Mozilla in der Diskussion Dubios: WOT Web of Trust - Mozilla Firefox ad-on wenig glaubhaft

Die Webseite WOT Web of Trust sagt, sie habe weltweit bereits mehr als 35 Mio. Nutzer. Ist ja auch kein Wunder: Wird die Seite doch prominent vom Internet-Browser-Dienst Mozilla Firefox durch Best-Platzierungen in der Ad-On-Liste dem Nutzer geradezu aufgedrängt. Dabei mehren sich die Stimmen, die WOT misstrauen - aus gutem Grund. Warum, das möchte netz-trends.de hier darlegen.

Das Anliegen von "WOT – Web of Trust" ist ein durchaus berechtigtes – nämlich Orientierung im Web zu bieten. Mit Hilfe von Mozilla Firefox verspricht das ad-on "WOT - Web of Trust", dass man das könne. Hierfür durchläuft jede Webseite eine einheitlichen Raster-Kategorie von WOT:

Das Mittel: Vier Kriterien werden für die Webseiten abgefragt: Trustworthiness (Vertrauenswürdigkeit), Vendor reliability (Verkäufer/Händler-Zuverlässigkeit), Privacy (Einhaltung des Datenschutzes) und Child Safety (Kindersicherheit/Jugendschutz). Ob die Kriterien auch zu einer Webseite passen, spielt in der WOTler-Welt keine Rolle. "WOT – Web of Trust" reitet sehr geschickt auf der Welle von Allgemeinplätzen.

Wer das Mozilla-Ad-On einmal heruntergeladen hat, der kann recht willkürlich scheinbar nicht nur ver- und beurteilen, sondern dem steht künftig beim Aufruf einer jeden Seite mittels Firefox eine Internet-Zensurbehörde vor. Sie ist das Nadelöhr, durch die jetzt jede Homepage muss. Beim Öffnen des Mozilla-Firefox-Browsers kreischen einem Willkürs-Benotungen entgegen. Sie suggerieren einem, sie basierten auf vermeintlich seriösen Beurteilungen.

Mit kräftigen Schwüngen schwarz und weiß pinseln

Die Internetwelt wird auf "WOT – Web of Trust" mit kräftigen Schwüngen in schwarz und weiß gepinselt, die Welt in Gut und Böse unterteilt. Wenn eine Webseite eine bestimmte Anzahl negativer Votings hat, knallt sich ein dramatisches "Warnung!"-Plakat schrill über die gesamte Bildschirmfläche und vor die Linse des verunsicherten Webseiten-Besuchers. Das Ausrufezeichen hinter dem riesig geschriebenen Wort "Warnung! Diese Seite hat einen schlechten Ruf basierend auf Benutzerbewertungen" erscheint dabei wie ein knallender Sheriff an einer Verkehrs-Kreuzung.

"WOT – Web of Trust" hat Dank Mozilla Firefox zugeschlagen und umhüllt die Seite zudem mit einem undurchdringlich erscheinenden dunkelgrauen Milchbrei-Schleier. "WOT – Web of Trust" ist nicht nur eine Empfehlung zur Nutzung von Webseiten, sondern mutiert in viel zu vielen Fällen zu einer aggressiven Attacke gegen eine Seite, die scheinbar vor allem eines verhindern soll: Dass Nutzer sich nicht voreingenommen über eine Webseiten ein Bild machen.

Wer jetzt ein kleines Schrittchen weiter geht, der rennt ins Verderben, ins Internetverderben einer Webseite, die eigentlich abgeschaltet gehört – so könnte man die "WOT – Web of Trust"-Keule deuten. Doch ist das tatsächlich so? Niemand weiß es. Wie viele Votings wirklich vorliegen, wird nicht groß mitgeteilt.

Man hat den Eindruck, dass schon wenige Duzend Bewertungen genügen um eine Homepage – selbst bei Millionen Nutzern im Monat – ins vermeintliche Rotlichtmilieu zu befördern. Seltsam: Auch nach mehrmaligen Tests kann man sich der Vermutung nicht erwehren, dass ein eigenes Voting letztlich Null Auswirkungen auf das Ranking einer Webseite hat. Man fragt sich: Geht bei "WOT Web of Trust" wirklich alles mit rechten Dingen zu?

