Historische Entscheidung über Netzneutralität in den USA / Keine Überholspur für Reiche

Eine Unterschriftenkampagne an die US-Regierung mit über 4 Millionen Unterschriften hatte sich klar gegen ein Internet ausgesprochen, in welchem Reiche und Großkonzerne bevorzugt behandelt werden. Im Gegensatz zu der politischen Partei der Republikaner (Opposition) sagte die Regierungspartei der Demokraten, wonach das Internet neutral sein solle. Ein Internet mit Überholspur für Reiche solle es nicht geben.

Bild: netz-trends.de

In den USA deutet sich immer mehr an, dass die Netzneutralität ("Net Neutrality") nun auch rechtlich festgeschrieben wird. Dem waren Monate der hitzigen Debatten vorausgegangene.

Unter Netzneutralität versteht man, dass niemand dafür bezahlen darf, dass seine Inhalte von den Kabelnetzanbietern oder sonstigen Transporteuren von digitalen Signalen dafür bezahlen darf, dass seine Inhalte schneller zum Endverbraucher durchgeleitet werden.

Neben der Regierung um US-Präsident Barack Obama (Demokraten) hatten sich zahlreiche nationale und internationale Internet-Aktivisten für ein neutrales Internet stark gemacht, also gegen ein Internet für Reiche.

Voraussichtlich noch am Donnerstag wird sich die amerikanische Regulierungsbehörde, die Federal Communications Commission FCC (FCC Chairman: Tom Wheeler), zu ihren Plänen bezüglich einer gesetzlich festgeschriebenen Netzneutralität äußern. Derzeit gehen politische Beobachter davon aus, dass sich die FCC offiziell für ein Verbot von Zahlungen für eine schnellere Leitung für bestimmte Inhalte im Internet aussprechen wird.

Schon jetzt sprechen Netz-Aktivisten davon, wonach man mit der Verteidigung der Netzneutralität einen großen Sieg gegen Großkonzerne und Reiche errungen habe. Dem erwiderten republikanische Abgeordnete in Washington, wonach ein neutrales Internet "Obamacare für das Internet" sei.

Als Alternativvorschlag hatte FCC-Chef Thomas Wheeler angeregt, er könne sich auch vorstellen, dass ein schneller Transport von Internet-Inhalten zum Standard für alle erhoben werden solle. Dann hätten kleine wie große Anbieter die gleiche Chance, dass sich ihre Webseiten schnell vom Endnutzer öffnen ließen.

Ein solcher Ansatz wird in Deutschland seit Beginn des Internets gefahren. Es wäre wahrscheinlich auch gar nicht mit dem deutschen Grundgesetzt, also der deutschen Verfassung, vereinbar, wenn hierzulande einzelne Internet-Konzerne dafür bezahlen könnten, dass sich ihre Webseiten schneller öffnen, als jene von kleinen Unternehmen oder Inhalteanbietern.

Doch selbst wenn sich die FCC am Donnerstag für ein offenes Internet aussprechen wird, gehen derzeit Beobachter davon aus, dass ein weiterer langer Kampf vor Gerichten bevorsteht. Mit Hunderten Millionen US-Dollar Einsatz dürften die großen Kabelunternehmen und Internet Service Provider versuchen, das Internet zu ihren Gunsten zu manipulieren.

Hier hätten dann die Gerichte zu entscheiden, ob sie das Internet ansehen wie ein öffentliches Gut oder ein privates Gut. Im letzten Fall könnten eben Großkonzerne geltend machen, ihre Webseiten hätten eine größere Priorität als andere Webseiten, weshalb sie sich schneller öffnen lassen sollten. Würde eine solche Priorisierung von Inhalten in den USA durchgesetzt, wäre das nicht weniger als der Anfang vom Ende des offenen Internets.

Es wäre der Anfang des unfairen Wettbewerbs, welchen kleinere Webseiten verlieren würden. Während Großkonzerne in Glasfaser-Geschwindigkeit oder LTE Inhalte zum Endverbraucher bringen könnten, müssten kleine Webseiten wie vor 15 Jahren mit analoger Geschwindigkeit rechnen. Doch da Geschwindigkeit der Schlüssel zum Erfolg einer Webseite ist, wäre das wohl für Millionen Webseiten das Ende. Wer will schon für jeden Button, den er auf einer Webseite aktiviert, viele Sekunden warten, ehe es zu einer Reaktion kommt?

Für ein offenes Internet hat sich auch die Non-Profit-Stiftung der Mozilla Foundation ausgesprochen. Gegen ein offenes Internet hatte sich unter anderem der amerikanische Verband von Kommunikations-Konzernen, die "National Cable & Telecommunications Association" ausgesprochen. "Anhänger des offenen Internets tun so, als wäre das Internet eine Frage der Religion", kritisierte Brian Dietz von Kabelverband "National Cable & Telecommunications Association".

Gegen eine Netzneutralität hatten nahezu alle Milliarden-Giganten der amerikanischen Breitbandwelt opponiert: Comcast, Verizon Communications, AT & T oder Time Warner Cable. Für Netzneutralität hatten sich viele kleinere Anbieter stark gemacht: Mozilla Firefox, Tumblr, Etsy, Boingboing, Reddit und Hunderte NGOs.

Wohlwissend, dass die US-Konzerne Amazon oder Google gerade davon leben, dass das Internet sich den Anschein der Neutralität nach wie vor gibt, hatten sich sowohl Google wie Amazon in der Debatte um ein Ende der Netzneutralität eher zurückgehalten.

Wie emotional aufgeladen das Thema Netzneutralität in den USA ist, zeigt sich daran, dass US-Präsident Barack Obama bereits im November 2014 bekannt gegeben hatte, dass es über vier Millionen Unterschriften an das Weiße Haus in Washington D.C. gegeben habe, welche sich für eine Netzneutralität ausgesprochen hätten.

Dies sei ein überwältigendes Zeichen, so Obama, dass die Amerikaner kein Internet mit einer Überholspur für Reiche haben wollten.

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