Statt ICE-Fahrt Zwangsumstieg in S-Bahn Smart Connectivity Deutschen Bahn AG? Nachthorror auf Strecke Hamburg-Leipzig


Statt schickem ICE Weiterfahrt in der S-Bahn. Aber die Fahrt sollte trotzdem komplett nach ICE-Standard bezahlt werden.
Bild: nt

Da hört man viel von Smart Connectivity, welche unser Leben durchziehe. Ja, und fast hätte mans geglaubt, wenn man nicht mal wieder mit der Deutschen Bahn AG unterwegs gewesen wäre – wie ich gestern Abend, am Sonntag den 22. März 2015.

Dabei hatte alles so schön angefangen mit dem digitalen Leben: Über mein Samsung Galaxy Smartphone hatte ich von einem wunderbaren sonnigen Frühlings-Alsterspaziergang aus auf der App der Deutschen Bahn AG nachgeschaut, wann denn die beste Eisenbahnverbindung von Hamburg nach Leipzig über Berlin Hauptbahnhof wäre. 20 Uhr wurde angezeigt, Ankunft Leipzig Hauptbahnhof 23.05 Uhr. Also rund drei Stunden Fahrzeit. Eigentlich.

Günstig war das Ticket für die Strecke Hamburg – Leipzig nicht gerade. Regulär berechnete die Bahn für den ICE über 200 Euro (Hin- und Rückfahrt), mit Bahncard 50 reduzierte sich der Preis auf 104 Euro.

Da ich mal wieder – doppelte Haushaltsführung – meine Bahncard am falschen Ort aufbewahrt hatte, nur nicht in der Bahn, klärte mich schon auf der Hinfahrt nach Hamburg die Schaffnerin auf, ich müsse 15 Euro Strafgebühren für ein nachträgliches Vorzeigen der Bahncard am Bahnschalter bezahlen. Abzocke auf Bahn-Art.

Die Deutsche Bahn AG begründet dieses nicht smarte Verhalten damit, wonach der Zugführer in seinem (altertümlichen) Bordcomputer nicht sehen könne, wer eine Bahncard habe und wer nicht. Dies gelte auch dann, wenn man seinen Personalausweis vorzeigen könne, nicht aber seine teuer erstandene Bahncard. Ist ja auch in Zeiten von Smart Clouds alles ganz furchtbar schwierig – die Verwaltung von Kundendaten an Bord eines fahrenden Zuges.

Der Zug fuhr pünktlich ab - was aber kein gutes Omen sein sollte

Jedenfalls Punkt 20 Uhr war am Sonntagabend den 22. März die Zugabfahrt in Hamburg. Trotz Smart Connectivity-Nutzung meinerseits klappte aber denn dann doch nicht alles ganz smart. Dabei hatte ich permanent meine Reise über Kontrollblicke auf diverse Apps geplant.

Neben der Deutsche Bahn App – dem DB Navigator - hatte ich in Hamburg die in fast allen deutschsprachigen Regionen nutzbare beliebte Öffi-App "Öffi-Fahrplanauskunft" von Andreas Schildbach aktivieren wollen. Immerhin ist die Öffi App bereits über 5 Millionen Mal heruntergeladen worden und gehört damit zu den erfolgreichsten Apps für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Deutschland, Österreich oder der Schweiz.

Allerdings stellte ich in der Hansestadt Hamburg verwundert fest, dass sich die Herrscher über den ÖPNV HVV (Hamburger Verkehrsverbund) dem föderalen bundesdeutschen Ansatz im digitalen Leben entziehen. Denn in Hamburg können Touristen oder Geschäftsreisende nicht ihre möglicherweise bereits installierte Öffi-App nutzen. Vielmehr zwingt der Hamburger Verkehrsverbund HVV Besucher der Stadt, die HVV-App herunterzuladen und zu nutzen.