Ein großes Fragezeichen

Man hat eher den Eindruck: Einerseits hat man gar keinen Einfluss auf ein Voting, selbst wenn mehrere Kollegen oder Freunde über unterschiedlichste IP-Nummern des Computers voten. Auf der anderen Seite wirkt WOT so, als gäbe es doch Personen oder Maschinen die WOT-Seitenbeurteilungen manipulieren - im Guten wie im Schlechten. Am hilfreichsten könnten noch die teils eingeblendeten Kommentare sein. Doch: Was nutzen 100 Kommentare, wenn eine Seite zwei Millionen Nutzer im Monat hat? Es ist ja bekannt: Viele nutzen Kommentarfunktionen in WOT um ihren Frust über eine Seite zu verdeutlichen. Doch: Ist das repräsentativ, wenn Nutzer im Promillebereich sich da auslassen???


Bei Wikipedia gibt es 20-Jährige Administratoren die recht selbstherrlich Texte verändern, behindern oder befördern können - auch dann, wenn sie überhaupt keine Kompetenz in einem Bereich haben. Wer sind die Administratoren von WOT, was zeichnet ihre Kompetenz aus, ihre Unabhängigkeit, ihre Glaubwürdigkeit, ihre Fairness??? Und: Wie viele gibt es davon? Wo sind sie? Wie wurden sie Administratoren bei WOT? Bei Wikipedia kann man sie zumindest noch mit etwas Recherche kontaktieren. Bei WOT haben Kontaktversuche ins Nirwana geführt. Das erhöht nicht gerade das Vertrauen.

Manipulations-Gerüchte - sie verstummen nicht sondern werden lauter

Die Gerüchte, bei WOT gebe es massenhaft manipulierte Webseiten-Beurteilungen - sie mögen nicht verstummen, sondern werden immer lauter. Doch es stehen nicht primär die Nutzer im Verdacht, sondern die Macher im Hintergrund. Und selbst wenn die Votings der Nutzer tatsächlich eine relevante Größe in der Beurteilung der Webseiten wären? Warum ist eine Beurteilung nicht auch mit einem eindeutigen Namen in Verbindung zu bringen? Warum wird nirgends die Anzahl der Votings transparent publiziert, wie das zum Beispiel bei dem Button "I like it" von Facebook der Fall ist? Oder auch beim Google-Social-Media-Button? Müsste man sich dann vielleicht eingestehen, dass WOT doch eine einzige aufgeblasene und von Mozilla Firefox beförderte Seifenblase ist, die eigentlich in ihrer derzeitigen Form als ad-on von Mozilla entfernt gehörte?

Würde WOT ähnlich transparent agieren, wie Facebook oder Google zumindest im Social Media Bereich - man könnte auch etwas leichter verhindern, dass überhaupt nur der Eindruck entsteht, WOT wäre unseriös. Dann wäre es um ein vieles glaubhafter, dass wirklich die Nutzer im Mittelpunkt stehen und nicht willkürlicher Größenwahn im Netz. Dann ließe sich auch etwas leichter ausschließen, dass Nutzer unliebsame Seiten, die sie einfach nur nicht "mögen" völlig willkürlich down graden oder Seiten, die sie "mögen" willkürlich massenhaft upgraden. Denn so oft man bei WOT auch clickt, immer wird einem suggeriert, man habe tatsächlich ein relevantes Voting abgegeben. Beim genauen Hinschauen sind da aber erhebliche Zweifel angebracht.

Es wird also höchste Zeit "WOT – Web of Trust" deutlich kritischer zu betrachten, als das bislang erfolgt ist. Denn die Seite wächst fast monatlich um eine Millionen Nutzer.

Ein seriöses Benchmark sieht anders aus

Wenig Vertrauen erwecken auch Gerüchte, wonach es Freaks geben soll, die bereits Computerprogramme geschrieben haben, die automatisiert bestimmten Webseiten regelmäßig in "WOT – Web of Trust" die schlechtesten Beurteilungen zukommen lassen. Wird hier wirklich alles getan, um das zu verhindern? WOT sagt ja. Doch: Auch hier konnte uns WOT bislang nicht überzeugen.

Wohin man auch schaut, fällt einem beim WOT-Test immer und immer wieder die Beliebigkeit des ganzen Systems auf, was sich als climax in der einheitlichen Beliebigkeit und für viele Seiten auch Irrelevanz der abgefragten Kriterien manifestiert. Warum beispielsweise für Flugbuchungsportale die Kindersicherheit abgefragt wird, ist genauso rätselhaft, wie eine generelle Abfrage nach einer nicht näher umschriebenen angeblichen "Glaubwürdigkeit" einer Webseite, der "Verkäufer-Zuverlässigkeit" oder der Einhaltung der "Privacy-Richtlinien". Warum beispielsweise die "Verkäufer-Zuverlässigkeit" beim Voting für spiegel-Online mit 25 Prozent ins Gewicht fallen würde bei WOT, obwohl es sich um ein journalistisches Angebot handelt - wir wissen es nicht und verstehen es auch nicht.

