Heißes Pflaster Kinox.to: Flucht Beschuldigte zeigt, dass Sachsen gefährlichstes Internet-Pflaster Deutschlands ist

Die ursprünglich zur Bekämpfung von Korruption in Sachsen - primär auf staatlicher oder behördlicher Ebene - gegründete Sonderermittlungs-Gruppe Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen besteht im Kern aus rund 20 Ermittlern. Darunter sind Staatsanwälte, Kriminalbeamte, IT-Forensiker oder Steuerfahnder. Doch kann ihre Einheit auch massiv aufgeblasen werden und schon einmal 120 Ermittler für Razzien umfassen.

Huuh, nach dem Iran kommt kinox.to - interpretiert man die Presse-Veröffentlichungen der Dresdner Generalstaatsanwaltschaft.

Kommentar - Zwei aus dem schleswig-holsteinischen Lübeck stammende Brüder im Alter von 22 und 25 Jahren, welche angeblich von Sachsens Uni-Metropole Leipzig aus das Movie-Streaming-Portal kinox.to betrieben haben sollen, seien angeblich weiter auf der Flucht vor einem Haftbefehl der Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen (Ines). Dies lässt sich aus einer Mitteilung der Nachrichtenagentur dpa (Deutsche Presseagentur) interpretieren.

Das reicht dann vom Polizeibeamten über Computer-Hacker bis zum Steuerinspektor der Finanzämter. Dabei ist die nun auch im Falle von Kinox.to federführendende Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen - bekannt als Antikorruptionseinheit Sachsen - direkt bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden angesiedelt. Bis vor wenigen Monaten habe sie durchgehend aus dem Westen stammende recht selbstherrlich agierende Chefs gehabt, berichtet einer im höheren Dienst aus Sachsens Justizministerium.

Umstritten auf allen Ebenen ist die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen bis heute. Immer wieder werden Rufe auf Seiten von Politikern laut, die Einheit "wegen Ineffizienz oder völlig überzogener staatlicher Maßnahmen gegen Beschuldigte abzuschaffen". So drückt es zumindest ein bekannter CDU-Landtagsabgeordneter der derzeitigen sächsischen Regierung aus. Von Seiten der SPD sind ähnliche Worte zu hören.

Vorwurf der Urheberrechtsverletzung

Jedenfalls wirft die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen den jungen Brüdern vor, sie hätten Kinox.to betrieben und hätten dabei gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzungen begangen.

Doch Fakt ist: Das mit den "gewerbemäßigen Urheberrechtsverletzungen" könnte man auch dem Google-Portal YouTube seit Jahren vorwerfen, nur mit dem Unterschied:

YouTube scheffelt auch damit jährlich Milliarden Euro, ist in Kalifornien angesiedelt, gehört aber zum 300-Milliarden Dollar-Konzern Google Inc. Zudem steht YouTube - auch wegen seiner weltweit wichtigen politischen Rolle – direkt unter dem Schutz der US-Regierung. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die digitale Revolution weltweit und in allen Bereichen durch US-Konzerne dominieren zu lassen und damit weltweit Milliarden Nutzer digital kontrollieren zu können.

Doch Sachsen ist nicht Kalifornien. Entsprechend wäre die Integrierte Ermittlungseinheit Ines nicht die Ines, würde sie nicht auch noch zusätzlich zu besonders drastischen Vorwürfen gegen die Beschuldigten jungen angeblichen Kinox.to-Brüder – wie Urheberrechtsverletzungen – zu weiteren besonders kriminell klingenden Vorwürfen neigen. So habe man angeblich Notiz erhalten von "Erpressung" (ok, kennen wir aus den Mafia-Filmen und klingt immer gut, wenn ein Staatsanwaltschaft das in seinen Haftbefehl schreibt).

Zusätzlich wirft man den angeblichen Kinox.to-Paten eine angebliche mögliche Steuerhinterziehung von angeblich "mindestens 1,3 Millionen Euro" vor. Dabei ist bekannt: Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden in Sachsen legt in Ermittlungsverfahren gegen Unternehmen oder Unternehmer gerne Wert darauf, dass der Steuervorwurf möglichst drastisch klingt und möglichst die 1-Millionen-Euro-Grenze in Strafverfahren knackt.

Die eine Millionen angeblicher Steuerhinterziehung klingt immer gut

Grund: Das macht den Antrag auf Haftbefehl beim Amtsgericht einfacher, klingt in der Öffentlichkeit noch dramatischer und garantiert, dass man als Beschuldigter weiß, wohin die Ines einen bringen will: In den Knast, am besten lebenslang. Denn nach Drogenkartellen kommt bekanntlich direkt das Internet an zweiter Stelle - zumindest aus Sicht von Ines und einigen besonders Konservativen in der Sächsischen Staatsregierung. Dabei ist Konservativ nicht nur auf manchen in der CDU beschränkt, sondern gilt in Sachsen auch für einige SPD-Mitglieder, die die Justiz gerne zur Durchsetzung ihrer persönlichen Ansichten nutzen und in "Arbeitskreisen" entsprechende Netzwerke pflegen.

