentlich-rechtliche Rundfunk - also ARD, ZDF sowie die Deutsche Welle. Hier ist klar gesetzlich reglementiert, dass Werbung nicht grenzenlos eingebunden werden darf, sondern dass die redaktionelle Information im Vordergrund stehen muss.

Der Gesetzgeber hat für die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender in Deutschland die GEZ-Zwangsgebühr geschaffen. Sie soll die nicht vorhandene Möglichkeit, redaktionelle Inhalte über kommerzielle Kommunikation - also Werbung - zu refinanzieren, abfedern. Deshalb erhalten ARD und ZDF in Deutschland durch die Rundfunkgebühr - eine Art Sondersteuer - jährlich Milliarden Euro zur Refinanzierung.

Wenn Asus nun Werbung letztlich ja auch in einer Art gesetzlicher Gewalt auf Webseiten verhindert, so greift Asus massiv in den Wettbewerb und die Presse- und Informationsfreiheit ein. So massiv, dass dies nicht mehr akzeptabel ist.

So sagt das deutsche Grundgesetz, also die deutsche Verfassung:

"(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung."

Warum diese Freiheit der Kommunikation und der Information für Asus nicht gelten soll, leuchtet einem nicht ein. Hinzu kommt: Wie die Wirtschaft von der Möglichkeit lebt, ihre neuesten BMWs, Mercedes oder Reise- oder Lebensmittel-Angebote zu bewerben, so suchen viele Bürger genau nach solchen Informationsquellen. Sonst gäbe es nicht Milliarden in Deutschland jährlich immer noch in Papierform verteilter Werbeprospekte, Zeitungsinserate und Fernsehwerbung.

Was Asus nun mit dem selbst urkapitalistischen Produkt Adblock Plus macht (der Werbeblocker will ja Geld von Webseiten dafür, dass man Werbung auf den Webseiten wieder zulässt), ist unakzeptabel und ein Fall für höchste deutsche und europäische Rechtsprechung. Gleichzeitig ist es notwendig, dass sich der Gesetzgeber damit beschäftigt. Denn die im Grundgesetz festgeschriebene Tatsache und auch Garantie, dass Deutschland eine "Freie Soziale Marktwirtschaft" ist, wird durch Anbieter wie Asus und Adblock Plus einseitig und massiv bedroht und beschädigt.

Werbung umfasst auch Werbung für politische oder soziale Projekte - auch das verhindert Adblock Plus

Ganz abgesehen davon: Werbung ist ja nicht "nur" kapitalistisch orientiert, sondern es gibt auch soziale Werbung, zum Beispiel für Spendenaktionen oder politische zu Wahlzeiten. Auch solche Werbung verhindert ja die taiwanesischen Firma Asus künftig durch den vorinstallierten Werbeblocker Adblock Plus.

Derweil schwadroniert AdBlock Plus-Mitbegründer und CEO Till Faida davon, dass sein Werbeblocker ein "weiterer Aufruf zur Innovation in der Werbeindustrie" sei, ein Ruf, der immer lauter werde. Natürlich weiß Faida, dass solche Äußerungen zynisch sind, irreführend und falsch. Wenn man alle Straßen schließt, kann ein Auto nicht mehr fahren. Das Internet ist aber die Straße und die Webseiten der Asphalt zum Verbraucher.

Den Ärger mit der Wirtschaft und geschädigten Nachrichten-Webseiten, auch den Nutzern (denen AdBlock Plus ebenfalls die Möglichkeit zur freien Information durch einen in Computern vorinstallierten Werbeblocker umfangreich stiehlt), nimmt AdBlock Plus-Chef Till Faida, wie bislang, wohl gerne in Kauf. Denn des einen Leid, ist seine Freud: AdBlock Plus soll Millionen dafür erhalten, dass es Werbung auf Webseiten wieder zulässt.

Adblock Plus ist wie Ablass im Mittelalter

Das klingt ein bisschen nach Ablass im Mittelalter: Zahle, oder Du kommst in die Hölle. Erst die Reformation machte diesem widerlichen Gespenst ein Ende.

Geradezu paradox ist, mit welcher Dümmlichkeit auch noch Journalisten ihren eigenen Untergang mangels Refinanzierung über Werbung im Netz feiern. So schreibt beispielsweise ein Mark Wilson auf dem amerikanischen Technikblog betanews.com genüsslich: "… Werbeblocker, standardmäßig eingeschaltet", würden "ohne Zweifel, Ärger der Werbetreibenden auf der ganzen Welt hervorrufen".

Was dieser Journalist allerdings vergisst zu sagen ist, dass es eben nicht um die Frage geht, wer verärgert ist, sondern um eine grundsätzliche Frage von Freiheit und Information - sowohl auf Seiten der Wirtschaft, wie auf Seiten der Verbraucher und auch um die Freiheit, überhaupt Journalismus refinanzieren zu können. Gerade kleinere Nachrichtenseiten können nicht auch noch eine Bezahlschranke einführen, wie bild.de oder handelsblatt.com.

Fakt ist auch: Nur sozialistische Systeme greifen so massiv in die freie Wirtschaftskommunikation ein, wie es nun Asus und AdBlock Plus machen. Denn AdBlock Plus und Asus sind nichts anderes als Instanzen, die wie sozialistische Systeme Kommunikation umfangreichst verhindern und damit letztlich bedeutend verbieten. Das darf nicht einfach so hingenommen werden.

Es wird Zeit, dass der Gesetzgeber handelt und dass die Wirtschaft ihre eigene Informations-Freiheit, die in Demokratien so essentiell notwendig ist, endlich verteidigt. Das gilt auch für die Verbraucher, die ein Recht auch auf Informationen der Wirtschaft haben - und zwar auch in Form von Onlinewerbung. Denn ohne Werbung kein Wettbewerb, keine Preiskonkurrenz, keine Konkurrenz um Innovationen und Produkt- oder Dienstleistungs-Verbesserungen. All das schädigen Asus und Adblock Plus.

Ganz abgesehen davon kann man auch diskutieren, ob nicht ein erheblicher Eingriff in das Urheberrecht durch Adblock Plus geschieht. Denn letztlich verändern Adblock Plus und Asus auch das Layout. Denn Werbung ist grafisch ein integraler Bestandteil einer Webseite und Grafiker machen sich hier umfangreich Gedanken, wie Werbung am besten in eine Webseite eingebunden werden kann, so dass sie optisch nicht zu aufdringlich ist, aber dennoch auffällt.

+ Update Freitag 25.12.2015, 9:15 Uhr + : Ein Leser weist uns darauf hin, dass kleinere Webseiten sich auf eine Withliste setzen lassen können bei Adblock Plus, um angeblich nach wie vor angezeigt zu werden. Doch stehe diese Whitelist nur kleineren Nachrichtenseiten, wozu netz-trends.de gehört, offen, ohne dass Lizenzgebühren bezahlt werden müssen. Nähere Details siehe Kommentar

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