Alles über einen Kamm scheren

Aber auch hier wird schön alles über einen Kamm geschert. Eine normale Nachrichtenseite wurde von "WOT – Web of Trust" als kindergefährdend verleumdet und ist seither im Firefox Browser immer mit roten Warnkringeln versehen. Eine Rätselseite kann nach WOT-Beurteilungs-Floskeln datenschutzrechtlich bedenklich sein. Ebenso muss eine Mondkalender-Seite, die überhaupt nichts verkauft, sich gefallen lassen, als unzuverlässiger Verkäufer im Netz rufschädigend von "WOT – Web of Trust" beschmutzt zu werden. Tausende dürften dem WOT-Zensur-Gate Glauben schenken und es nicht durchschreiten. Die Geschäftsschädigung anderer Webseiten gehört also mittlerweile auf Grund der schieren Verbreitung zum Tagesgeschäft von "WOT – Web of Trust".

Gerüchte, wonach negative Votings mehr wiegen

Auf Grund der bereits geschilderten Zweifel, mögen wir keinesfalls glauben, was WOT groß schreibt, nämlich dass die Ratings der Webseiten ausschließlich auf "Reputation… based on real User ratings" zurückzuführen seien. Deshalb bleibt auch ein schaler Beigeschmack, wenn WOT sagt, die Beurteilung der Webseiten würde dem Seitenbesucher vor allem helfen, zu erfahren, "how much other users trust this site". Zwar versteckt "WOT – Web of Trust" im Kleingedruckten hinter einem dünnen Link, dass die Bewertungen nicht wasserdicht repräsentativ sind, doch das dürfte sich fast keiner anschauen….

Ein weiteres Gerücht, das das Vertrauen in "WOT - Web of Trust" nicht gerade erhöht: In den USA gibt es Aussagen, wonach einer negativen WOT-Bewertung mindestens 15 positive folgen müssten. Hierzu hat sich eine nicht näher umschriebene WOT-Person auf einem U.S.-Blog folgendermaßen gerechtfertigt: "Users have to earn the system’s trust before their ratings gain weight, which is why creating multiple accounts and spamming ratings for a site has very little impact on the reputation." Aha: Also entscheiden obendrein die WOT-Verantwortlichen, wer voten darf und wer nicht, welche Bewertung gewichtet wird und welche nicht.

Dass vieles bei "WOT – Web of Trust" nicht mit rechten Dingen zugeht, zeigt sich auch daran, dass Facebook eine ursprüngliche Kooperation mit der "Bewertungs"-Seite nach einem mehrwöchigen Testlauf wieder beendet habe, wie es heißt. So haben sich wohl zahlreiche Firmen bei Facebook beschwert, die Firmenseiten in dem Social Network angelegt hatten, dass bei einem Klick in Facebook auf ihren Link die recht willkürliche WOT-Bewertung ("Achtung. Diese Seite hat einen schlechten Ruf!") Nutzer massiv verschreckt hätten.

Hunderte Millionen Webseiten - doch WOT scheint sie angeblich alle zu kennen...

Im Internet gibt es hunderte Millionen Webseiten – doch "WOT – Web of Trust" scheint göttergleich alle zu kennen. Egal wohin man schaut: Überall werden mal grüne, dann wieder orange oder rote Empfehlungs- oder Warnschildchen verteilt – das geht hin bis zu Google-Anzeigen, die WOT selbstverständlich trotz täglich wechselnder Anzeigen-Keywords auch sofort einordnen kann. Der WOT-Größenwahn kennt scheinbar keine Grenzen. Man scheint von der Allmacht der bunten Web-WOT-Smarties zu träumen und kommt diesem Ziel Dank Mozilla Firefox auch immer näher.

In den USA bereiten derzeit, ist zu erfahren, mehrere Unternehmen eine Klage gegen "WOT – Web of Trust" vor, um sich gegen die aus ihrer Sicht "dubiosen Bewertungs-Machenschaften des Portals" zu wehren. Auch in deutschen Unternehmen gibt es zunehmend solche Überlegungen. Einfach dürfte das nicht werden, da die Meinungsfreiheit bekanntlich weite Flügel hat. Das wissen auch die WOT-Drahtzieher und verstecken sich hinter dem grundsätzlich wichtigen Gut der Meinungsfreiheit und zusätzlich hinter einer juristisch schwer zu fassenden Gesellschaftsform, einer "Limited" (Ltd.).