Bereits 2014 hatte die Ines zwei andere Personen im Falle von Kinox.to festgenommen. Ob sie immer noch in Dresden in U-Haft sitzen oder wieder frei sind, ist nicht bekannt. Bekannt ist aber: U-Haft wird in Deutschland entgegen der Gesetzeslage immer häufiger dazu missbraucht, um Menschen zu brechen. So hat man schon vor einem Gerichtsurteil Fakten geschaffen, die den in U-Haft Befindlichen von Anfang an zerstören können – gesellschaftlich, politisch, im Geschäftsleben.

Wer in U-Haft sitzt, weiß: Selbst zum Duschen muss man in Sachsen einen Antrag stellen. Besuche gehen nur über Anträge. Es soll angeblich sogar nur kaltes Wasser in Dresdner Gefängniszellen geben. Zudem dürfen Beschuldigte angeblich in einigen Gefängnissen ihre Hände nicht unter die Decke legen – man könnte sich ja körperlich zu nahe kommen.

Nach wir vor ist das bei Millionen Nutzern – vor allem bei Hunderttausenden Studenten oder Azubis – beliebte Streaming Portal Kinox.to wieder online. Die Sächsische Generalstaatsanwaltschaft teilte enttäuscht mit, man habe leider nicht die Zugangscode auf den beschlagnahmten Festplatten oder sonstigen beschlagnahmten Unterlagen (das kann schon mal das ganze Kinderzimmer umfassen) finden können. Daraus entnehmen wir aber auch:

Die Beschuldigungen der Staatsanwaltschaft gegen die mit Haftbefehl Gesuchten oder in U-Haft Befindlichen angeblichen Kinox.to-Paten könnten doch absurd sein. Denn ein Forensiker findet fast immer ausreichend Spuren für einen Computerzugang. Alternativ könnte man aus dem Eingeständnis, man habe den Zugang zu Kinox.to bis heute angeblich nicht finden können, auch schließen: Trotz manchmal berüchtigtster derbster Verhörmethoden, welche in der Integrierten Ermittlungseinheit Ines schon einmal zur Anwendung kommen sollen, scheinen sich die Festgenommenen bislang nicht brechen haben lassen und schweigen.

Eigentlich sollte die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen mal Korruption in der Politik bekämpfen

Eines kann man wohl mittlerweile sagen: Dank des Hauptfokus der Sonderermittlungseinheit Ines, welche vor über zehn Jahren von dem damals CDU-dominierten Landtag Sachsen ins Leben gerufen wurde, kann Sachsen mittlerweile als gefährlichstes Pflaster für Unternehmen des Digital Business, vor allem des Internet-Business genannt werden.
Die Reihe der Angriffe gegen digitale Unternehmen ist lang, die Opfer von Ines auch. Sie reichen bis hinauf bis in die sächsische Staatsregierung.

Mittlerweile regiert in Sachsen eine Große Koalition aus SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag mit der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag. Doch selbst Regierungsmitglieder stöhnen mittlerweile (noch nur hinter vorgehaltener Hand), "dass wir mittlerweile unzählige Unternehmen, aber auch Behörden kennen, die auch völlig zu Unrecht teils mit Razzien oder U-Haft von der Ines überzogen worden" seien. Dass ein Großteil der Ines-Vorwürfe dann vor Gerichten von Richtern wieder kassiert wurde, sei einmal dahingestellt.

In welchem Ausmaß das passiert, zeigte 2013 eine Kleine Anfrage im Landtag Sachsen vom damaligen Leipziger Landtagsabgeordneten der Linken, Dr. Volker Külow, an die damaligen Sächsische Staatsregierung in Dresden. Doch selbst wenn Gerichte Anschuldigungen der Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen gegen Beschuldigte zurückweisen: Die Scherbenhaufen in Unternehmen, aber auch Behörden, können dann andere aufkehren.

Ob die von der Staatsanwaltschaft Ines nun verfolgten beiden Brüder tatsächlich Kinox.to betrieben haben oder nicht, sei einmal dahingestellt. Doch wirkt alleine der Umfang der Beschuldigungen gegen die jungen vermeintlichen Internet-Paten ganz so, als habe hier ein Staatsanwalt zu viele Hollywood-Blockbuster gelesen. Dazu passt, dass die Beschuldigten natürlich auch als "gewaltbereit" gelten würden – was die dpa natürlich genüsslich aufgreift und verbreitet.

Kinox.to ist ein Nachfolgeportal von Kino.to – einem im Jahr 2011 ebenfalls durch die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen eingestellten Portal. Die Nutzerschaft umfasste weltweit viele Millionen. Darunter dürften Hunderttausende Bürger aus Sachsen gewesen sein – vor allem Studenten, Azubis und Schüler. Doch gegen sie wurde bislang kein Ermittlungsverfahren durch die Ines eingeleitet. Warum eigentlich nicht? Dann könnte die Ines sich doch erst zu richtiger Größe entfalten und ihrem Auftrag, Korruption auf allen Ebenen zu verhindern, nachkommen.

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