Wenn ein Monopolist wie der HVV zweifelhafte Werbeeinblendungen in seiner App hat

Dieser kleinbürgerliche Ansatz des HVV, welcher alles andere als weltoffen ist, wird mit dem kapitalistischen Ansatz gekrönt, dass man bei HVV-App-Abfragen nach Abfahrten von U-Bahnen oder S-Bahnen ungebeten Werbung erhält. So gibt es exklusive - scheinbar redaktionelle - zusätzliche Standard-Einblendungen vom privaten Carsharing-Anbieter Car2Go oder der privaten Taxi-App "mytaxi".

Ganz abgesehen davon, dass sich hier erhebliche wettbewerbsrechtliche Fragen stellen. Hierzu gehört beispielsweise: Wie kann sich ein staatlich geförderter Monopolist – wozu der HVV gehört – erdreisten, bestimmte private Fahrdienste in der HVV-Monopol-App prominent als Fahralternative anzubieten, andere Wettbewerber, die der Verbraucher aber vielleicht nutzen möchte, nicht darzustellen? Hinzu kommt: Die Einblendungen der privaten Fahrdienste sind nicht gerade so, als dass man das als Werbung sofort erkennt - was die Frage nach einer möglicherweise "irreführenden Werbung" aufwirft.

Denn es gibt neben Car2Go auch noch andere Anbieter von Carsharing-Produkten und auch mytaxi ist nicht der einzige Taxi-App-Anbieter. So gibt es noch Uber und viele andere Wettbewerber. Warum werden die nicht gelistet in der HVV-App? Bezahlen die keine Werbegelder an den HVV oder was ist der Grund? Fragen, die man sich im Smart Zeitalter als HVV-Kunde stellt.

Doch möchte ich an dieser Stelle nicht zu sehr abschweifen. Unterwegs von Hamburg nach Leipzig scheint der Zugführer des ICE aus welchen Gründen auch immer nach meinem Befinden herumgetrödelt zu haben. Oder es gab mal wieder irgendwelche technischen Probleme.

Wegen drei Minuten Verspätung fuhr der Anschluss-ICE im Berliner Hauptbahnhof einfach ab, Zuggäste waren verärgert

Jedenfalls führte dies dazu, dass der ICE drei Minuten zu spät Sonntagnacht im Hauptbahnhof Berlin ankam – und zwar erst um 21.56 Uhr, statt planmäßig um 21.49 Uhr. Um 21.53 war jedenfalls der Anschluss-ICE nach Leipzig vom Berliner Hauptbahnhof direkt vom Gleis gegenüber bereits abgefahren. Der Schaffner hatte dies in einer flapsigen Durchsage an Bord des ICE angekündigt.

Dies führte dazu, dass Dutzenden Fahrgästen der Deutschen Bahn zugemutet wurde, eine Verlängerung ihrer Fahrt von Hamburg nach Leipzig um 40 Minuten hinzunehmen – Sonntagsnachts. Was die Ursache war, warum der Zugführer des ICE im Berliner Hauptbahnhof nicht einfach drei Minuten länger bleiben konnte, darüber stritt ich mit meinem Freund. Er meinte, das habe sicherlich technische Gründe, ich sagte: Der Zugführer – dieser A… - hatte einfach keinen Bock Sonntagnacht auf Fahrgäste zu warten und fuhr egoistisch ab.

Die ICE-Gäste hatten jedenfalls wegen drei Minuten verspäteter Einfahrt im Hauptbahnhof Berlin 40 Minuten mehr zu fahren. Ist das angemessen liebe Bahn AG? Kann ein ICE, der in der Spitze über 250 Stundenkilometer fahren kann, drei lächerliche Minuten auf geraden Strecken nicht recht einfach wieder einholen mit etwas good will?