Trotz der weiteren drohenden Gerichtsverfahren konnte die WOT Services Ltd. nun einen ersten Teilerfolg in den USA, in dem Land, in dem bekanntlich alles möglich ist, feiern. So hatte ein Gericht im Bundesstaat Florida zumindest in einem Fall, in dem ein Unternehmer gegen WOT geklagt hatte, kein Fehlverhalten von WOT erkennen mögen.

Allerdings waren wohl auch diverse Verfahrens-Fehler den Klägern unterlaufen. Die Vorwürfe des Unternehmens lauteten gegen WOT u.a. Verleumdung (defamation), Verletzung von Rechten (violating rights), Dubiose Aktivitäten (conspiracy) und Manipulation des WOT-Bewertungs-Algorithmusses (manipulating Algorithmus).

"WOT – Web of Trust" berief sich während des Verfahrens auf ein altertümliches U.S.-Internet-Gesetz aus dem Jahr 1996, konkret auf den "article 230 of the Communications Decency Act". Der Artikel schützt Internetunternehmen und deren Content recht allumfassend und pauschal. Dabei ist das Urteil in der Branche durchaus umstritten, da das Gericht das WOT-System offensichtlich nicht durchgängig durchschaut hat. "WOT – Web of Trust" bejubelte dennoch den Gerichtsentscheid mit den Worten, es sei "sehr wichtig für WOT, obwohl die Kritik an WOT" sowieso "absolut haltlos" (gewesen) sei.

WOT freut sich über U.S-Rechtssystem

Der Chief Executive Officer der WOT Services Ltd., Vesa Perälä, schrieb zudem, die U.S.-Gerichtsentscheidung würde "klar zeigen", dass in den USA ‘Die Freiheit der Rede’ über allem trumpfe und deshalb sei das, was WOT tue, auch rechtens. Dass in den USA Gerichte kaum Grenzen ziehen im Bereich der Verbreitung von Meinungen oder Behauptungen, ist bekannt und gilt als großes Defizit im dortigen Rechtssystem: So müssen es sich beispielsweise Prominente oder Nicht-Prominente presserechtlich gefallen lassen, wenn Fotografen mit Fluggeräten über ihre Gärten fliegen und dort private Fotos machen, die anschließend in den Medien verbreitet werden.

In Ländern wie Deutschland ist das undenkbar. In seiner Stellungnahme zum U.S-Gerichtsentscheid bedauerte denn auch "WOT – Web of Trust", dass die europäische Gerichtssprechung komplexer agiere als in den USA und dass hier eben nicht alles verbreitet werden dürfe. Da die Willkürlichkeit im "WOT – Web of Trust"-System offensichtlich ist, könnten Unternehmen, die sich beispielsweise in Deutschland gegen "WOT – Web of Trust" wehren, bessere Chancen haben als in den USA.

WOT verkauft ein bis zu 598 € teures Siegel

Für Diskussionsstoff sorgt auch, dass "WOT – Web of Trust" bis zu 598 € teure Siegel, das "WOT Trust Seal" (mywot.com/en/trustseal/comparison), an Homepages verkauft. So kursieren im Internet Gerüchte, wonach sich Webseiten damit möglicherweise ein besseres Listing auf der WOT-Homepage erkaufen könnten. Ob das so ist, konnte nicht überprüft werden. Auf eine Anfrage reagierte WOT nicht.

Jedenfalls widersprach ebenfalls auf einem U.S.-Blog eine nicht näher umschriebene WOT-Person dieser Käuflichkeits-Vermutung vehement: "Reputations are not for sale. In fact, you can only buy a trust seal if your site has already earned a good reputation, and should the reputation go bad in future, you will lose the trust seal." Und weiter: "WOT doesn’t rate websites and has no incentive to rate sites poorly in order to sell you something."

Damit widerspricht sich "Wot-Web of Trust" selber in erheblichen Ausmaß. Hieß es doch an anderer Stelle, WOT entscheide durchaus, welche Bewertung in die Gesamtpräsentation einer Homepage einfließt und welche nicht. Nämlich scheinbar nur jene, die WOT befürwortet und akzeptiert.

Unser Fazit deshalb: netz-trends.de kommt nicht umhin, ein hartes Urteil über WOT fällen zu müssen. Wir haben das Gefühl, dass "Wot - Web of Trust" nicht getraut werden kann. Die Seite ist zu wenig transparent, die Bewertungs-Kategorien sind zu einseitig und zu wenig differenziert. Zudem trauen wir WOT keine repräsentative und faire Beurteilung von Webseiten zu. Deshalb sollte sich Mozilla Firefox schleunigst von diesem Ad-On trennen.

Weitere kritische Hintergrundartikel zu WOT:

http://www.ripoffreport.com/internet-services/web-of-trust/web-of-trust-my-web-of-trust-c34ad.htm

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