Börse Rocket Internet Hauptversammlung: Juhu oder Buh?

Kommentar - Es dürfte eine interessante Hauptversammlung werden: Oliver Samwer, der intellektuelle Kopf und Geldeintreiber für Rocket Internet, ruft zum ersten Mal Dienstag zu einer öffentliche Hauptversammlung nach Berlin.

Viele Analysten, Großinvestoren wie Kleinanleger fragen sich: Haben wir da den Samwer Brüdern nur die Taschen mit Milliarden Euro gefüllt oder werden auf der ersten öffentlichen Rocket Internet Hauptversammlung neue Wachstum versprechende Geschäftsfelder verkündet? Gibt es Juhu oder Buh?

Rocket Internet, dessen Zentrale in Berlin Nähe der Friedrichstraße ist und wo schmucklose Massenbüros zum Arbeitsalltag gehören, versteht sich selbst als Internet-Inkubator. Für die einen ist das eine etwas kreative Umschreibung für viel Wind um wenig Substanz, für die anderen steht es für ein ehrgeiziges deutsches Unternehmertum, welches den Amis das Feld des Internet und Digital Business nicht komplett überlassen möchte.

Bereits seit gut einem halben Jahr, seit Oktober 2014, ist Rocket Internet an der Börse in Frankfurt am Main gelistet. Immerhin wird Rocket dort mit gut 6 Milliarden Euro gelistet, wobei sich der Aktienkurs immerhin fast auf dem Niveau des Ausgabekurses (42,50 Euro) halten kann und derzeit bei 37 Euro liegt.

Nach bisheriger Rechnung von Rocket Internet habe die Rocket Internet SE konsolidiert einen Verlust von 47 Millionen Euro gemacht, nach einem ausgewiesenen Gewinn von 147,1 Millionen Euro 2013. Allerdings fragen sich viele, wie solche Zahlen überhaupt zustande kommen: "Denn rechnet man die Internet-Beteiligungen von Rocket Internet zusammen, so kommen viele für 2013 oder 2012 eher auf einen Umsatz von rund 750 Millionen Euro bei rund 500 Millionen Euro Verlust", sagt ein Insider.

Kritische Masse

Von Rocket selber heißt es - und da dürfte man des Pudels Kern am nächsten kommen - dass es "im vergangenen Jahr keine größeren Firmenverkäufe" gegeben habe. Umgekehrt heißt das aber auch, "dass das Rocket Internet Geschäftsmodell nicht unbedingt auf der realen Gewinnerzielung aus dem Tagesgeschäft basiert, sondern auch darauf, dass Portale als Handelsmasse angesehen werden, welche hochgezogen werden und möglichst teuer weiterveräußert werden", sagt der Rocket-Insider weiter.

Oliver Samwer selber wird von der Deutschen Nachrichtenagentur (dpa) mit den Worten zitiert, wonach es eine notwendige Bedingung im Internet-Markt sei, "dass man zunächst eine kritische Masse" erreichen müsse.

Was er unter kritischer Masse versteht, wird indes nicht ganz klar. Wenig hält Oliver Samwer davon, klassische deutsche Unternehmens-Bewertungen vorzunehmen, wonach bereits in zwei Jahren ein Geschäft profitabel sein müsse. Wer so denke, der brauche sich erst gar nicht mit Silicon Valley anlegen, heißt es bei Rocket.

Bislang kann Rocket Internet vor allem mit beeindruckender Masse glänzen, weniger mit Klasse. Fast im Tagesrhythmus denken sich Rocket-Mitarbeiter in der Berliner Rocket-Zentrale wie auf der Hühner-Legebatterie immer neue Projekte aus: Von Pizza über Beauty, Kredite bis zu WG-Vermietungen ist alles im Portfolio. Doch so bunt der Rocket-Strauß ist, so undurchsichtig wirkt das Gewächs - trotz Börsenprospekt, wahrscheinlich auch trotz der zu erwartenden Bilanz am Dienstag.

In Berlin sind die 30.000 Rocket Internet Mitarbeiter jedenfalls nicht

Angeblich sei man in 110 Ländern mit Internet-Portalen aktiv und beschäftige 30.000 Mitarbeiter, heißt es bei Rocket. Doch schon bei näherer Analyse der einzelnen Rocket-Internet-Beteiligungen wird deutlich: Wirklich transparent ist vieles nicht. Wo die 30.000 Mitarbeiter sein sollen ist ebenfalls nicht klar - in Berlin sind sie jedenfalls nicht.

Dennoch: Oliver Samwer ist ein einmaliges Genie, wenn es darum geht, Investoren zu finden und zu begeistern. So wie er mit Charme und Melone Menschen zu Investments verführt, kann das in Deutschland kein anderer. Gleichzeitig ebnet er für andere Internet-Unternehmen den Weg an die Börse.

Klar ist dabei auch: Gelingt es nicht, den Grauen Kapitalmarkt, die Börse, für Internet-Unternehmen in Deutschland wieder attraktiv zu machen, werden die USA die komplette digitale Welt dominieren und beherrschen. Weltkriege sind nicht mehr atomar, sondern digital. Allerdings sollte vor einer blinden Samwer-Gefolgschaft gewarnt werden:

Es gibt in Deutschland eine ganze Reihe von Internet-Unternehmen, darunter auch großen, die ein wesentlich bodenständigeres Geschäft betreiben, als die Jahrmarkts-Portale von Rocket Internet. Diese zu Rocket Internet in Konkurrenz stehenden deutschen Internet-Unternehmen benötigen ebenfalls Wachstums-Investments und große Partner.

Als Arbeitgeber genießt Rocket Internet keinen guten Ruf

Doch viele von ihnen finden keine Investoren, da die Mehrheit der ins deutsche Internet investierenden Fonds oder Family Offices sich derzeit vor allem für den vermeintlichen Glamour eines Oliver Samwer interessieren und dabei durchaus nicht so kritisch in die Bücher schauen, wie sie es bei anderen Internet-Unternehmen gerne machen. Das ist nicht gesund.

Hinzu kommt: Als Arbeitgeber genießt Rocket Internet in der Szene bislang keinen guten Ruf. Die Stimmung sei in der Zentrale in Berlin schlecht, heißt es. Außerdem würden schlechte Gehälter bezahlt und einige Manager sonnten sich etwas zu narzisstisch im Sonnenlicht des Erreichten.

Da passt ins Bild, dass es Bewerber geben soll, die zwar zu einem Vorstellungsgespräch zu Rocket Internet geladen wurden, dann aber kurzfristig unter dubiosen Ausreden der Personalabteilung plötzlich doch kein Vorstellungsgespräch bei dem zuständigen Fachabteilungs-Entscheider erhalten haben sollen. Stattdessen soll mit irgendeinem ominösen "Vertreter" das Gespräch plötzlich in einem düsteren Mini-Konferenz-Raum hinter einem Massenarbeits-Büro stattgefunden haben, ohne dass je wieder ein Feedback an den Bewerber gekommen sein soll. Attraktiver Arbeitgeber klingt anders.

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