Nach 20 Minuten (die ich mich, um der zugigen Kälte auf den Bahnsteigen 1 und 2 zu entgehen von 21.50 Uhr bis 22.10 Uhr bei McDonald's im ersten Stock aufgehalten hatte) trudelte jedenfalls im Berliner Hauptbahnhof ein Schlafwagenzug der Schweizer Bahn ein – irgendwie dreckig und schmuddelig sah er aus. Gefühlte Hunderte Gäste warteten schon am Gleis am Berliner Hauptbahnhof, als das riesige Stahlelend einfuhr. Von unzähligen Waggons gab es nur zwei mit Sitzplätzen. Natürlich ganz vorne. Nur wer rannte, konnte noch rechtzeitig den 300 Meter?-Zug hinter sich bringen und einen Sitzplatz ergattern. Von ICE-Komfort war dort nichts mehr zu spüren.

Statt ICE-Komfort Herumdrücken im schmutzigen Schlafwagen mit Umstieg in Bitterfeld

Schmutzige Sitze, abgewetzte Gepäckfächer, klapprige Zugabteil-Türen, dreckig aussehende Zugteppiche, muffige Gerüche. Das musste nun eine geschlagene Stunde erduldet werden. Dann gut eine Stunde später nach verärgertem Verharren im Zugelend Ankunft in Bitterfeld.

Ich dachte mir: Wie bitter und jetzt auch noch dort, in der Provinz, an einem kalten dunklen Bahnhof umsteigen. Dort galt es mit Gepäck zu rennen – den Bahnsteig von Bitterfeld entlang, die steile Treppe des Bahnhofs hinunter, im Tunnel nach links, dann wieder Treppe rauf und Angst im Nacken. Angst, dass die dort stehende S-Bahn nach Leipzig auch wieder abgefahren ist, da der Zugführer keine zwei Minuten auf einen wichtigen Anschlusszug warten wollte.

Immerhin: In letzter Sekunde schlidderten wir mit Gepäck in die S-Bahn in Bitterfeld – Sonntagnacht bei wenigen Graden über Null. Statt angenehmer (teuer bezahlter) ICE-Fahrt also 20 Minuten weitere Fahrt von Bitterfeld nach Leipzig Hauptbahnhof in der billiger ausgestatteten und langsameren S-Bahn. Dazu muss man wissen: Auch die S-Bahnen werden in Deutschland von der Deutschen Bahn AG betrieben.

Statt um 23.05 Uhr trudelten wir schließlich Sonntagnacht um 23:45 Uhr im Leipziger Hauptbahnhof ein. Von der sonntäglich genossenen Frühlingsstimmung in Hamburg war nach einer bald vierstündigen Reise von Hamburg nach Leipzig nicht mehr viel übrig. Klar: Ich war, wie viele Fahrgäste, verärgert. Von Smart Travel mit der Deutschen Bahn AG hatte ich nicht viel gemerkt.

Aus einer dreistündigen Fahrt von Hamburg nach Leipzig wurde eine vierstündige

Dem ICE-Zugführer, welcher am Sonntagabend den 22. März keine Möglichkeit sah, die drei Minuten im Berliner Hauptbahnhof am gegenüberliegenden Gleis auf Fahrgäste aus Hamburg zu warten, um sie nach Leipzig zu bringen, gilt hier meine Notiz:

Hätten sie nicht drei Minuten warten können? Drei Minuten, welche Dutzenden teuer bezahlenden Fahrgästen der Deutschen Bahn AG viel Ärger erspart hätte und das Wochenende zu einem schönen Ausklang gebracht hätten, wenn sie nur gewartet hätten.

Oder wollten sie ins Bett und haben uns dann zugemutet, 40 Minuten nächtliche Horrorzeiten bei McDonald's, einem zugigen Bahnsteig, stinkenden Schlafwaggons und billigeren S-Bahnen zu erleben? Wenn das der Fall war, möchte man sagen: Schämen sie sich! Und auch dieser Gedanke geht einem durch den Kopf: Dass solche Zugführer obendrein ständig mehr Geld in Streiks fordern, beschämt zusätzlich. Nicht mich, sondern es sollte sie beschämen.

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